Treiben [2]

[687] Treiben, dehnbare Metalle gewöhnlich in Blechform mit Hammer (Treibhammer) und Amboß (Treibstock) oder Treibpech zu Gefäßen, Schmuckwaren etc. umformen, indem man durch Streckung der mittlern Teile eines Blechstückes eine Vertiefung erzeugt (Auftiefen) oder den Rand aufbiegt (Aufziehen) und die Wandung verengert (einzieht) oder erweitert (schweift). Hierbei kommen auch die übrigen Blecharbeiten, wie Bördeln, Sieken, Stanzen, Punzen etc., zur Anwendung. Vgl. Getriebene Arbeit. In der Metallurgie soviel wie Abtreiben (s. d.). – In der Gärtnerei heißt T. gewisse Pflanzen durch Anwendung künstlicher Wärme und andrer Bedingungen früher als naturgemäß zur Ausbildung von Blättern, Blüten und Früchten bringen. Das T. geschieht in Gewächshäusern und Treibkasten, je nach Bedürfnis und Treibfähigkeit der Pflanzen, vom Oktober bis März. Von Blumen werden getrieben: Zwiebeln, Maiglöckchen, Veilchen, Nelken, Vergißmeinnicht, Flieder, Deutzien, Prunus triloba, vorzugsweise Rosen; von Früchten: Wein, Pfirsiche, Himbeeren, Ananas, Erdbeeren, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen; von Gemüsen in Mistbeeten und Treibhäusern: Blumenkohl, Kohlrabi, Kopfsalat, Gurken, Bohnen, Melonen, Karotten, Radieschen etc. Blütensträucher, Blumenzwiebeln u. a. bedürfen einiger Zeit der Ruhe, ehe sie zu ungewöhnlicher Zeit in Blüte gebracht, d. h. getrieben, werden können. Hyazinthen, Tulpen, Krokus u. a. pflanzt man, nachdem sie mehrere Wochen außerhalb der Erde zugebracht, in Töpfe mit leichter Erde und gutem Wasserabzug, gräbt sie sortenweise 5 cm tief ein oder stellt sie im kühlen, dunkeln Keller auf, bis sie genügend Wurzeln gebildet haben, dann stellt man sie sofort warm, aber zunächst dunkel, um den Blütenschaft zu verlängern; Krokus müssen im Keller angetrieben werden. Blütensträucher werden erst kalt und nach und nach wärmer gestellt, auch öfters durch Spritzen angefeuchtet; Staudenblumen dürfen nicht vor Sichtbarwerden der Blüte warm stehen. Gemüsepflanzen zieht man zuerst im besondern Kasten an und bringt sie genügend entwickelt in einen andern, inzwischen warm angelegten Kasten. Gurken u. a. treibt man auch im Gewächshaus. Für das T. von Obst, auch Erdbeeren, hat man besondere Häuser, in denen die Sträucher, Bäumchen und Pflanzen nach und nach wärmer und feuchter gehalten werden. Blütensträucher können im allgemeinen nicht vor der Andreasnacht, d. h. vor Ende November zum Austreiben gebracht werden. Neuerdings erlaubt die Ätherbehandlung nach W. Johannsen gewisse Sträucher, Flieder, Schneeball u. a. früher zum Austreiben zu bringen. Der ungefähr 48stündige Aufenthalt der Pflanzen in Ätherdampf kürzt den Reifeprozeß der Blütenknospen so weit ab, daß sie etwa 5 Tage nach dem Warmstellen austreiben. Vgl. Jäger, Winterflora (4. Aufl., Weim. 1880); Tatter, Anleitung zur Obsttreiberei (Stuttg. 1878); Gaerdt, Die Winterblumen (Berl. 1886); W. Hampel, Handbuch der Frucht- und Gemüsetreiberei (2. Aufl., das. 1898); Allendorf, Kulturpraxis der Kalt- und Warmhauspflanzen (2. Aufl., das. 1905); Johannsen, Das Ätherverfahren beim Frühtreiben (2. Aufl., Jena 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 687.
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