Carducci

[760] Carducci (spr. -dūttschi), Giosuè, ital. Dichter (Pseudonym Enotrio Romano), geb. 27. Juli 1836 in Valdicastello bei Pietrasanta im Toskanischen, wuchs in der pisanischen Maremma auf, wo sein Vater als Arzt lebte, und empfing hier tiefe Natureindrücke, die schon den Knaben zu dichterischen Versuchen anregten. Seine spätere Jugendzeit verlebte er in Florenz, studierte Philologie und promovierte in Pisa. Seit 1860 ist er Professor der italienischen Literatur an der Universität zu Bologna. Schon früh trat er mit kleinen literarhistorischen Arbeiten und der lyrischen Sammlung »Rime« (San Miniato 1857) auf. Kräftiger kam die Eigenart des Dichters in »Levia gravia« (Bologna 1868) und »Decennalia« (Flor. 1871) zum Ausdruck. Hier verrät er sich als ein Dichter von seltener Kühnheit und Originalität des Gedankens. Ungewöhnlichen Erfolg hatte seine 1863 geschriebene Hymne: »Inno a Satana«, die er 1865 unter seinem Pseudonym zur Verteilung an Freunde drucken ließ. Der verneinende Geist, die »rebellione«, die »forza vindice della ragione«, wird darin in ergreifender Sprache als die treibende Kraft des Menschenlebens und der Weltgeschichte, als der Genius geistiger Unabhängigkeit, als Prinzip alles Fortschrittes gefeiert. Das Gesamtbild des genialen Dichters geben die »Poesie di Enotrio Romano« (Flor. 1871), die auch das früher Erschienene umfassen, und denen die »Nuove poesie« (Imola 1873), die »Giambi ed epodi« (das. 1882) und die »Rime nuove« (das. 1887) folgten. Carduccis Vorliebe für die altrömische Vergangenheit brachte ihn darauf, die Horazischen Odenstrophen in seinen »Odi barbare« (Bologna 1877), den »Nuove odi barbare« (das. 1882) und »Terze odi barbare« (das. 1889) zu erneuern. Die eigenartige Rhythmik dieser Gedichte hat zu lebhaften Erörterungen Anlaß gegeben. Eine Auswahl seiner Gedichte übersetzte B. Jacobson (mit Einleitung von K. Hillebrand, Leipz. 1880). Die »realistische Schule« in Italien erkennt C. als ihren Meister an; doch ragt er über sie dadurch hinaus, daß er nichts Krankhaftes an sich hat und sich fern von allem Trivialen hält. Der kühne, feurige Poet ist nebenbei ein geduldiger und unermüdlicher Arbeiter auf dem Feld italienischer Philologie und Literaturgeschichte. Er veröffentlichte eine lange Reihe Studien, Abhandlungen und Kommentare (darunter einen zu Petrarcas moralischen und politischen Dichtungen, Livorno 1876) und gab eine große Anzahl italienischer Literaturdenkmäler nen heraus. Auch veröffentlichte er die Briefe Guerrazzis (Livorno 1882). Neuere Veröffentlichungen sind: »G. Garibaldi; versi e prose« (Bologna 1882); »Confessioni e battaglie« (Rom 1882–84,3 Serien); »Conversazioni critiche« (das. 1884); »Vite e ritratti« (das. 1885);. »Il libro delle prefazioni« (Città di Castello 1888), »Storia del, Giorno' di G. Parini« (Bologna 1892), »Rime e ritmi« (das. 1899) und »Studî su G. Parini« (das. 1903). Eine Gesamtausgabe seiner Werke erscheint seit 1889 in Bologna (bis 1903: 13 Bde.); sämtliche Gedichte u. d. T.: »Poesie di Giosuè C. 1850–1900« (2. Aufl., das. 1902). 1890 wurde C. zum Senator des Königreichs Italien ernannt. Vgl. Chiarini, G. C., Impressioni e ricordi (Bologna 1901); Checchia, Poeti, prosatori e filosofi (Caserta 1900); Salveraglio, Saggio di bibliografia cardocciana (»Rivista d'Italia«, Bd. 4, 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 760.
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