Wahlprüfung

[309] Wahlprüfung, Ermittelung und Feststellung des Ergebnisses einer Wahl. Dieselbe kommt bei öffentlichen Vertretungskörpern, insbes. Parlamenten, der Versammlung selbst zu. Der deutsche Reichstag wird zum Zweck der W. in sieben Abteilungen geteilt. Liegt ein Wahlprotest (s. d.) vor, oder erklärt eine Abteilung die Wahl durch Mehrheitsbeschluß für zweifelhaft, oder erheben zehn anwesende Mitglieder der Abteilung einen bestimmten Zweifel gegen die Gültigkeit der Wahl, so gehen die Wahlverhandlungen zur weitern Prüfung an die Wahlprüfungskommission, die aus 14 Mitgliedern des Reichstags besteht. Letzterer entscheidet dann auf Bericht jener Kommission über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl (s. Textbeilage »Geschäftsordnung des deutschen Reichstags«, im 16. Bd.). – Das österreichische Abgeordnetenhaus teilt sich zum Zweck der Prüfung der Wahlakte in neun Abteilungen, denen die einzelnen Wahlakte durchs Los zugewiesen werden. Die Verzeichnisse der Wahlakte werden dem Präsidenten und von diesem dem Hause vorgelegt, das entweder die Wahl als gültig anerkennt oder den Wahlakt dem Legitimationsausschusse zuweist, der dann dem Hause darüber berichtet. Dieser entscheidet nach dem Bericht über die Gültigkeit jeder Wahl. In neuerer Zeit hat immer mehr die Auffassung Vertreter gefunden, daß die W. als eine richterliche Aufgabe unabhängigen Gerichtshöfen anvertraut werden sollte, da die Parlamente selbst keine hinlängliche Gewähr der Unabhängigkeit böten. Vgl. G. Jellinek, Ein Verfassungsgerichtshof für Österreich (Wien 1885); H. Jaques, Die[309] W. in den modernen Staaten und ein Wahlprüfungsgerichtshof für Österreich (Wien 1885); M. v. Seydel, Staatsrechtliche und politische Abhandlungen, S. 191 ff. (Freib. i. Br. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 309-310.
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