Paradies

[415] Paradies (v. pers. pardes, d.h. Park) hat man sich gewöhnl, den »Garten in Eden« zu nennen, der nach 1. Mos. 2 und 3 der Aufenthaltsort des ersten Menschenpaares bildete und von einem Strom bewässert wurde, der sich bei seinem Austritt aus dem Garten in vier Arme teilte: Pischon, der um das goldreiche Land Havila, Gihon, der um das Land Kusch, Chiddekel, der vor Assyrien floß, und Phrat. Die beiden letzten Namen bedeuten sicher den Tigris und Euphrat. Je nach der Deutung der beiden ersten verlegte man das P. in die Hochebene von Armenien oder nach Nordindien. Sir Henry Rawlinson kombinierte Gan-Eden (den »Garten Edens«) mit der babylonischen Landschaft Kar-Dunias, und F. Delitzsch glaubt den Pischon der Bibel mit dem großen Kanal (frühern Euphrat-Strombett) Pallakopas der Griechen, den Gihon mit einem nicht minder großen und schiffbaren, ganz Mittelbabylonien durchziehenden Kanal (Arachtu?) identifizieren zu dürfen. Dadurch würde die alttestamentliche Erzählung das P. dahin verlegen, wo der noch von den klassischen Schriftstellern mit begeisterten Worten geschilderte Garten der Alten Welt lag, nämlich auf den sogen. Isthmus der Euphrat- und Tigrisniederung, in den Landstrich zwischen Bagdad und Babel. Neben diesem irdischen P. kennt die Bibel, näher das Neue Testament, auch ein von der Scheol durch eine große Kluft getrenntes P. als Aufenthaltsort der Seligen nach dem Tode. Vgl. F. Delitzsch, Wo lag das P.? (Leipz. 1881). – P. heißt auch die für die Katechumenen und Büßer bestimmte, in der Regel mit einer plastischen Darstellung des Sündenfalles geschmückte, auch mit Gesträuch und Bäumen umgebene (daher der Name P.) Vorhalle der altchristlichen Kirchen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 415.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: