Steinkohlenformation

[286] Steinkohlenformation (Karbon, -formation, -periode), die technisch wichtigste der paläozoischen Formationen, über der Devonformation und unter dem Rotliegenden lagernd.

Sie gliedert sich in zwei Abteilungen: 1. Kohlen- oder Bergkalk, Subkarbon, Untere Abteilung, vornehmlich eine marine Ablagerung von Kalksteinen oder eine gemischte marinfluviatile (Kulm) von Grauwacken, Kiesel- und Tonschiefern. Der Bergkalk ist dunkelgrau bis schwarz, dicht bis körnig, vielfach aus Krinoiden bestehend, wie der als schwarzer Marmor viel verwendete »Petit Granit« (Maffles in Belgien) und der schwarze und weißgeaderte Kalk von Dinant (Belgien). Die Kiesel- und Tonschiefer sind ebenfalls meist dunkelgrau bis schwarz. Gewisse Lagen sind als Schleifsteine für seine Stahlwaren verwendbar. Manche Tonschiefer werden als Dachschiefer benutzt (Lehesten in Thüringen). Die Grauwacken sind meist grobkörnig, sehr zäh und fest. Untergeordnet sind anthracitische Kohlen von geringer Mächtigkeit. Blei-, Zink- und Eisenerze treten als Gänge und Lager im Kohlenkalk vielfach auf (Aachen, Belgien, Harz, England, Nordamerika). Die Schichtenlagerung ist durchweg in Zentraleuropa eine gestörte, und zwar gefaltete, gestauchte und aufgerichtete. Zuweilen ungleichförmig (diskordant) auf älteren Formationen lagernd, besonders das Kulm, alsdann konglomeratisch. Verbreitung: am Nordrand des rheinischen Schiefergebirges (Westfalen, Aachen), Belgien, Fichtelgebirg, Schießen, England, Frankreich, Rußland u.s.w.

2. Eigentliche, flözreiche oder produktive Steinkohlenformation, Obere Abteilung, vorwiegend eine Ablagerung von Flüssen und Binnenseen, bestehend aus Konglomeraten, Schiefertonen, Sandsteinen und Kohlenflözen, untergeordnet aus Kalksteinen, Tonsteinen u.s.w. Die Kohlenflöze sind aus der Verwesung von Sumpf- und Landpflanzen hervorgegangen. Die Konglomerate und Sandsteine sind meist hell gefärbt, ziemlich locker, kalkfrei, in einigen Fällen durch Kieselsäure verkittet und sehr fest. Die Schiefertone sind meist grau, auch schwarz, oft reich an Kohlenteilchen (Kohlenschiefer), reich an Pflanzenresten (Gefäßkryptogamen, Monokotyledonen, Koniferen). Die Lagerung ist stets gestört, aber seiten in dem Maße wie die ältere Abteilung, meist nur in Mulden und Sättel aufgerichtet. Vielorts in ungleichförmiger (diskordanter) Auflagerung auf den zunächst älteren und gefalteten Formationen auftretend. Meist in kleinen, engbegrenzten Becken abgelagert. Hinsichtlich des Kohlenreichtums ist zu erwähnen: Oberschlesien, 104 Flöze mit 154 m Kohle, darunter das Schuckmannflöz mit 12 m, das Xaveriflöz mit 17 m Kohle; Niederschlesien, 31 Flöze mit 42 m Kohle; Zwickauer Mulde, 11 Flöze mit 10 m Kohle; Luganer Feld mit 7 Flözen, davon 4 bauwürdig; Ibbenbüren mit 7 bauwürdigen Flözen und 5,30 m Kohle; Piesberg mit 3 bauwürdigen Flözen und 2,7 m Kohle; Westfalen, Ruhrrevier, 176 Flöze, davon 70 bauwürdig mit 81 m Kohle; Saargebiet, 82 Flöze mit 77,6 m Kohle. Noch reicher an Kohlen und ausgedehnter sind englische Gebiete in Newcastle, Durham, Lancashire, Yorkshire, Nottingham, Derby, Staffordshire, Wales und diejenigen Rußlands (Zentralrußland, Donez und Don), Nordamerika u.s.w. Die Mächtigkeit der einzelnen Flöze geht bis über 10 m. Die gesamte Jahresförderung an Steinkohlen auf der Erde mag 1000000000 t betragen. Durch zahlreiche Tiefbohrungen wurde in[286] den letzten 10 Jahren die unterirdische Verbreitung des flözführenden Kohlengebirges in weit ausgedehnterem Maße nachgewiesen, als es bis dahin bekannt war; insbesondere die große Ausdehnung der Steinkohlenformation in Westfalen und links des Rheines nach Norden zu bis nach Holland, die Fortsetzung des Kohlengebirges an der Saar nach Lothringen und über die Mosel hinaus nach Frankreich. – Neben der Steinkohle beherbergt die Formation noch Eisenerze als tonige Sphärosiderite oder Kohleneisensteine. Manche Sandsteine werden zum Bauen benutzt; kieselige auch als Mühlsteine. Schiefertone dienen zur Backsteinbrennerei. Gewisse Tonsteine (Saargebiet, Neurode) sind für hochfeuerfeste Waren zu benutzen.


Literatur: Credner, Elemente der Geologie, 10. Aufl., Leipzig 1906; Gümbel, C. v., Grundzüge der Geologie, Kassel 1888; Lottner, Das westfälische Steinkohlengebirge, Iserlohn 1868, 2. Aufl.; Prietze, Leppla, Müller, Das Saarbrücker Steinkohlengebirge, Berlin 1904; Römer, Ferd., Geologie von Oberschlesien, Breslau 1870; Mietzsch, H., Geologie der Kohlenlager, Leipzig 1875; Gaebler, C., Das oberschlesische Steinkohlenbecken, Kattowitz 1908; Kayser, E., Lehrbuch der Geologie, II. Formationskunde, 2. Aufl., Stuttgart 1902; Frech, F., Lethaea geognostica, Lethaea palaeozoica, Bd. 2, Stuttgart 1899 u. 1901; Nasse, Die Kohlenvorräte der europäischen Staaten, 2. Aufl., Berlin 1893; Frech, F., Ueber Ergiebigkeit und voraussichtliche Erschöpfung der Steinkohlenlager, Stuttgart 1901; Potonié, Die Entstehung der Steinkohle, Berlin 1907; Hull, Coalfields of Great Britain, 5. Aufl., London 1905; Toula, Die Mineralkohlen Oesterreichs, Wien 1903.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 286-287.
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