Preßhefe

[288] Preßhefe (Pfundhefe, Pfundbärme), ausgewaschene und möglichst entwässerte Hefe, besonders Getreidehefe, die bei der Branntweinbrennerei als Nebenprodukt gewonnen, hauptsächlich aber in besondern Fabriken aus Getreide und Getreideteilen (gelegentlich unter Zusatz von Leguminosen) mittels alkoholischer Gärung hergestellt und wie frische, nicht entwässerte Hefe benutzt wird. Sie ist sehr wirksam und viel haltbarer und transportfähiger als letztere. Die Triebkraft der andern Hefen (Bier-, Melasse-, Weinhefe) ist viel geringer. Seitdem sich die bittern Lagerbiere immer mehr verbreiteten, fehlte es den Bäckern an Hefe, da die von jenen Bieren fallende bittere Hefe nicht verwendbar ist. Durch Auswaschen mit kohlensaurem Ammoniak (bis 30 g auf 500 g Hefe) und Abwässern läßt sich die Hefe entbittern, verliert aber an Kraft und wird erst wieder wirksamer, wenn man sie mit Weinsäure schwach ansäuert und mit wenig süßer Bierwürze einige Zeit stehen läßt. Am wertvollsten aber ist reine (nicht mit Bier- oder Melassehefe oder Stärkemehl vermischte) Getreidepreßhefe. Nach der Wiener oder Schlempemethode zur Darstellung von P. wird von Hülsen befreites Roggenschrot unter Zusatz von gekochtem Maisbrei mit Darrmalz eingemaischt, nach dem Kühlen mit Kunsthefe und Schlempe versetzt und in die Gärbottiche gebracht. In einem gewissen Stadium der Gärung wird die Hefe abgeschöpft, in ein Reservoir geleitet, mit Wasser gemischt, durch eine Siebmaschine von den Trebern befreit, gewaschen und auf Filterpressen gebracht, wo man sie in Form von Kuchen erhält. Aus der vergornen Maische wird der Alkohol abdestilliert, die Schlempe wird gekühlt, von Trebern befreit und wieder zum Anstellen von Maische benutzt. Bisweilen[288] werden auch Weizen und Buchweizen neben Roggen und Mais verarbeitet. Die Ausbeute beträgt 13 Proz. vom angewendeten Schrot. Bei dem Lufthefeverfahren wird das Rohmaterial mehr oder weniger zerkleinert, je nachdem die Würze von den Trebern durch Filterpressen oder durch Abläutern wie bei der Bierbrauerei getrennt werden soll. Das Schrotgemenge wird mit Wasser und etwas Salzsäure mazeriert, durch Zuführen von heißem Wasser auf 50–53° und durch gekochten Mais auf 63–65° gebracht. Nach 1–11/2 Stunde trennt man die Würze von den Trebern, kühlt sie auf 24–25°, stellt sie mit P. an und bläst durch ein nahe dem Boden der Bottiche liegendes Rohr mit seinen Löchern Luft durch die Würze (12–13 cbm auf 1000 Lit. Würze in einer Stunde). Die Gärung tritt sehr bald ein und dauert 7–20 Stunden, dabei muß die Temperatur durch Kühlung mittels einer Schlange auf 29–30° erhalten werden. Schließlich kühlt man die Würze auf 15–18°, pumpt sie in die Absetzbassins, läßt die Hefe sich ablagern und zieht die Würze ab. Man wäscht dann die Hefe und bringt sie auf die Filterpresse. Die Ausbeute beträgt bis 30 Proz. des angewendeten Schrotes. V. bildet eine gelblichweiße Masse von obstartigem Geruch und muscheligem Bruch. Sie muß an einem kühlen, trocknen, lustigen Ort aufbewahrt und möglichst frisch verarbeitet werden. Früher wurde die abgeschiedene Hefe allgemein mit Kartoffelstärke versetzt, ein solcher Zusatz ist heute nicht mehr erforderlich. Als Mischhefe kommen aber Fabrikate in den Handel, die aus mit Stärkemehl versetzter Bierhefe, Melassehefe oder Getreidehefe, auch aus Mischungen der verschiedenen Hefearten ohne oder mit (bis 70 und 80 Proz.) Stärkemehl bestehen. Man prüft P. unter dem Mikroskop durch Zählung der in einer bestimmten Menge vorhandenen Hefezellen oder durch Ermittelung der von ihr aus einer Zuckerlösung entwickelten Kohlensäure. Verwendung findet P. in der Bäckerei, Brauerei und Spiritusbrennerei. Vgl. Bêlohoubek, Studien über P. (Prag 1876); die Handbücher der Preßhefefabrikation von Marquard (5. Aufl., Weim. 1894), Eidherr (Wien 1898) und Durst (2. Aufl., Berl. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 288-289.
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