Ideal

[457] Ideal (idealis) bedeutet: 1) vorbildlich, dem Charakter der Idee (s. d.),[457] des Ideals (s. d.) angemessen; 2) (= ideell) nicht wirklich, nicht real (s. d.), nur als (oder in der) Idee (Vorstellung, Phantasie, im Bewußtsein) bestehend; 3) nicht empirisch vorkommbar, sondern als Idee, Geistiges, Seinsollendes, Gültiges bestehend. Das ideale wird vom realen Sein unterschieden.

Zuerst bedeutet »idealis, idealiter« so viel wie: in der (Platonischen) Idee, vorbildlich, als Musterbild im göttlichen Geiste seiend, »esse exemplariter« (ALBERTUS MAGNUS, Sum. th. I, 50, 2). Von WILHELM VON OCCAM an hat »idealiter« schon den Sinn des »esse in intellectu«, des geistigen Seins. Nach GOCLEN bedeutet »esse ideale« das »esse alicuius in mente secundum speciem, in qua, ut obiectivo principio, res cognoscitur« (Lex. philos. p. 209). LEIBNIZ stellt das »ideal« dem Materialen gegenüber (Erdm. p. 186a). Neben der älteren Bedeutung erhält »ideal« (besonders durch die neue Bedeutung von »idea« als Vorstellung, Gedanke seit DESCARTES) die des bloß Vorstellungsmäßigen, Subjectiven. MENDELSSOHN erklärt: »Das erste, von dessen Wirklichkeit ich überführt bin, sind meine Gedanken und Vorstellungen. Ich schreibe ihnen eine ideale Wirklichkeit zu, insoweit sie meinem Innern beiwohnen und als Abänderungen meines Denkvermögens von mir wahrgenommen werden« (Morgenst. I, 1). PLATNER bemerkt: »Idealische Dinge haben ihren Grund in der Vernunft« (Philos. Aphor. I, § 518). KANT bringt die transcendentale Idealität (s. d.) mit der empirischen Realität zusammen. Nach KRUG legen wir dem Wissen »Idealität« bei, sofern wir es auf das Reale beziehen, »denn das Wissen oder die Vorstellung von dem, was ist, heißt eben das Ideale« (Handb. d. Philos. I, 45). J. G. FICHTE versteht unter der »Reihe des Idealen« »die Reihe dessen, was sein soll, und was durch das bloße Ich gegeben ist« (Gr. d. g. Wiss. S. 264). SCHELLING bestimmt: »Ideell, abhängig vom Ich« (Syst. d. tr. Ideal. S. 76). Das »absolut Ideale« ist »absolutes Wissen« (Naturphilos. I, 71). Ideales und Reales sind im Absoluten identisch. Das wahre Ideale ist »allein und ohne weitere Vermittlung auch das wahre Reale« (Vorles. üb. d. Meth. d. akad. Stud.3, S. 12). Nach HILLEBRAND ist das Ideale »der mit der Objectivität identische Gedanke oder der in seiner Realität sich gegenwärtige Begriff« (Philo(s. d.) Geist. II, 235). Das Ideale ist auch das Reale (ib.). Nach SCHOPENHAUER ist das Ideale »das, was unserer Erkenntnis allein und als solcher angehört« (Parerg. I, 1). Nach SCHALLER u. a. ist ideell alles Abstracte, Allgemeine, Gesetzliche (Briefe S. 37). TEICHMÜLLER nennt ideelles Sein »Jedes Was, Quid, d.h. im allgemeinen alles, was ein Gegenstand oder Inhalt des Denkens und Erkennens geworden ist« (N. Grundleg. S. 99). Ideell ist aller von der Erkenntnis erfaßte Inhalt des Bewußtseins (l.c. S. 101), alles »Gemeinte« (l.c. S. 118). HUSSERL unterscheidet das ideale Sein der Wahrheit (d.h. deren überzeitliches Gelten) vom bloß psychischen Sein in unserem Geiste (Log. Unters. II, 95). Bei R. AVENARIUS bedeutet »ideell« so viel wie »gedankenhaft« gegenüber dem »Sachhaften« (s. d.). Vgl. Wahrheit, Sein.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 457-458.
Lizenz:
Faksimiles:
457 | 458
Kategorien: