Mosaik

[495] Mosaik (opus musivum), musivische Arbeit, entsteht durch Aneinanderfügung und Aufkittung von kleinen Stücken verschiedenfarbiger Steinchen, Pasten oder Glasstücken zum Zweck einer ornamentalen oder figuralen Darstellung.

Es gibt nach den verwendeten Stoffen verschiedene Arten von Mosaiken, insbesondere Stein-, Marmor-, Glas- und Pastenmosaik, in neuerer Zeit die Platten- oder Fliesenmosaik, mittels der durch ornamentierte Platten insbesondere Fußböden hergestellt werden, dann die Stiftenmosaik, die zur Anfertigung von kleinen Schmucksachen dient, ferner die Holzmosaik oder Intarsia (s. Kunstgewerbe). Mosaikdarstellungen fand man schon in den Trümmern des alten Babylon. Weitere Durchbildung erhielt sie im griechischen Stile, wo sie namentlich sehr häufig zu Fußbodenverzierungen verwendet wurde; die bekanntesten Beispiele sind: eine Mosaik aus der Vorhalle des Zeustempels zu Olympia (s. Bd. 2, S. 239), eine aus einem Hause auf der Insel Delos u.s.w. In der römischen Kunst wurde die Mosaik noch weit häufiger angewendet, und zwar nicht nur zur Verzierung von Fußböden [5], sondern auch zur Dekorierung von Säulen und Wänden, insbesondere in der Kaiserzeit, in der die Technik die größten Fortschritte gemacht hatte. Die bedeutendsten Beispiele sind: die sogenannte Alexanderschlacht (eine lebendige Darstellung von 50 lebensgroßen Personen), gefunden in dei Casa del Fauno zu Pompeji (Fig. 1, im Nationalmuseum in Neapel), die Taubenmosaik aus der Villa Hadrian, die Fußböden der römischen Häuser, in welchen (allerdings stilistisch unstatthaft) wie zufällig hingeworfene Abfälle der Tafel durch Mosaik dargestellt waren. – Häufiger als die figurale Mosaik ist in der römischen Kunst die rein ornamentale; in Pompeji sind die meisten besseren Räume mit einem zierlichen derartigen Mosaikfußboden versehen (Fig. 2). Die byzantinische und[495] altchristliche Kunst übernahm die Mosaik der spätrömischen Zeit, und in dieser Periode wurden namentlich die Wände mit großen figuralen Darstellungen auf Goldgrund verziert. Den Hauptschmuck erhielt die Apsis, in deren Halbkuppel die Kolossalgestalt des Heilandes, umgeben von den Aposteln, auf leuchtendem Goldgrund dargestellt war. Aehnliche musivische Bilder zeigten der Triumphbogen und in den meisten Fällen die Obergaden des Mittelschiffs oder des Mittelraums der Zentralkirchen. Die herrliche Farbenpracht dieser Räume mußte auf die Zeitgenossen von überwältigender Wirkung gewesen sein. Zu diesem musivischen Schmuck verwendete man meist Glasmosaik, wobei namentlich der Goldhintergrund durch kleine Glasstückchen hergestellt wurde, die dünne Goldplättchen zwischen zwei Glasschichten eingeschmolzen erhielten [3]. Die Fußböden wurden in dieser Zeit als eine etwas derbere Marmormosaik gebildet, die aus größeren Stücken bestand, die in zwei- oder mehrfarbiger Musterung nach Schnur und Richtscheit, in Zement oder Gips gelegt und durch Sorgfältiges Schleifen zu vollendeter, spiegelnder Oberfläche verarbeitet wurden. Der Form nach waren es Drei- oder Vierecke, gleich- oder ungleichseitige Plättchen, in Rauten, Sechs- oder Achtecken – den sectilia oder scutulae des Vitruv [5] entsprechend –, die in sorgfältigster Bearbeitung mit haarscharfen Fugen zusammengesetzt wurden. In ihrer ruhigen Färbung und klaren flächenartigen Musterung wirkten sie einem Teppich ähnlich. Die dazu verwendeten Steingattungen waren vorzugsweise Marmor in den verschiedensten Farben, Porphyr, Serpentin, Jaspis, Lava, überhaupt solche Gesteinsarten, die durch Härte, gleichmäßiges Korn und Politurfähigkeit