Wühlmaus

[763] Wühlmaus (Arvicola Lacep). Nagetiergattung aus der Familie der Wühlmäuse (Arvicolidae), kleine Tiere mit plumpem Körper, ziemlich breitem Kopf, abgerundeter Schnauze, kleinen Ohren, längern Hinter- als Vorderbeinen und ziemlich dichtbehaartem Schwanz von höchstens halber Körperlänge. Die Wühlmäuse leben in Erdröhren oder Erdlöchern und sammeln meist Wintervorräte ein, ohne Winterschlaf zu halten. Die Waldwühlmaus (A. [Hypudaeus] glareolus Wagn.), 10 cm lang, mit 4,5 cm langem Schwanz und deutlich aus dem Pelz hervorstehenden Ohren, ist oberseits braunrot, nach den Weichen hin heller, mit Grau getrübt, unterseits und an den Füßen scharf abgesetzt weiß, auch der Schwanz ist zweifarbig, nach der Spitze hin länger behaart. Sie bewohnt die Ebenen und niedern Berggegenden Mitteleuropas, lebt in Wäldern und an Waldrändern, in Parken etc., erklettert Baumstämme und nährt sich hauptsächlich von Würmern, Insekten, frißt auch wohl einen Vogel, außerdem Getreide und Knollen. Durch Benagen der Rinde junger Pflanzen richtet sie in Schonungen oft sehr großen Schaden an. Auch auf dem Felde wird sie schädlich. Das Weibchen wirft jährlich drei- bis viermal 4–8 Junge in einem meist über dem Boden in Büschen stehenden Nest. Im Kaukasus lebt die Prometheusmaus (Prometheomys Satunin) von der Größe einer kleinen Wasserratte. Die Alpenmaus (Arvicola [Hypudaeus] alpina Wag.). 12 cm lang mit 7 cm langem Schwanz, rötlichgrau, nährt sich von Wurzeln und Wurzelstöcken, trägt zum Winter Vorräte ein, wühlt aber auch unter Schnee und Rasen lange Gänge, um frische Pflanzen zu finden, und brandschatzt die Sennhütten. Sie lebt in der eigentlichen Alpenregion oberhalb 1300 m und wurde auf der Spitze des Theodulhorns und der Bernina beobachtet. Die Wasserratte (Wassermaus, Scher-, Reut- [Reit-], Hamster-, Mollmaus, A. [Paludicola] amphibius Desm.), 14,5–15,5 cm lang, mit 6,5–8,5 cm langem Schwanz, dickem, kurzem Kopf, nicht aus dem Pelz hervortretenden Ohren und ringsum gleichmäßig, ziemlich dicht, kurz und steif behaartem, einfarbigem Schwanz, ist oberseits graubraun oder braunschwarz, nach der Unterseite hin allmählich heller werdend. Sie bewohnt vom Atlantischen bis zum Ochotskischen, vom Weißen bis zum Mittelmeer die Ebene und das Gebirge, lebt am Wasser in unterirdischen Bauen, die vom Wasserspiegel aus schräg nach oben ansteigen und in weiten Kessel münden, oder fern vom Wasser (Schermaus), gräbt sehr lange, ganz flach liegende Gänge nach Maulwurfsart und baut die Kammer in einem der aufgeworfenen größern Hügel. Sie lebt in ihren Bauen paarweise, und ein Paar wohnt gern dicht neben dem andern. Sie läuft nicht sehr schnell, gräbt und schwimmt vortrefflich und richtet großen Schaden an. Ihre Nahrung besteht aus Wurzeln, Getreide, Gemüse, Obst; doch frißt sie auch Insekten, Frösche, Fische, Krebse, Mäuse, Eier. Für den Winter sammelt sie in Vorratsräumen Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln etc. und verläßt dann selten den Bau. Am Wasser durchwühlt sie die Dämme. Das Weibchen wirft drei- bis viermal jährlich in einem meist unterirdischen Nest 2–7 Junge. Am untern Jenissei bildet ihr Pelzwerk einen Handelsartikel. Die Ackermaus (Erdmaus, A. [Agricola] agrestis Selys), 10,5 cm lang, mit 3,5 cm langem Schwanz und wenig aus dem Pelz hervorragenden Ohren, ist oberseits dunkel schwärzlich braungrau, nach den Weichen hin heller, unterseits und an den Füßen grauweiß; auch der Schwanz ist zweifarbig. Sie findet sich in wasserreichen Gegenden Nordeuropas in Wäldern, im Gebüsch, an Gräben und auf Dämmen, ist gar nicht scheu, sehr unbeholfen, nährt sich von Wurzeln, Rinden, Früchten, Kerbtieren, baut dicht unter der Erdoberfläche ein rundes Nest und wirft drei- bis viermal im Jahre 4–7 Junge. Die Feldmaus (A. arvalis Selys, s. Tafel »Nagetiere III«, Fig. 3), 11 cm lang, mit 3 cm langem Schwanz und wenig aus dem Pelz hervortretenden Ohren, ist oberseits gelblichgrau, an den Seiten heller, an der Unterseite schmutzig rostweißlich, an den Füßen weißlich, der Schwanz ist hellfarbig. Sie findet sich in Mittel- und Nordeuropa und in Westasien, südlich bis Persien, steigt in den Alpen bis 2000 m, bewohnt hauptsächlich Felder und Wiesen, seltener Waldränder und Waldblößen, baut seichte Gänge, überwintert unter Getreidehaufen und[763] in Gebäuden, sammelt große Wintervorräte, besonders Sämereien, wandert bei Hungersnot scharenweise aus über Bergrücken und breite Ströme, läuft, schwimmt und gräbt gut, klettert aber wenig. Sie lebt paarweise, meist gesellig in großen Scharen, frißt Sämereien, Rüben, Kartoffeln, auch Gräser, Kräuter, Wurzeln und richtet großen Schaden an. Das Weibchen wirft in einem 0,5 m unter dem Boden liegenden Nest sechs- bis siebenmal 4–8 Junge, und der erste Wurf ist wahrscheinlich im Herbst schon fortpflanzungsfähig. Durch diese große Fruchtbarkeit wird die Feldmaus oft zur Landplage. Am wirksamsten bekämpfen sie ihre natürlichen Feinde: Füchse, Bussarde, Iltisse, Hermeline und Wiesel. Wo sie trotzdem überhandnimmt, bringt man Schwefelkohlenstoff in ihre Löcher. Löffler kultiviert Mäusetyphusbazillen in Strohabkochung und tränkt mit der Brühe Brotstücke, die auf dem Acker verbreitet werden. Durch Ansteckung entwickelt sich dann eine verheerende Seuche unter den Mäusen Diese Methode ist anzuwenden, wo nur noch durch Massenbekämpfung ein Erfolg zu erwarten ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 763-764.
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