Kantāte

[576] Kantāte (ital. Cantata), ursprünglich soviel wie Singstück überhaupt im Gegensatz zu Sonata und Toccata; jetzt insbes. ein aus Sologesängen, Duetten etc. und Chorsätzen bestehendes größeres Vokalwerk mit Instrumentalbegleitung. Die K. unterscheidet sich vom Oratorium und der Oper durch möglichsten Ausschluß des epischen und dramatischen Elements. Auf dem Gebiete der Kirchenkantate hat Sebastian Bach Typen von höchster Kunstschönheit in großer Anzahl geschaffen, von denen eine Definition nicht schwer zu geben ist. Danach ist die K. die Ausprägung einer Empfindung, einer Stimmung durch verschiedenartige Formen, die in dieser Einheit der Stimmung ihren höhern Zusammenhalt finden. Der Sologesang einzelner Stimmen in der Kirchenkantate führt nicht verschiedene Personen für sich redend ein, sondern auch sie reden im Namen der Gemeinde; den eigentlichen Kern aber bilden die Ensemblesätze und Chorsätze, besonders die Choräle. – Historisch war Cantata zuerst kurz nach Erfindung der begleiteten Monodie (1600) der Name mehrgliederiger ausgedehnterer Sologesänge, in denen arioser Gesang mit rezitativischem abwechselte. Die ersten Kantaten (von Caccini u. a.) sind noch nicht als solche bezeichnet, doch wird seit 1620 (Al. Grandis »Cantade«) der Name häufiger und man unterschied nun die Kammerkantate (Cantata di camera) von der Kirchenkantate (Cantata di chiesa); doch blieben beide noch längere Zeit überwiegend in engerm Rahmen, führten statt einer zwei oder drei Singstimmen mit Continuo und einer oder zwei obligaten Begleitstimmen ein, entbehrten aber durchaus noch der charakteristischen Merkmale der erst nach 1700 in Hamburg in Nachahmung der größern Formen der Oper durch die Dichter Hunold und Brockes und die Komponisten Keiser und Telemann geschaffenen kirchlichen großen K., des Chors und des Orchesters. Die weltliche große K. entwickelte sich zuerst als Festkantate zu Hochzeitsfeiern, Huldigungen etc., die kirchliche erscheint vielfach unter dem Namen des Kirchenkonzerts. Bach hat die Mehrzahl seiner Kantaten als Konzerte bezeichnet, damit auf die wesentliche Rolle hindeutend, die darin die Instrumente spielen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 576.
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