Zeuge

[796] Zeuge wird eine Person genannt, welche über etwas Vergangenes aussagen soll, was sie davon wahrgenommen hat, oder die aufgefodert wird, bei einem Geschäfte oder sonstigem Vorgange gegenwärtig zu sein, um demselben dadurch gesetzliche Form und Gültigkeit zu geben und künftig den Hergang beurkunden zu können. Wird die Aussage (das Zeugniß) der erstern vor Gericht und in Bezug auf einen Rechtshandel gefodert, so sind sie Beweis- oder gerichtliche Zeugen; die letztern heißen Instruments-oder Solennitätszeugen. Da die Rechtspflege ohne Zeugen kaum möglich sein würde, ist es auch eine allgemeine Bürgerpflicht, daß Jeder sich dazu hergibt, wenn ihn der Richter oder die Parteien zum Zeugniß auffodern, sofern er eidesmündig und nicht gesetzlich befreit oder unfähig zum Zeugen ist, und die abgelegte Aussage durch den Zeugeneid bekräftigt. Wegen verweigerten Zeugnisses können selbst Zwangsmittel angewendet werden; dagegen sind gewisse Personen, zu welchen nach gemeinem Rechte aber blos nahe Verwandte und Schwäger gehören, zur Ablegung von Zeugniß gar nicht verbunden, wozu noch die besondere Gesetzgebung der einzelnen Länder andere Ausnahmen gesellt. Verweigert kann das Zeugniß auch werden, wenn man dadurch von sich selbst etwas Unerlaubtes, ein Kunstgeheimniß verrathen oder sich sonst einen Nachtheil dabei zufügen würde. Geistliche dürfen nicht über das im Beichtstuhl ihnen anvertraute, Advocaten nicht um die Geheimnisse ihrer Partei befragt werden. Wo Zeugen nicht als Kunstverständige vernommen werden, können sie nur bezeugen, was von ihnen sinnlich wahrgenommen worden ist, und um zu beweisen, dürfen sie nicht blos vom Hörensagen reden, in welchem Falle sie nur Andern nachsprechen und bloße Ohrenzeugen sein würden, sondern müssen sich auf eigne Wahrnehmung berufen können. Zwei Zeugenaussagen, gegen deren Unbefangenheit nichts einzuwenden ist und denen kein Gegenbeweis widerspricht, machen einen vollen Beweis; ein Zeuge macht nur den Anfang eines Beweises, der in Ermangelung anderer Entscheidungsgründe durch einen Eid ergänzt oder beseitigt werden muß. Da man durch den Zeugen die Wahrheit über Unbekanntes oder Zweifelhaftes erhalten will, muß er die Verstandesfähigkeit zur richtigen Auffassung der betreffenden Sache besitzen und das Vertrauen der Glaubwürdigkeit genießen. Ungeeignet zu gewissenhafter Aussage sind Meineidige und überhaupt Solche, die einer entehrenden Handlung überwiesen und dadurch des bürgerlichen Glaubens unwürdig geworden sind In England werden auch Kinder als Zeugen zugelassen. wenn man ihnen hinlängliche Fassungskraft und einen gehörigen Begriff vom Eide zutraut. Zur Beglaubigung und um einem Geschäft die gesetzliche Form und Gültigkeit zu geben, werden mindestens drei und in wichtigen Fällen fünf und acht Zeugen erfodert.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 796.
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