Goldstickerei

[461] Goldstickerei, eine Kunst, welche in frühern Zeiten einen[461] weit größeren Einfluß auf die Toilette der Damen ausübte, als gegenwärtig, wo man das Leichtelegante dem Schweren, Prunkenden vorzieht. Die Anzüge der Fürstinnen und Vornehmen starrten vormals bei festlichen Gelegenheiten von goldenen und silbernen Stickereien, die zugleich Perlen und geöhrte Edelsteine auf den Gewändern, namentlich den Schleppen und Hosmänlein, festhielten. Plattstich in bunter Seide, verdrängte sie nur eine Zeit lang, um sich dann wieder mit ihnen in die Gunst der weiblichen Welt zu theilen; jetzt schmückt die eigentliche Goldstickerei nur noch die Offiziersuniformen mancher Waffengattungen, die Kragen der Herrenhofkleider, Fahnen, Altarbekleidungen, Meßgewänder, Krönungskleider, nur selten Roben von Prinzessinnen, aber, noch immer wie vor hundert Jahren, das reiche, phantastische, prächtige Hofkostüm der ungarischen Magnatentochter oder Fürstin. Das, was unter obigem Namen noch zuweilen auf Ballkleidern erscheint, ist nur Application, d. h. angeheftetes Krausgold und Goldbouillon, die wahre alte Kunst ward nur in schweren Stoffen, als Sammt, Atlas, Tuch etc., welche die metallumsponnenen Faden nicht so leicht zu schlitzen vermögen, ausgeführt und zeigt da ein Gemisch von Plattstich und dicker Stickerei. Blumen, Blätter, kurz alle größern Gegenstände, müssen zuvörderst nach der Zeichnung in seinem Leder oder Karton ausgeschnitten und dem Stoffe aufgenähet werden; die Gold- oder Silberfaden sticht man dann dicht neben einander darüber, wie bei der französischen Weißstickerei über die Fadengrundlage gearbeitet wird. Stiele und leichte Zweige stickt man beliebig mit Goldbouillon oder in Plattstich. Zur Abwechselung bedient man sich auch der matten und blanken oder brillantirten Bouillons zum Ueberdecken größerer Flächen, und kleine, sehr mühsam gearbeitete Cordonnets scheiden dann die verschiedenen Felder, besonders in Wappen. Die Edelsteine, Perlen, Pailletten u. s. w bildeten hin und wieder den Kern, heute wendet man die Letztern nur noch bisweilen und zwar mit mehr Geschmack[462] zu Knöspchen u. dgl. an. Die Flitterstickerei kann als ein Abkömmling der Goldstickerei, der sie weder an Werth noch Schönheit gleichkommt, betrachtet werden. Niedlicher ist ein noch unlängst beliebter Versuch, Damenbeutel, Sultans u. s. w. auf zierliche Weise durch Gold und Perlen zu sticken. Man benutzte dazu das geschnittene Bouillon, so daß jedes kleine Stück mit Seide an den von krausem Gespinnst gemachten Stiel angestochen ein Blättchen vorstellte, etwa wie Ericagezweig. Größere Blätter erlangte man durch Dichtaneinandernähen desselben Gespinnstes, wie die Zeichnung es erheischte; doch von vorzüglich guter Wirkung waren untermischte Aehren von ganz seinen, schottischen Glasperlen. Sammtblumen hinzugefügt vollendeten den reichen Anblick und der eigentliche Goldfaden, der so leicht abspringt, war dazu gar nicht nöthig; um indessen dieß unangenehme Lösen des Goldes vom Faden zu verhindern, darf man erstlich nur recht kurze Enden abschneiden, sie dann durch frische Zwiebel ziehen, oder das ganze Wickel in Wasser werfen.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 461-463.
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