Tag

[353] Tag, der astronomische oder bürgerliche, umfaßt die Zeit einer vollständigen Umdrehung der Erde um ihre Axe. Der natürliche Tag dagegen hebt mit dem Aufgange der Sonne an und schließt mit dem Untergange derselben. Im ersten Sinne also schließt der Tag die Nacht als einen Theil in sich, im zweiten Sinne steht er der Nacht entgegen. Die Umdrehung der Erde um ihre Axe stellt sich unsern Blicken dar als Umdrehung des Himmelsgewölbes um die scheinbar ruhende Erde, daher ist ein Tag auch die Zeit von dem Aufgange irgend eines Gestirns bis zum nächsten Aufgange desselben. Jeder Fixstern befindet sich nach 24 Stunden genau wieder an demselben Orte des Himmels wie zuvor; nur die Sonne macht von dieser Regel eine Ausnahme und zwar darum, weil ihre scheinbare Bewegung nicht nur eine Folge der Umdrehung der Erde um sich selbst, sondern auch des Umlaufs der Erde um die Sonne ist. Die übrigen Fixsterne sind allzu weit von der Erde entfernt, als daß der Lauf der Erde in ihrer Bahn von Einfluß auf den Ort ihrer Erscheinung sein könnte. Der Tag der Sonne ist daher aus den angeführten Gründen nicht fortwährend gleich lang. Man theilt bekanntlich den Tag in 24 Stunden und die Astronomen zählen diese Stunden von einem Durchgang der Sterne durch den Meridian (Mittag) bis zum nächsten, ein solcher Tag heißt dann ein wahrer Sonnentag. Da diese wahren Sonnentage von ungleicher Länge sind, so hat man um der leichtern Berechnung willen eine Sonne von sich gleich bleibender scheinbarer Bewegung, eine sogenannte mittlere Sonne angenommen und rechnet nach den Tagen, welche eine solche Sonne haben würde, nach mittlern Sonnentagen, welche noch um fast 3′56″1/2 länger als die Sterntage (von einer Culmination eines Sternes bis zur nächsten) sind. Noch viel verschiedener als die wahren Sonnentage sind die natürlichen Tage, weil die Länge derselben im Verhältniß zur Länge [353] der Nacht von der Stellung der Erde in ihrer Bahn, d.h. von den Jahreszeiten abhängt. Wenn die Sonne im Äquator steht, so sind Tag und Nacht gleich, und es ist dieses der Fall zur Zeit der Aquinoellen; rückt sie dann über den Äquator, so werden die Tage bei uns länger als die Nächte, bis im Sommer der längste Tag zur Zeit des Sommersolstitiums stattgefunden hat, und die Sonne sich in abnehmenden Tagen wieder dem Äquator nähert, um nunmehr unter denselben zu sinken und kürzere Tage als Nächte für uns zu schaffen, bis endlich im Winter der kürzeste Tag zur Zeit des Wintersolstitiums stattfindet. Unter dem Äquator sind allezeit Tag und Nacht gleich, während in dieser Beziehung in der Nähe der Pole die größte Ungleichheit stattfindet, sodaß endlich gar kein in 24 Stunden erfolgender Wechsel zwischen Tag und Nacht mehr beobachtet wird, sondern der längste natürliche Tag ein halbes Jahr währet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 353-354.
Lizenz:
Faksimiles:
353 | 354
Kategorien: