Barrot

[398] Barrot (spr. -ro), Camille Hyacinthe Odilon, franz. Politiker, geb. 19. Juli 1791 in Villefort (Lozère), gest. 6. Aug. 1873 in Bougival bei Paris, erwarb sich als Advokat durch die Verteidigung politisch Angeklagter große Popularität. 1827 ward er Mitglied und 1830 Präsident des oppositionellen Vereins »Aide-toi«. Er half die Julirevolution vorbereiten und ward nach deren Gelingen Seinepräfekt und Mitglied des Staatsrats bis zum Sturze des Ministeriums Laffitte, worauf er als Deputierter in die Kammer gewählt wurde. Hier ward er der Führer der »dynastischen Opposition«, welche die Aufrechterhaltung der Orléans, dabei aber die freisinnige Entwickelung der Verfassung erstrebte. Er stellte sich 1847 an die Spitze der auf die Erweiterung des Wahlrechts gerichteten Reformbewegung. Am 24. Febr. 1848 vom Könige zum Ministerpräsidenten ernannt, förderte er durch Zurückziehen der Truppen den Sturz des Thrones. Er schloß sich der Republik an, ward Mitglied der konstituierenden Nationalversammlung, dann der Legislative und bei der Bildung des ersten Ministeriums Ludwig Bonapartes, 20. Dez. 1848, Präsident des Ministerrats und Siegelbewahrer, dankte aber 30. Okt. 1849 ab. Während des zweiten Kaiserreichs nahm er kein Staatsamt oder Abgeordnetenmandat an. Nachdem er 1870 bei dem liberalen Umschwung in der Regierung des Kaiserreichs den Vorsitz in der Dezentralisationskommission übernommen hatte, wurde er im Juli 1872 Vizepräsident des neuen Staatsrats. Nach seinem Tod erschienen »Mémoires posthumes« (Par. 1875–76, 4 Bde.). – B. hatte zwei jüngere Brüder, Adolphe (geb. 1801, gest. 16. Juni 1870), der in den diplomatischen Dienst eintrat und zuletzt 1858–1864 Gesandter in Madrid war, und Victorin Ferdinand (geb. 10. Jan. 1806, gest. 12. Nov. 1883), der sich Napoleon III. anschloß und nach dem Rücktritt seines Bruders Odilon 31. Okt. 1849 Minister des Innern, 1850 Gesandter in Turin, dann Mitglied des Staatsrats und Senator wurde und seit 1877 wieder lebenslängliches Mitglied des Senats war.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 398.
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