eine ebenso reiche und prächtig wirkende als monumentale Ausführung ermöglichten. Diese Ausführungen erfolgten zum Teil nach antiken Mustern, ebenso in altchristlicher Zeit, wie auch im Mittelalter (s. Fußböden, Bd. 4, S. 222). Als besonders förderndes Moment hierfür kommt in Betracht, daß zur Zeit der römischen Weltherrschaft, namentlich in der Kaiserzeit, die seltensten und kostbarsten Steinarten aus allen unterworfenen Erdteilen, besonders aus Aegypten und Afrika, herbeigeschafft wurden. Diese Vorliebe für die edleren Steinarten kam dann den späteren Geschlechtern zugute, die aus den in den Ruinen angesammelten Ungeheuern Vorräten die Stoffe in Fülle entnehmen konnten, um ihre herrlich spiegelnden Steinböden daraus zu schaffen (Fig. 3) (S. Clemente in Rom). Im Laufe des 12. Jahrhunderts blühte auch die Kunst der musivischen Arbeit wieder auf. Aus dieser Zeit flammen die Mosaiken von S. Marco in Venedig, vom Dome zu Monreale und der Cappella Palatina zu Palermo [4]. Im 13. und 14. Jahrhundert machte sich die Familie der Cosmaten (Bd. 2, S. 479) bemerkbar, die eine eigne Art der Mosaik aus farbigen Steinen und Glasstückchen einführten; sie waren es auch, welche die zarten Säulchen mancher Klosterhöfe mit ihrer Mosaik inkrustierten. Im 16. Jahrhundert pflegte man zwar nicht mehr die Innenräume der Kirchen mit musivischen Arbeiten zu schmücken, es blieb vielmehr die Mosaik der Kleinkunst vorbehalten. So entstand in Florenz eine Technik, die man die Mosaik in pietra dura nannte, darin bestehend, daß zumeist in dunkeln Platten Zeichnungen ausgesägt und diese in den Zwischenräumen mit Steinmosaik in größeren Stücken ausgefüllt wurden, so daß verschiedene Ornamente, Blumenvasen, Blumen, Vögel u. dergl. entstanden. Auf diese Art wurden namentlich Tischplatten, Kästen, Füllungen, Altäre, Kanzeln u.s.w. geschmückt. Für kleine Schmuckgegenstände hat sich diese Technik auch noch heute erhalten, und insbesondere werden so Broschen, Armbänder und ähnliche Objekte hergestellt. Dabei ist der Grund vorwiegend schwarz, während das Ornament insbesondere Blumen enthält. Ist das Ganze fertiggestellt, so wird es sorgfältig geschliffen. In Rom und Venedig werden neuerdings Schmuckgegenstände derart hergestellt, daß das betreffende Ornament samt dem verschiedenfarbigen Grund aus kleinen eingeschliffenen Steinchen gebildet wird, die ihre rauhe Oberfläche behalten. Im Vatikan in Rom befindet sich heute noch eine sehr bedeutende Mosaikfabrik, die insbesondere große figurale Kompositionen und Heiligenbilder herstellt und ausschließlich Pasten dazu verwendet, die in Hunderten von Farbentönen den ausführenden Künstlern zur Benutzung vorliegen. Diese Fabrik hat namentlich die ganze musivische Ausstattung von S. Paolo und andre bedeutende Arbeiten übernommen. (Fig. 2 und 3 aus Dolmetsch, Ornamentenschatz, Stuttgart 1887.) Ebenso sind Villeroy & Boch in Mettlach sowie [496] Puhl & Wagner in Rixdorf (Berlin) Kunstanstalten, die sich der Pflege dieser Kunsttechnik widmen. Ueber die Leistung der letzteren hier ein Beispiel (Fig. 4 auf S. 496): Thronender Christus.


Literatur: [1] Bucher, Geschichte der techn. Künste, Stuttgart 1875. – [2] Gerspach, La mosaïque, Paris 1881 – [3] Barbet de Sony, Les mosaïques chrétiennes de basiliques et des églises de Rome, Paris 1857. – [4] Rossi, Mosaici cristiani, Rom 1872/1900. – [5] Vitruvius, M., De architectura, übersetzt von A. Rode, Leipzig 1796, 7. Buch, 1. Kap.

Weinbrenner.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 495-497.
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