Untersuchungskommissionen

[944] Untersuchungskommissionen (Commissions d'enquete), durch Schiedsverträge oder internationales Übereinkommen ernannte Personen, die durch Klarlegung der Ursachen und Berechtigung eines Völkerstreites dessen Beilegung vor Ausbruch bewaffneter Feindseligkeiten zu erreichen suchen. Schon bisher hat sich zur friedlichen Beilegung von zwischen Staaten ausgebrochenen Streitigkeiten als zweckmäßig erwiesen, zur Untersuchung und Vorberatung der Streiterledigung sogen. gemischte Kommissionen (commissions mixtes) aus Vertretern der Streitteile mit oder ohne Zuziehung von Sachverständigen zu bilden. Die auf der Haager Friedenskonferenz (s. d.) vereinbarte Konvention zur friedlichen Beilegung internationaler Streitigkeiten (s. Schiedsrichter, S. 753) nimmt von der praktischen Bewährung dieser Einrichtung Akt, die insbes. darin besteht, daß durch sie die durch falsche oder ungenaue Berichte und Preßerörterungen bei oft ganz harmlosen Tatbeständen aufgestachelte öffentliche Meinung im Weg authentischer Feststellung der Sachlage beruhigt zu werden vermag, indem sie, ohne. wie dies der russische Vorschlag gewollt hatte, eine rechtliche Verpflichtung der Signatarmächte zu begründen, diese Einrichtung den Signatarmächten in Form einer Empfehlung zur Benutzung nahelegt. Voraussetzung der Einsetzung soll sein, daß die Streitfragen auf diplomatischem Wege nicht erledigt werden konnten, und daß die Umstände die Einsetzung einer Kommission erlauben. Die Untersuchung hat kontradiktorisch zu geschehen. Die Streitsteile sind verpflichtet, im weitesten von ihnen für möglich gehaltenen Umfange der Kommission alle notwendigen Mittel und Erleichterungen zur vollständigen Aufklärung und genauen Feststellung der streitigen Tatsachen zu gewähren. Am Schluß der Untersuchung erstattet die Kommission den Streitsteilen einen von allen Mitgliedern zu unterzeichnenden Bericht. Derselbe beschränkt sich auf die Feststellung der Tatsachen, darf also nicht eine Art Schiedsspruch sein oder Vergleichsvorschläge machen. Welche Maßnahmen die streitenden Teile ergreifen wollen, soll ihnen völlig frei gehalten sein. Das Wichtigste ist, daß jeder Streitsteil rechtlich in der Lage ist, die Einsetzung einer Kommission abzulehnen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 944.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: