Menschenraub

[614] Menschenraub (Plagium), das Verbrechen desjenigen, der sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in eine hilflose Lage zu versetzen und darin preiszugeben, oder um ihn in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen. Das Verbrechen ist mit dem Bemächtigungsakt, d. h. damit vollendet, daß der Täter den andern unter die eigne Macht unterwirft, so daß jenem die freie Selbstbestimmung entzogen wird. Die Strafe ist nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 234) Zuchthaus von 1 bis zu 15 Jahren. Das Strafgesetzbuch (§ 235) stellt aber mit dem M. noch das Vergehen desjenigen zusammen, der eine minderjährige Person durch List, Drohung oder Gewalt ihren Eltern oder Vormund widerrechtlich entzieht (Kinderdiebstahl, Kinderraub), obwohl hier das strafbare Moment nicht sowohl in der Freiheitsentziehung als vielmehr in der Vereitelung des Erziehungs- und Aufsichtsrechts der Eltern oder deren Stellvertreter liegt, so daß die Tat strafbar bleibt, auch wenn sie mit Einwilligung des Minderjährigen geschah. Auf eine Benachteiligung des Minderjährigen braucht dabei die Absicht nicht gerichtet zu sein. Die Strafe ist in diesem Falle Gefängnis von einem Tag bis zu 5 Jahren und, wenn die Handlung in der Absicht geschieht, um die minderjährige Person zum Betteln oder zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu gebrauchen, Zuchthaus bis zu 10 Jahren. Strafbar (Gefängnis) ist nach § 139 auch derjenige, der von einem geplanten M. Kenntnis erhält und nicht sofort Anzeige erstattet. Eine Abart des Menschenraubes ist der Sklavenraub und der Sklavenhandel (s. Sklaverei). Das österreichische Strafgesetzbuch (§ 90 f.) bedroht den M. mit schwerer Kerkerstrafe von 5–10 und in schweren Fällen bis zu 20 Jahren; die Entführung (s. d.) bildet jedoch ein besonderes Verbrechen (§ 96 f.). Dagegen fällt eine bloße widerrechtliche Entziehung der Freiheit nicht unter den Begriff des Menschenraubes (s. Gefangenhaltung). S. auch Freiheitsverbrechen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 614.
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