Datūra

[540] Datūra L. (aus dem Sanskrit; Stechapfel), Gattung der Solanazeen, kahle oder schwach behaarte Kräuter, Sträucher oder Bäume mit zerstreut stehenden, gestielten, großen, ganzrandigen oder buchtigen Blättern, meist großen, einzeln achsel- und endständigen, langröhrigen, trichter- oder trompetenförmigen, oft weißen Blüten und eiförmiger oder runder, stacheliger oder unbewehrter, mit vier Klappen an der Spitze aufspringender Fruchtkapsel mit zahlreichen nierenförmigen Samen, wächst in etwa 15 Arten in den wärmern Teilen der ganzen Erde, meist in Mittelamerika. D. Stramonium L. (Stechapfel, Dornapfel, Rauhapfel, Krötenmelde, Igelskolben, Stachelnuß, Tollkraut, s. Tafel »Giftpflanzen II«, Fig. 7), einjährig, bis 1 m hoch, mit eiförmigen, buchtig gezahnten, spitzen Blättern, großen weißen, auch bläulichen Blüten und eiförmiger, derb stacheliger Kapsel, stammt wahrscheinlich aus den Ländern um das Kaspische oder Schwarze Meer, findet sich aber in ganz Europa, Asien, Afrika und Nordamerika, an Wegen, auf Schutthaufen, in der Nähe der Dörfer und Städte. Die Blätter riechen besonders beim Welken widerlich, betäubend, schmecken ekelhaft bittersalzig und gehören, wie die länglich nierenförmigen, flach gedrückten, sehr feingrubig punktierten, mattschwärzlichen oder braunen, ölig und scharf bitterlich schmeckenden Samen, zu den narkotisch scharfen Giften. Als wirksamen Stoff enthalten sie Atropin (die Samen 0,1 Proz., die Blätter 0,2–0,3 auf Tausend), außerdem kristallisierbares und sublimierbares, nicht basisches Stramonin. Man benutzte früher die Blätter und daraus bereitete Präparate bei Geisteskrankheiten und Asthma (hier oft in der Form von Zigarren Stramoniumzigarren); jetzt geben nur noch Landleute bisweilen den Schweinen einen Fingerhut voll Stechapfelsamen, um sie recht fett zu machen; Pferdehändler suchen mit Hilfe desselben abgemagerten Pferden ein gutes Ansehen zu verschaffen; in verbrecherischer Absicht ist der Same zur Bereitung einschläfernder Getränke benutzt worden. Da Kinder mit den klappernden Kapseln gern spielen, so kommen nicht selten Vergiftungen vor, die ganz ähnlich wie Belladonnavergiftung verlaufen und zu behandeln sind (s. Atropa). Der Stechapfel wird schon von Theophrast beschrieben, auch Dioskorides kennt ihn; doch scheint er sich erst im Mittelalter, ursprünglich z. T. durch Kultur, in Europa verbreitet zu haben; medizinisch benutzte ihn zuerst Störck in Wien 1762. Sehr ähnlich, auch in den Eigenschaften, aber größer ist D. Tatula L, ein Sommergewächs mit ähnlicher Verbreitung wie die vorige, mit bläulichem bis violettem Stengel und blauen Blüten. D. Metel L. mit herzförmigen, ganzrandigen und flaumigen Blättern und weißen, zarten Blüten, die fast wie Lilien riechen, sich aber nur bei Nacht öffnen, wächst im Mittelmeergebiet, in Südasien, Afrika, Mittelamerika, soll noch narkotischer als der gemeine Stechapfel sein und wird in Ostindien, Arabien und andern Ländern zur Bereitung von Berauschungsmitteln mit Hanf, Opium, Gewürzen etc. verwendet. D. fastuosa L., in Ostindien, im Malaiischen Archipel und im tropischen Afrika, mit großen weißen, bisweilen auswendig violetten, auch mit gefüllten Blüten, wird in Indien und China wieder Stechapfel bei uns benutzt und als Zierpflanze kultiviert. D. arborea L. (Brugmansia candida Pers., s. Tafel »Zierpflanzen I«, Fig. 19), in Chile und Peru, 3–4 m hoch, mit großen, länglich zugespitzten, ganzrandigen Blättern, sehr großen, hängenden, weißen, besonders gegen Abend wohlriechenden Blüten und glatten, hängenden Früchten, wird häufig bei uns in Gärten gezogen. In Peru werden die Blätter arzneilich benutzt. D. suaveolens H. Bonpl., in Chile und Peru, hat ebenso große, aber noch köstlicher riechende Blüten. D. sanguinea Ruiz et Pavon (Brugmansia bicolor Pers.), in Peru, strauch- oder baumartig, hat große, hängende Blüten, die von der Basis bis zur Mitte gelb, an der obern Hälfte rot und mit blutroten Streifen durchzogen sind. Aus den Früchten bereiten die Peruaner einen berauschenden Trank (Tonga), den einst die Priester des Sonnentempels in Sogamossa, dem peruanischen Orakelsitz, tranken, um sich mit den Geistern der Verstorbenen (daher Yerba de Huaca, Gräberpflanze) in Verbindung zu setzen; vielleicht wurden die Samen von D. Stramonium einst zu Delphi in gleicher Weise benutzt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 540.
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