Villemain

[168] Villemain (spr. wil'mäng), Abel François, franz. Schriftsteller und Philolog, geb. 11. Juni 1790 in Paris, gest. daselbst 8. Mai 1870, wurde, 20 Jahre alt, Professor der Rhetorik am Lyceum Charlemagne und bald darauf an der Normalschule und erwarb sich hier durch Lobreden auf berühmte Männer, so auf Montaigne und Montesquieu, einen Namen, ward unter Decazes Direktor des Buchhandels und 1819 Staatsrat und Vorstand der Petitionskommission. Seine Vorlesungen von 1827–30, die einen ungeheuern Zulauf hatten, erschienen als »Cours de litterature française« (1828–30; 2. Aufl. 1864, 6 Bde.), ein mehr geistvolles als gründliches Werk. Auch als Historiker hat sich V., besonders durch seine meisterhafte, aus den Quellen geschöpfte »Histoire de Cromwell« (1819, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1830) und durch sein historisches Gemälde: »Lascaris, ou les Grecs du XV. siècle« (1825), Ruhm erworben. In der Deputiertenkammer, wo er seit Juli 1829 saß, bis er 1832 zum Pair ernannt wurde, gehörte er zur Opposition. Unter seinen parlamentarischen Leistungen ist außer mehreren glänzenden Reden, z. B. gegen die Septembergesetze 1835, sein »Rapport sur l'instruction secondaire« (1843) zu erwähnen. In dem Ministerium Soult vom 13. März 1839 bis 1. März 1840 war er Minister des öffentlichen Unterrichts. Am 28. Okt. 1840 wieder mit diesem Portefeuille betraut, betrieb er hauptsächlich 1844 die Ausweisung der Jesuiten. Ende dieses Jahres befiel ihn eine Geisteskrankheit, doch trat er nach seiner Genesung (1847) wieder mehrfach in der Kammer auf. Durch die Februarrevolution von 1848 vom politischen Schauplatz entfernt, verzichtete er nach der Begründung des neuen Kaiserreichs auf alle Ämter und behielt bloß seinen Sitz in der Akademie, als deren ständiger Sekretär er bis an seinen Tod fungierte. Von seinen Schriften sind noch zu erwähnen: »Souvenirs contemporains d'histoire et de littérature« (1853; neue Ausg. 1864,[168] 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1854); »Études de littérature ancienne et étrangère« (1846, 3. Aufl. 1865); »Tableau d'éloquence chrétienne an IV. siècle« (1846, neue Ausg. 1870; deutsch, Regensb. 1855); »Histoire de Gregoire VII« (1873, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 168-169.
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