Apollōnios

[622] Apollōnios, 1) A. der Rhodier, griech. Epiker und Grammatiker aus Alexandria, geb. um 290 v. Chr., Schüler des Kallimachos, mit dem er sich verfeindete, als er ein umfängliches Epos, die »Argonautica« (in vier Büchern), im Sinne Homers zu dichten unternahm. A. ging nach Rhodos, wo er als Lehrer der Grammatik große Anerkennung und das Bürgerrecht gewann; hier gab er der Dichtung die uns erhaltene Form. Sein Epos zeugt von mehr Verstand, Fleiß und Gelehrsamkeit als Dichtergeist, ward aber bei den Römern viel gelesen und auch von Varro Atacinus und Valerius Flaccus nachgeahmt. Von der Beachtung der alten Gelehrten zeugt eine wertvolle Scholiensammlung. Wichtigste Ausgabe von Merkel (nebst den [622] Scholien von Keil, Leipz. 1854). Übersetzung von Osiander (Stuttg. 1838).

2) A. von Perge in Pamphylien, Mathematiker, um 250–190 v. Chr., empfing in Alexandria seine mathematische Bildung und lebte teils dort, teils in Pergamon und Ephesos. Er schlug zuerst die Epizykeln zur Erklärung des Planetenlaufes vor. Von seinem Hauptwerk, den »Elementen der Kegelschnitte«, in dem A. nicht nur alle bis zu seiner Zeit gefundenen Sätze über die Kegelschnitte zusammengestellt, sondern auch die Theorie dieser Kurven mit zahlreichen wertvollen Entdeckungen bereichert hat, sind nur die vier ersten Bücher in griechischer Sprache mit dem Kommentar des Eutokios, die drei folgenden aber in arabischer Übersetzung erhalten; das achte fehlt ganz und ist von Halley nach den bei Pappos erhaltenen Lehrsätzen neu geschrieben worden (hrsg. von Halley, Oxf. 1710, und Heiberg, Leipz. 1890–93, 2 Bde.; Übersetzung von Balsam, Berl. 1861). Außer diesem Werke sind noch »Zwei Bücher vom Verhältnisschnitt« in arabischer Übersetzung erhalten (deutsch von Richter, Elbing 1836). Vgl. Zeuthen, Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum (Kopenh. 1886).

3) A. aus Tralles in Karien, griech. Bildhauer im 2. Jahrh. v. Chr., mit seinem Bruder Tauriskos Schöpfer der unter dem Namen des Farnesischen Stiers (s. Farnesische Kunstwerke) bekannten Marmorgruppe im Nationalmuseum zu Neapel.

4) Sohn des Nestor, der Künstler des Heraklestorso im Belvedere des Vatikans (s. Herakles), ein Zeitgenosse des Pompejus und Cäsar.

5) A. von Kitium, griech. Arzt des 1. Jahrh. v. Chr., Anhänger der empirischen Schule, verfaßte für König Ptolemäus von Cypern (gest. 58 v. Chr.) einen Kommentar zu der Schrift des Hippokrates über die Gelenke mit Abbildungen, welche die Behandlungsmethoden bei den verschiedenen Verrenkungen veranschaulichen. Die Schrift (hrsg. von H. Schöne, Leipz. 1896, mit 31 Lichtdrucken) ist wertvoll für die Kenntnis der antiken Chirurgie.

6) A. von Tyana (in Kappadokien), neupythagoreischer Philosoph, Theurg und Magier, der, ungefähr gleichalterig mit Christus, durch seine Reisen, Abenteuer, Prophezeiungen, sogen. Wunder, großes Aufsehen bei seinen Zeitgenossen erregt zu haben scheint und ungefähr 100jährig in Ephesos starb. Von dem höchsten Gott hatte er eine gereinigte Vorstellung: ihm sollen keine Opfer gebracht, er soll nicht einmal mit Worten genannt, vielmehr nur mit dem Verstand erfaßt werden. Tempel, Altäre und Bildsäulen wurden dem A. in vielen Städten, besonders Kleinasiens und Griechenlands, errichtet sowie Münzen auf sein noch den Kaisern Caracalla, Aurelian und Alexander Severus heiliges Andenken geschlagen. Gegner des Christentums in alter und neuer Zeit stellten ihn neben Christus oder sogar über ihn, so Hierokles unter Diokletian, Voltaire, Wieland u.a. Eine ausführliche, romanhaft tendenziöse, historisch wertlose Biographie des A. besitzen wir noch von Flavius Philostratos (s. d.), der sie auf Veranlassung der Julia Domna, Gemahlin des Septimius Severus, in acht Büchern niederschrieb. Die Schriften des A. sind verloren bis auf 85 Briefe, die, wahrscheinlich unecht, mit jener Lebensbeschreibung in den Ausgaben der Werke des Philostratos von Westermann (Par. 1849) und Kayser (Bd. 1, Leipz. 1870) abgedruckt worden sind. Vgl. Baur, A. von Tyana und Christus (Tübing. 1832); Jessen, A. von Tyana und sein Biograph Philostratus (Hamb. 1885); Göttsching, A. von Tyana (Berl. 1889).

7) A. Dyskolos (der »Mürrische«), griech. Grammatiker aus Alexandria, lehrte in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. zumeist in seiner Vaterstadt. Er hat durch systematische Gliederung die wissenschaftliche Grammatik begründet und die griechische Syntax geschaffen. Auf ihm und seinem Sohn Herodian beruht die gesamte technisch-grammatische Wissenschaft der Folgezeit; sein System hat insbes. Priscian seinen Institutiones zu Grunde gelegt. Von seinen Werken sind nur erhalten drei kleinere Schriften über Pronomen, Adverbien und Konjunktionen (hrsg. von Schneider, »Gramm. graeci«, Bd. 1, Leipz. 1878–1902) und die Syntax der Redeteile in 4 Büchern (hrsg. von Bekker, Berl. 1817; übersetzt von Buttmann, das. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 622-623.
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