Vierte Ordnung: Die Zweiflügler [440] (Diptera, Antliata)

Mücken und Fliegen sind zwei bedeutungsvolle Namen, mit welchen sich ein gewisses unbehagliches Gefühl verbindet, weil man zunächst an die blutdürstige Stechmücke und die zudringliche, alles besudelnde Stubenfliege denkt, die, wenn sie sich einmal vornahm, unserer Nasenspitze einen Besuch abzustatten, dieselbe immer wieder zu finden weiß, und wenn wir sie auch zehnmal davon wegjagten; Zähigkeit, Ausdauer in allem, was sie anfangen, liegt einmal im Charakter der Kerfe. Wenn ich das Kleeblatt vervollständige und ein geheimes Jucken in der Haut meines freundlichen Lesers bei Nennung des – Flohes erzeuge, welcher hier gleichfalls seinen Platz angewiesen bekam, so fürchte ich doch darum nicht, daß sich jemand werde zurückschrecken lassen, diesen Kerfen etwas näher zu treten. Auch sie gehören in das Schöpfungsganze, wo sie ihre Stelle ausfüllen; auch sie haben eine Berechtigung an das Leben, wenngleich sie vielleicht dem »Herrn der Schöpfung« weniger Freude bereiten, als der bunte Schmetterling oder die honigspendende Biene, oder der harmlose Käfer. Daß einige unter ihnen sind, welche uns persönlich angreifen, unser Gesicht als Spielplatz ansehen, das Blut in unseren Adern für einen Leckerbissen halten, wer möchte es ihnen von ihrem Standpunkte aus verdenken?

Moufet in seinem schon öfters erwähnten interessanten Werke (S. 73) widmet ihnen vier lange Kapitel, in deren erstem »über die Fliegen« er in gewohnter Ausführlichkeit nach Anleitung der Alten ihre guten und schlechten Eigenschaften bespricht, die sich vornehmlich auf die Stuben- (und Stech-)fliege zu beziehen scheinen, und wunderliche Dinge über ihre Entstehung erzählt, sich selbst jedoch die richtige Ansicht der Hauptsache nach bewahrend. Im nächsten Kapitel behandelt er die Verschiedenheiten der Fliegen und bildet durcheinander Kerfe ab, welche auch jetzt noch für Fliegen und Mücken gelten, neben Schlupfwespen verschiedener Art, Skorpionfliegen, Eintagsfliegen, Kleinschmetterlingen, zahlreichen Libellen und anderen Gebilden, welche sich nicht deuten lassen. Das längste Kapitel (XII) handelt von dem Nutzen der Fliegen, welcher in ihrem Vermögen, künftige Dinge vorher anzuzeigen, Krankheiten zu heilen und andere Thiere zu ernähren, begründet ist. Durch größere Zudringlichkeit gegen Menschen und Vieh und heftigeres Stechen sowie durch ihren Flug nahe der Erdoberfläche kündigen sie Regen oder Sturm an. Nach Ansicht der Inder, Perser und Egypter steht eine Trauerbotschaft oder eine Krankheit in Aus sicht, wenn man von Fliegen träumt. Wenn einem Könige oder einem Heerführer an irgend einem Orte viele Fliegen im Traume erscheinen, so wird er hier abgeschnitten werden, oder gefallene Soldaten, vernichtete Schlachtenreihen, einen verlorenen Sieg zu beklagen haben. Wenn ein Armer oder Gemeiner von Fliegen träumt, verfällt er in eine schwere, wenn nicht tödtliche Krankheit. Wer da träumt, daß ihm Fliegen in [440] Mund oder Nase kriechen, kann mit Angst und Schrecken den von den Feinden herbeigeführten Untergang erwarten. Aber nicht bloß die Stürme des Jahres und der Tage verkünden die Fliegen, sondern sie heilen auch Krankheiten. Die nun folgenden Recepte gegen Kahlköpfigkeit interessiren uns nicht. Indem Moufet weiterhin umständlich die sich hauptsächlich von Fliegen ernährenden Vögel und andere Thiere aufzählt und auf die Verwendung derselben und ihrer Maden beim Fischfange kommt, gedenkt er auch des Kunstgriffes der Fischer in Ermangelung wirklicher Fliegen, nachgemachte an den Angelhaken zu stecken. Diese Erfindung sei alt und nicht den englischen Fischern zu danken, denn nach Aelian gäbe es im Asträos Fische, welche nach den über dem Wasser hingleitenden Fliegen schnappten; dies hätten die Fischer bemerkt, jene gefangen und an die Angelhaken befestigt. Weil sie aber ihre natürliche Farbe und die Flügel verloren hätten und dadurch zum Fischfange untauglich geworden seien, so hätten sich die Fischer künstlich nachgemachter von derselben Gestalt und Farbe bedient, und zwar hätten sie purpurne und verschiedenfarbige Wolle in Fliegenform zusammengedrückt und mit zwei wachsgelben Hühnerfedern statt der Flügel versehen. »Wir dürfen uns nicht über die Fischer und über die Fische wundern, daß sie den Fliegen so nachstellen«, fährt Moufet fort, »da es selbst Kaiser Domitianus nicht unter der Würde eines Kaisers hielt.« Dieser durchbohrte alle an den Wänden seines Zimmers sitzenden Fliegen mit einer eisernen Nadel und reihete sie alle an einander, so daß die Sklaven auf die Frage: »Wer ist drin beim Kaiser?« antworten konnten: »Nicht einmal eine Fliege«. Weiter spricht er über die Fliegenwedel und andere Mittel, um Menschen und Vieh vor den Angriffen der Zudringlichen zu schützen, die den letzteren von Fliegen beigebrachten Wunden zu heilen und gedenkt auch der für Menschen »tödtlichen Fliegenstiche«, einer bis auf den heutigen Tag noch unklaren Erscheinung. Hierauf beschreibt er eine Menge von Fliegenarten, deren mehrere sich aus den Angaben eben nur ahnen lassen. Das Kapitel schließt mit Aufführung zahlreicher Fälle, in denen Gott durch Fliegen seine Strafgerichte über hervorragende Männer wie über ganze Völker habe ergehen lassen, zu denen auch die Egypter zu Moses' Zeiten gezählt werden. Im XIII. Kapitel wird in anziehender Weise über die Mücken gehandelt und bei der Untersuchung über den Namen das englische Canopy, unser Kanapee, vom griechischen konopeion abgeleitet, welches Wort ein Ruhebett mit Vorhängen bedeutet, um die Mücken (konops) abzuhalten. Doch genug der Abschweifungen!

