Feuer, Oster-, Johannis- und Notfeuer

[201] Feuer, Oster-, Johannis- und Notfeuer. Offene Feuer haben sich noch heute als Überbleibsel des Donar-Kultus überall in Deutschland erhalten. Die Frühlingsfeuer heissen Petersfeuer, Judasfeuer oder Osterfeuer, sie sind besonders in Norddeutschland bekannt. Sie werden entweder am Vorabende des Osterfestes, bisweilen an den folgenden Tagen oder am Sonntag nach Fastnacht oder acht Tage nach dem Fastnachtsonntag angezündet, meist auf Bergen und Hügeln, aus Stroh, Holz, besonders vom Bocksdorn (Kreuzdorn), Besen. Knaben laufen mit brennenden Strohbüscheln um die Felder, sie fruchtbar zu machen. Im Harz werden vor dem Entzünden des Feuers Eichhörnchen, die Tiere des Donar, im Walde gehetzt und gefangen. In Westfalen schliesst das Volk einen Kreis um den Holzstoss, einer schlägt mit einem in einen Knoten geknüpften Tuch (Klumpsack, Plumpsack) jeden einzelnen und spricht: Kik di nit um, das Foesken dat kämt, schau dich nicht um, das Füchschen kommt! Dies ist der Ursprung des weitverbreiteten Plumpsackspieles, des Restes eines altheidnischen Festes.

Es giebt auch ein kirchlich angeordnetes Osterfeuer, das in der katholischen Kirche am Karsamstag morgen mit Stahl und Stein angezündet wird, nachdem vorher alle kirchlichen Lichter ausgelöscht sind. An diesem Feuer werden Kohlen, die vorher gesegnet wurden, glühend gemacht und mit diesen die Osterkerze angezündet, durch welche nun weiter die vorher ausgelöschten entzündet werden. An vielen Orten wird mittels dieses Feuers auf einem freien Platze in der Nähe der Kirche ein Holzfeuer angezündet und darin alles im letzten Jahre übrig gebliebene heilige Öl, bisweilen auch die Figur des Judas, vielleicht ursprünglich den Winter darstellend, verbrannt. Die Kohlen von angebrannten Pfählen gelten als Gewitterschutz oder, in die Felder zerstreut, als Mittel gegen Misswachs und Ungeziefer. Dieses kirchliche Osterfeuer erscheint in Deutschland zuerst im 9. Jahrh.

Ein anderes uraltes Feuer, das Donar heilig war, war das um die Zeit der Sommersonnenwende angezündete, jetzt meist auf den Johannistag (24. Juni) verlegte Feuer; es ist besonders in Süddeutschland zu Hause und heisst Sonnenwendfeuer, Johannisfeuer, Himmelsfeuer, Zündelfeuer. Diese Feuer werden ausser auf Bergen auch auf Märkten und in Strassen angezündet. Man springt durch das Feuer, schleudert brennende Holzscheite, in der Mitte mit einem Loch, hoch in die Luft; aus Stroh geflochtene brennende Räder werden den Berg hinabgerollt. Die Jugend bekränzt sich mit Blumen, namentlich mit Beifuss und Eisenkraut, und diese Kränze werden in den Häusern zum Schutz gegen den Blitz aufgehängt. Sebastian Franck erzählt im Weltbuch von den Franken: »An St. Johans tag machen sy ein Sinetfeuer, tragen auch disen tag sundere kräntz auf, weiss nit auss was aberglauben, von beifuess und eisenkraut gemacht, und hat schier ein jeder ein blaw kraut, Rittersporn genannt, in der hand;[201] welcher dadurch in das fewr sihet, dem thuet das ganz jar kein aug weh, wie si aberglauben. Wer vom fewr heim zuhauss hinweg gehn will, der würft diss sein Kraut in das feur, sprechende: Es gehe hinweg und werd verbrent mit disem kraut all mein unglück. Das bischöflich hofgesind würft auf disen tag bei ihrem freudenfeur auf dem Berg hinterm schloss feurine kuglen in den fluss Moganum (Main), so meisterlich zuegericht, als ob es fliegende Trachen weren.« In früheren Zeiten nahm auch die feine Welt an diesen Freudenfeuern teil. Zu Augsburg zündete 1497 in Kaiser Max' Gegenwart die schöne Susanna Neithart das Johannesfeuer mit einer Fackel an und machte dann zuerst den Reigen um die Flamme an Philipps Hand. Im Jahre 1578 liess der Herzog von Liegnitz Johannisabends ein Freudenfeuer auf dem Kynast halten, wobei er selbst mit seinem Hof zugegen war. Französische Schriftsteller des 12. und 13. Jahrh. bezeugen die Sitte für Frankreich.

Verwandt mit dem Oster- und Johannisfeuer sind die schon im 8. Jahrh. kirchlich verbotenen Notfeuer, die heute noch nicht ganz ausgestorben sind; auch sie wurden dem Gewittergott Donar zu Ehren entflammt, als einer Gottheit, die das Leben und die Gesundheit der Menschen und Tiere beschützt. Das Notfeuer wird angezündet, sobald eine Seuche unter dem Vieh auftritt und zwar durch Reibung mit einer Walze oder einem Rade. Stahl und Stein darf nicht angewendet werden, und im ganzen Orte muss jedes Feuer und Licht ausgelöscht sein, sonst gerät es nicht; jeder Einwohner muss etwas Reisig und Stroh zu dem Feuer liefern. Das Vieh, besonders Schweine, Kühe und Gänse, wird dann dreimal durch das Feuer hindurchgetrieben oder -gezogen. Das Notfeuer heisst auch das wilde Feuer. Grimm, Mythol. XX; Mannhardt, Götter, VI; Wuttke, Abergl.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 201-202.
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