Proportion

[384] Proportion (lat.), Ebenmaß, Verhältnis; in der Mathematik eine Gleichung, die aussagt, daß zwei Differenzen oder zwei Quotienten (Verhältnisse) einander gleich (in Zeichen: =) sind. Im ersten Fall ist die P. arithmetisch, wie a-b = c-d, im zweiten geometrisch, wie a/b = c/d, wofür man gewöhnlich schreibt a:b = c:d, gelesen a [verhält sich] zu b wie c:d; der Quotient a/b = c/d heißt dann auch der Exponent dieser geometrischen P. Die vier Zahlen a, b, c, d nennt man die Glieder der P. und unterscheidet sie ihrer Stellung nach als erstes bis viertes Glied; a und d heißen äußere, b und c innere (mittlere) Glieder. Sind die innern Glieder gleich, b = c = m, so ist bei der arithmetischen P. a-m = m-d die Größe m = 1/2(a+d) das arithmetische Mittel aus a und d; bei der geometrischen P. a:m = m:d ist m = √(a.d) das geometrische Mittel aus oder die mittlere Proportionale zwischen a und d. Von praktischer Bedeutung sind allein die geometrischen Proportionen. In jeder geometrischen P. ist das Produkt der äußern Glieder gleich dem der innern. Hieraus folgt, daß man die beiden äußern und ebenso die beiden innern Glieder vertauschen darf, aus a:b = c:d ergibt sich also a:c = b:d und d:b = c:a. Man darf ferner die beiden ersten Glieder vertauschen, wenn man zugleich die beiden letzten vertauscht, und man darf die beiden ersten oder die beiden letzten Glieder mit derselben Zahl multiplizieren oder dividieren (kürzen), ohne daß die P. aufhört richtig zu sein. Endlich kann man aus einer P. eine große Anzahl andrer ableiten, die auch umgekehrt wieder die ursprüngliche P. nach sich ziehen, z. B. a+b:b = c+d:d oder a-b:b = c-d:d oder a-b:a+b = c-d:c+d u. s. s. Besteht die P. a:b = c:d, so sagt man, daß c und d den Größen a und b direkt proportional oder kürzer proportional sind, dagegen d und c den Größen a und b. indirekt (umgekehrt) proportional. Hat man zwei Größen, die verschiedene Werte annehmen können, die aber in solcher Beziehung stehen, daß durch den Wert der einen immer der Wert der andern bestimmt ist, und daß je zwei Werte der einen direkt (indirekt) proportional sind den zugehörigen Werten der andern, so sagt man, diese Größen seien direkt (indirekt) proportional; einer Vermehrung der einen entspricht dann immer eine Vermehrung (Verminderung) der andern. Direkt proportional sind z. B. Preis und Quantität (Menge) einer Ware, Lohn und[384] Arbeitsleistung, Kapital und Zinsen; indirekt proportional dagegen Zahl der Arbeiter und erforderliche Arbeitszeit (bei gleicher Arbeitsleistung), Preis und Qualität (Güte) einer Ware etc. Die Proportionen dienen nun zur Lösung von Aufgaben über Größen, die in diesem Sinne direkt oder indirekt proportional sind. Gewöhnlich sind zwei Werte der einen Größe gegeben, von den zugehörigen Werten der andern aber nur der eine, während der zweite gesucht wird. Der gesuchte Wert wird als unbekannte Größe meist mit x bezeichnet, und man setzt die P. gewöhnlich so an, daß x das vierte Glied wird. Dann ist x gleich dem Produkt der beiden innern Glieder dividiert durch das erste Glied; z. B. in welcher Zeit werden 50 Arbeiter eine Arbeit vollenden, zu der unter sonst gleichen Umständen 35 Arbeiter 20 Tage brauchen? Da die Arbeitszeit umgekehrt proportional ist der Arbeiterzahl, so verhält sich: 50:35 = 20:x, also wird: x = (20.35)/50 = 14 Tage. Hier mußte aus drei bekannten Gliedern einer P. das vierte unbekannte berechnet werden, eine Aufgabe, deren Lösung man früher als sogen. Regeldetri (regula de tri) zu bezeichnen pflegte. Ebenso benutzte man zur Lösung verwickelterer Aufgaben, die auf eine Kette von Proportionen hinauskommen, die Regula multiplex oder zusammengesetzte Regeldetri und unterschied eine Regula quinque, Regula septem etc., je nachdem die Zahl der bekannten Größen 5, 7 etc. war. Alle diese Regeln und ihre verschiedenen Fassungen (Basedowsche Regel, Reessche Kettenregel) sind aber nur eine unnütze Belastung des Gedächtnisses, da man jede Aufgabe der betreffenden Art unmittelbar lösen kann; z. B. bauen 600 Mann in 21 Tagen bei 12stündiger Arbeitszeit eine Wegstrecke von 3500 m Länge und 4 m Breite, wieviel Tage brauchen 900 Arbeiter bei 8stündiger Arbeitszeit zur Fertigstellung von 12,000 m Länge und 4,5 m Breite? Läßt man alles außer der Arbeiterzahl ungeändert, so wäre die Zahl x1 der erforderlichen Tage durch die P. 900:600 = 21:x1 bestimmt, da die Arbeitsdauer der Zahl der Arbeiter umgekehrt proportional ist. Ändert man jetzt auch die tägliche Arbeitszeit, der die Arbeitsdauer ebenfalls umgekehrt proportional ist, so bekommt man x2 Arbeitstage, wo 8:12 = x1:x2. Nimmt man Rücksicht auf die verschiedene Weglänge, so ergeben sich x3 Arbeitstage und die P. 3500:12,000 = x2:x3; die neue Wegbreite endlich erfordert statt der x3 Tage deren x, wo x die wirklich gesuchte Zeit ist, und zwar wird: 4:4,5 = x3:x. Diese Kette von Proportionen ergibt:

