Stockholm

[431] Stockholm. Diese herrliche Hauptstadt Schwedens hat man nicht unpassend mit Venedig verglichen; doch ist sie weit grandiöser:[431] – das Meer und der lange Mälarsee vertreten in ihr die Stelle der Canäle, die Felseninseln die der Lagunen und eingerammten Pfahlwerke und statt der schwarzen Gondeln, die in Venedig die einzig nur möglichen Wasserstraßen befahren, brauset hier im nordischen Venedig das stolze Dampfboot oder die Barke zwischen den Reihen prachtvoller Paläste hindurch, während zugleich daneben auf den granitenen Quais die eleganten Equipagen vorbeifliegen. An der Stelle der versunkenen Paläste der Nobili zeigt sich hier eine neue, jugendlich-kräftigere Architektur. Gegen 1300 Inseln bedecken den reizenden See, auf deren 8 das eigentliche S. liegt. Auf zwei Halbinseln daneben liegen die Vorstädte Norder- und Södermalm, die unter sich, sowie mit der eigentlichen Stadt, durch 14, zum Theil sehr schöne, Brücken verbunden sind. Der schönsten Aussicht genießt man vom Mosesberg (Mosesbacke) in Södermalm auf das dunkle, endlose Meer, die helle, schimmernde Inselstadt, die künstlichen Terrassen mit ihrem Blüthengebüsch und Baumgruppen über die stattlichen Häusermassen herüberragend, die wimpelreichen Masten von hundert Kauffahrern, die schaukelnden Barken, die großen Plätze, geschmückt mit trefflichen Standbildern, – wie der Gustav Adolphsplatz nnit der Reiterstatue dieses Königs, der Platz Karl's XIII. mit dessen Standbild, und ein dritter mit dem Gustav's III., – die prächtige Ritterholmskirche, die leider durch einen Blitzstrahl 1835 vielfach zerstört wurde, die Börse, das Arsenal, rings umher eine Menge schöner Landsitze, – unter ihnen besonders die königl. Luftschlösser Ulricsdal, Drottningholm und Gripsholm, – vor Allem aber das königliche Schloß, S's prächtigstes Gebäude, ein längliches, hochgelegenes, nach dem Muster des Schlosses zu Versailles erbautes Viereck mit einer sehe reichen Kapelle, dem prachtvollen Reichssaal, einer 40,000 Bände starken Bibliothek und dem königl. Museum. Daneben ist ein Garten mit reizenden Anlagen und die glänzende Schloßbrücke. Wandeln wie durch die meist schönen, wenn auch in einigen Stadttheilen engen, [432] von 81,000 Ew. belebten Straßen, so unterhält uns ein immer neuer Wechsel der belebtesten Staffage; denn S., der Sitz fast aller Reichscollegien, einer Akademie der Wissenschaften und einer der Künste und vieler anderen scientisischen und allgemeinnützlichen Anstalten, besitzt außerdem sehr wichtige Fabriken in Seide, Wolle, Gold, Leder, Glas etc., nebst einer großen Schiffswerfte, und betreibt allein mehr als die Hälfte der gesammten schwedischen Handelsgeschäfte. Alles erscheint im Durchschnitt nett, zierlich, wohlgebildet. Das gesellige Leben ist sehr angenehm und heiter, besonders im Winter, wo sich ein großer Theil der reichen und vornehmen Welt in der Residenz versammelt, und die reizenden Schwedinnen auf den Bällen, Concerten im glänzenden Opernhause, oder – der überraschendste und nur hier sich darbietende Anblick! – die zarte Hebegestalt in weiche Pelze gehüllt, auf den Eisschlitten figuriren, welche, wenn alles zugefroren, von Insel zu Insel in allen Richtungen die See- und Meerarme durchgleiten. Daneben laufen Tausende auf Schlittschuhen, und es gewährt eine äußerst angenehme Unterhaltung, wenn man die Leichtigkeit und Geschwindigkeit betrachtet, mit dem sich Alt und Jung auf Schlitten, Wagen und Schlittschuhen auf der unabsehbaren, silberhellen Eisfläche lustig herumtummelt.

B....i.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 431-433.
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