Tundra

[798] Tundra (»Moossteppe«), die im nördlichsten Asien und Europa jenseit der Baumgrenze gelegenen weiten Landstrecken mit Grundeis in geringer Tiefe unter der Oberfläche. Hier bilden Moose und Flechten den Hauptteil der Vegetation, nur von wenigen arktischen Phanerogamen begleitet. Dort, wo anstehendes Gestein der Oberfläche näher liegt oder der lockere Boden leichter abtrocknet, entwickelt die trockene Lichenentundra ihre grauweiße, bei atmosphärischer Feuchtigkeit graubraune Pflanzendecke. Ist der Boden feuchter, so tritt die Moostundra an ihre Stelle, vorherrschend aus den Gattungen Polytrichum und Sphagnum gebildet. Die herrschenden Arten der Flechten gehören zu den Gattungen Cetraria (C. islandica), Cladonia (C. rangiferina) und Evernia. Wird der Boden fester, so mischen sich einige niedrige Sträucher ein: Rhododendron-, Vaccinium-, Empetrum- und Andromeda-Arten, Arctostaphylos Uva ursi, Ledum palustre und Zwergweiden. Die Moostundra scheint in Amerika zu fehlen, tritt aber in der lappländischen, sibirischen und Samojedentundra um so ausgedehnter auf. Neben den Moosen zeigen sich hin und wieder Riedgräser, und wo der Boden sehr feucht ist, nimmt der Graswuchs überhand und bildet bisweilen mit Dryas, Cassiope, Ranunculus, Geranium, Oxytropis, Valeriana u. a. wiesenartige Flächen mit sehr üppiger Vegetation. An vielen Orten ist die T. vegetationslos, weil das Eis bis zur Oberfläche des Bodens hinausreicht. Die Tierwelt gehört größtenteils der arktischen Zirkumpolarregion an; zu deren Säugetieren, namentlich Lemming, Eisfuchs, Renntier, Schneehase, Moschusochs, Vielfraß, kommen noch Hermelin, Wiesel, Wolf und nordische Wühlmaus. Von Vögeln spielen Gänse, Enten, Strandläufer und Regenpfeifer eine große Rolle. Von Landvögeln sind zu nennen das Moorhuhn, das Gebirgsschneehuhn, die Schneeammer, die Alpenlerche, die Sumpfohreule, die Schneeeule und der Rauhfußbussard. Vgl. Nehring, Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit (Berl. 1890). Die Bolschesemelskaja Tundra s. d. (Bd. 3).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 798.
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