Augenheilkunde

[331] Augenheilkunde (Ophthalmiatrik, Ophthalmologie), ist die Lehre von der Erkenntniß und Heilung der Krankheiten des Auges und dem zur Wahrung seiner Gesundheit nöthigen Verhalten. Schon im Alterthum, namentlich in Aegypten, fand dieser Zweig der Heilkunde große Pflege, ebenso in Griechenland und später auch in Rom. Nach Galen aber wurde die A. wieder gänzlich vernachlässigt und befand sich durch eine Reihe von Jahrhunderten in den Händen unwissender Menschen, bis ihr endlich im 16. und 17. Jahrh. wieder eine bessere Pflege zu Theil wurde. Allgemeinere und regere Theilnahme fand sie jedoch erst im 18. Jahrh. in allen Ländern, und das genauere und tiefere Studium der Anatomie und Physiologie des Auges in dieser Periode beförderte besonders ihr Aufblühen. In Deutschland machten sich besonders Richter und Barth verdient, letzterer durch seine Lehrvorträge der A. in Wien. Barths Schüler war der verdiente Beer, aus dessen Schule eine große Zahl ausgezeichneter Ophthalmologen hervorging, und die neueste Zeit erhob die A. auf eine hohe Stufe der Vollkommenheit (Gräfe, Walther, Jüngken, Jäger, Rosas etc.). Die hohe Bedeutung der A. leuchtet aus der Wichtigkeit des Sehorgans und der Menge und Mannigfaltigkeit seiner Erkrankungen genügend hervor, aber noch ein weiteres und allgemeineres Interesse gewährt ihr der eigenthümliche Bau des Auges. Im Auge repräsentiren sich die verschiedenen organischen Systeme des Körpers und treten hier mehr isolirt hervor. Aus diesem Grunde und weil die einzelnen Gebilde des Auges mit den in denselben vorgehenden krankhaften Veränderungen und Vorgängen sich der unmittelbaren Anschauung und Beobachtung mehr darbieten, hat nicht blos die Erkenntniß der Augenkrankheiten einen hohen Grad von Feinheit und Bestimmtheit erreicht, sondern ihre genaue Beobachtung hat auch für Beurtheilung und Erkenntniß von Erkrankungen in andern Organen und Systemen wichtige Schlüsse erlaubt und Vieles aufgehellt. Die Zahl der Krankheiten des Auges ist eine große. Hauptsächlich sind es die verschiedenartigen Entzündungen der einzelnen Gebilde des Auges, wie der Augenlider, der Bindehaut, der drüsigen Organe, der Sclerotica, Gefäßhaut, Hornhaut, Iris etc. und die Folgeübel dieser Entzündungen bei ungünstigem Verlauf, als Eiterung, Geschwüre, Ausschwitzungen, Verdunkelungen, Verschließungen, Lageveränderungen, wodurch die Funktion des betreffenden Gebildes mehr oder weniger beeinträchtigt oder gänzlich aufgehoben wird; ferner Nervenleiden des Auges, wie Augenschmerz, Funkensehen, schwarzer Staar etc. Viele dieser Krankheiten erfordern operatives Einschreiten, die größere Zahl aber blos ärztliche Behandlung, innere und äußere, weßhalb nicht blos der Operateur, sondern auch der Arzt mit diesem Theil der Heilkunde sich vertraut zu machen hat.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 331.
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