Yangtsekiang

[814] Yangtsekiang (nach Schott und v. Richthofen »Sohn der Provinz Yang«, nach andern »des Weltmeers Sohn«; der im Lande unbekannte Name Blauer Fluß stammt von den Jesuitenkarten des 17. und 18. Jahrh.), der größte Strom Chinas, entspringt in Tibet etwa unter 33° nördl. Br. und 91° östl. L., am Nordostabhang des Tangiagebirges bei dem Berg Gurbanbeltschi als Mur-ussu (»gewundenes Gewässer«) der Mongolen, fließt in ostnordöstlicher, von 95° ab als Ditschu (Britschu) in südöstlicher Richtung. Bei 98° betritt er das eigentliche China (Provinz Sz'tschwan), folgt als Kinschakiang (»Goldsandstrom«) zunächst dem NS.-Streichen der Gebirge, macht dann unter 100° eine weite Schlinge nach N., erreicht unter vielen Windungen in etwa 26° nördl. Br. seinen südlichsten Punkt, um sich nun gegen NO. zu wenden. Oberhalb Suifu tritt er in das Rote Becken von Sz'tschwan (s. d.) ein. Bei der Vereinigung mit dem von N. kommenden Minkiang, den die Chinesen für den eigentlichen Oberlauf halten, nimmt er eine Strecke weit dessen Namen Takiang (»großer Fluß«) an. Von hier bis zum Eintritt in die große Ebene von Hukwang ist sein Lauf ein Wechsel von sanften Mulden und wilden Schluchten, in denen er die zahlreichen Gebirgsketten am Südostrand des Roten Beckens durchbricht. Die Richtung ist im Mittel zuerst NO., schwenkt dann bis SO. ein. Auch sein durchschnittlich östlich gerichteter Unterlauf ist nach Durchmessung der Ebene von Hupé von vielen kleinern Gebirgszügen begleitet, die er zum Teil durchbricht, bis er erst unterhalb Nanking in seine Deltaebene eintritt. Seine Mündung erweitert sich zu einem mächtigen, schließlich 36 km breiten Ästuar, dem die große, aus den Sinkstoffen des Stromes aufgebaute Insel Tsungming vorgelagert ist, und fällt unter 32° nördl. Br. ins Ostchinesische Meer. Seine bedeutendsten Zuflüsse von N. her sind im Oberlauf der Yalung, im Mittellauf der Min mit dem Tungho, im Unterlauf der Han, von S. der Wu, dann der Yuën und Siang, die den See Tungting durchfließen, und der Kia oder Kan, der den Poyangsee durchzieht. In das Delta senden nördlich die Seen Kauju, Tatsung und Hungtsö, in den der Hwaiho mündet, südlich der See Taihu ihr Wasser in zahllosen Armen. Bis zum Austritt in die Ebene bei Itschang ist die Strömung stark; Boote können nur langsam und mit großer Mühe bis Pingschan, 2700 km oberhalb der Mündung, wo die Schiffbarkeit ein Ende nimmt, gezogen werden. Dampfer gelangen nur bis Itschang in Hupé (1700 km oberhalb der Mündung); oberhalb Itschang stellen auf einer Strecke von 160 km bis Kweitschou Stromschnellen Schiffen europäischer Bauart große Hindernisse entgegen, die auch für einheimische Boote nur schwer und mit Gefahr zu überwinden sind. Die ganze Länge des Y. wird auf 5100 km, sein Stromsystem auf 1,900,000 qkm geschätzt. Das Gefälle von Itschang bis zum Meer beträgt nur 2–4 cm auf 1 km, die durchschnittliche Wassermenge an der Mündung 22,000 cbm in der Sekunde, seine Breite oberhalb Nanking 7 km. Im Sommer fügen die angeschwollenen Gewässer den anliegenden Ländereien großen Schaden zu; das Hochwasser steigt im Mittellauf bis zu 20 m. Die Ausmündung ins Meer erfolgt unterhalb Nanking; bis 600 km aufwärts soll sich Ebbe und Flut bemerkbar machen. Der Fluß wimmelt von Tausenden von Schiffen, Barken, Booten und Flößen; europäische und chinesische Dampfschifffahrtsgesellschaften befahren den Fluß regelmäßig bis Itschang, welche Stadt nebst den unterhalb liegenden Handelsplätzen Schaschi, Hankau, Kiukiang, Wuhu, Nanking und Tschingkiang dem auswärtigen Handel geöffnet ist. Oberhalb des Unterlaufs ist Tschungking in Sz'tschwan der einzige Freihandelsplatz. Das große Emporium des Yangtsekianghandels, Schanghai, liegt etwas südlich der Mündung. Der berühmte Kaiserkanal, der den Y mit dem Hwangho verbindet, ist während der Taipingrebellion in Verfall geraten und seit der Verlegung der Mündung des Hwangho (s. d.) nach N. unbrauchbar geworden. Vgl. Blakiston, Five months of the Yang-Tsze (Lond. 1862); Little, Through the Yang-Tse gorges (das. 1888, 3. Aufl. 1898); Mrs. Bishop, The Yang-Tsze Valley and beyond (das. 1899); Tiessen, China, Bd. 1 (Berl. 1902); Gill, The river of Golden Sand (Lond. 1880, 2 Bde.); Chevalier, Le baut Yangtse (Schanghai 1899, mit Atlas); Hémon, Sur le Yang-Tsé (Par. 1904); Hourst, Dans les rapides du Fleuve Bleu (das. 1904) und Haut Vang Tse Kiang et ses affluents (das. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 814.
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