Syntax

[245] Syntax (griech.), nach der landläufigen Auffassung die Lehre von der »Verbindung« der Wörter zu Sätzen, also die Satzlehre, die neben der Laut- und Formenlehre als dem ersten den zweiten Hauptteil der Grammatik bildet. Eine aus der Natur der Sache selbst sich ergebende klare Grenze zwischen S. und Formenlehre ist jedoch keineswegs zu gewinnen. Daher bis heute Streit darüber, welche Spracherscheinungen dem einen, welche dem andern von diesen beiden Teilen der Grammatik zuzuweisen sind. Als der Begründer der S. gilt der griechische Grammatiker Apollonios Dyskolos (s. Apollonios 7), der eine vollständige und systematische Darstellung des Gebrauchs der griechischen Redeteile in Sätzen verfaßte. Im Mittelalter war die S. von der scholastischen Philosophie abhängig, wie auch noch in neuerer[245] Zeit Philosophen wie Locke, Chr. Wolf und Kant die Behandlung der S. stark beeinflußt haben. Man ging dabei von der irrigen Anschauung aus, daß die S. auf der Logik beruhe und überhaupt eine für alle Sprachen gültige »allgemeine Grammatik« (grammaire générale) aufgestellt werden könne. Erst die vergleichende Sprachforschung (s. Sprache und Sprachwissenschaft) führte zu einer richtigen Einsicht in das Wesen der syntaktischen Erscheinungen. Hauptbegründer der vergleichenden S., deren Aufgaben erst vor drei oder vier Jahrzehnten ernstlicher in Angriff genommen wurden, ist B. Delbrück. Die S. wird gewöhnlich zerlegt in die Lehre von dem Gebrauch der einzelnen Rede- oder Satzteile und in die Lehre von den einfachen und zusammengesetzten Sätzen, wozu auch die Lehre von der Wortstellung und von der Satzbetonung gehört, die jedoch von manchen zur Stilistik gezogen wird. Beim Sprachunterricht (s. d.) ist darauf zu sehen, daß man sich nicht auf trockene Regeln über S. beschränkt, sondern durch Einübung von Beispielen möglichst das Sprachgefühl des Lernenden auch in einer fremden Sprache zu wecken sucht. Vgl. Delbrück und Windisch, Syntaktische Forschungen (Halle 1871–88, 5 Bde.); Delbrück, Vergleichende S. der indogermanischen Sprachen (Straßb. 1893–1900, 3 Bde.); Brugmann, Griechische S., und Schmalz, Lateinische S., beide in Müllers »Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft«, Bd. 2 (3. Aufl., Münch. 1900); Erdmann u. Mensing, Grundzüge der deutschen S. nach ihrer geschichtlichen Entwickelung (Stuttg. 1886–98, 2 Tle.); Wunderlich, Der deutsche Satzbau (2. Aufl., das. 1901, 2 Bde.); Behaghel, Die S. des Heliand (Wien 1897); Ries, Was ist S. (Marb. 1894).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 245-246.
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