x1 = (600.21)/900, x2 = (12.x1)/8, x3 = (12000.x2)/3500, x = (4,5.x3)/4 oder: x = (600.21.12.12000.4,5)/(900.8.3500.4) = 81 Tage.

Man kann aber auch das Aufschreiben der einzelnen Proportionen ganz vermeiden. Da nämlich die ursprüngliche Arbeitsdauer, 21 Tage, im Verhältnis von 900:600 zu verkleinern ist, dagegen im Verhältnis von 8:12, von 3500:12,000 und von 4:4,5 zu vergrößern, so hat man einfach 21 mit den Brüchen 600/990, 12/8 etc. zu multiplizieren und bekommt: x = 21.600/900.12/8.12000/3500.4,5/4 = 81 wie vorhin. Zahlreiche Beispiele für praktische Verwendung der Proportionen enthält Feller und Odermann, Das Ganze der kaufmännischen Arithmetik (18. Aufl., Leipz. 1906).

Im ästhetischen Sinn ist P. eine gewisse, auf Zahlen- und Größenverhältnissen beruhende Beziehung, in der die einzelnen Teile eines Natur- und Kunstgebildes, namentlich auch der menschlichen Gestalt, zueinander stehen, und die auch in der Anschauung unmittelbar vom Sinn aufgefaßt wird, und zwar so, daß sie einen wohltätigen Eindruck macht. Näheres s. im Artikel »Mensch«, S. 608 u. 609. – In der ältern Mensuralmusik (s. d.) hießen Proportionen allerlei komplizierte, durch Brüche (3/2, 4/3 etc.) bestimmte Veränderungen der wirklichen Wertgeltung der Noten, besonders aber die der Proportio tripla (3/1) oder Sesqui altera (3/2), d. h. der ungerade Takt, nach vorausgegangener gerader Taktart. Daher ist »Proporz« auch der Name für den auf den im geraden Takt stehenden Reigen folgenden, im ungeraden Takt stehenden Springtanz (Nachtanz).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 384-385.
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