Die Zweiflügler der heutigen Forscher sind leicht zu erkennen an nur zwei Flügeln, einem Saugrüssel, welcher in den wenigsten Fällen Blut abzapft, einem in seinen drei Ringen verwachsenen Brustkasten, an fünf Gliedern der Füße und hinsichtlich der Entwickelung an wesentlich verschiedenen Formen, in denen Larve, Puppe, Fliege auftreten. Der Rumpf der Zweiflügler stimmt in seinem Baue mit den beiden vorangegangenen Ordnungen überein. Der Kopf steht durch ein dünnes Fädchen mit dem Brustkasten in Verbindung und kann sich rechts und links weit drehen. Der erste der drei Brustringe läßt von oben meist nur die Schulterbeulen sehen, während der zweite als Träger der beiden Flügel zur größten Entwickelung gelangt; das Schildchen tritt an ihm stets deutlich heraus und zwar meist in solcher Ausdehnung, daß der Hinterrücken unter ihm versteckt wird. Die Rücken aller drei Ringe pflegt man in ihrer Vereinigung als Rückenschild zu bezeichnen. Wie bei den Hautflüglern kommen auch hier alle denkbaren Verbindungsweisen zwischen Brustkasten und Hinterleib vor. Meist ist letzterer sitzend oder anhangend, und in selteneren Fällen gestielt. Seine Gliederzahl, für gewisse Fälle zur Unterscheidung brauchbar, schwankt zwischen vier und acht Ringen, welche auf der Rückenseite gezählt zu werden pflegen. Sehr häufig treten die Geschlechtswerkzeuge hinten hervor, mannigfaltig gebildet beim Männchen, als ein- und ausstreckbare Legröhre beim Weibchen, und lehren neben noch anderen Kennzeichen die Geschlechter unterscheiden. Auch in der Bekleidung stehen die Fliegen den Aderflüglern am nächsten; denn wenn nicht Nacktheit vorhanden, so finden sich nur Haare und zwar meist borstige, dann und wann ein dichter Wollpelz, wie beispielsweise bei gewissen Bienen, höchst selten dagegen Schuppen, welche so häufig den Körper der Schmetterlinge, auch den der Käfer, überziehen. Die Beine sind durch [441] zapfenförmige Hüften dem Körper eingelenkt, haben einen Schenkelring, einen fünfgliederigen Fuß, dessen erstes Glied (Ferse) sich in der Regel verlängert, und enden in zwei Klauen. Zwischen denselben wird öfters eine Afterklaue bemerklich, häufiger aber noch finden sich zwei oder drei sohlenartige Polster (Paletten oder Pulvillen) vor, mit deren Hülfe die Fliegen an den glättesten Gegenständen mit derselben Sicherheit dahinspazieren, wie auf rauhen Flächen.

Die Flügel, manchmal sichtlich, häufiger mikroskopisch behaart, erscheinen glashell, etwas getrübt oder durch bunte Flecke zierlich gezeichnet, welche, wie bei den Immen, in der Hautfarbe ihren Grund haben und sich daher nicht abwischen lassen. Bei der im übrigen großen Gleichförmigkeit unter den Fliegen erhalten die Flügel durch den Verlauf ihres Geäders eine besondere Wichtigkeit zur Unterscheidung, und müssen daher ihrem Wesen nach, wenn auch kurz, erörtert werden. Die Längsadern herrschen vor, daher auch gestreckte Zellen. Bei einiger Aufmerksamkeit erkennt man, so mannigfach die Verästelung auch sonst sein mag, zwei Hauptzüge, welche selbständig von der Wurzel ausgehen und wenigstens dieser zunächst einen schmäleren oder breiteren Raum zwischen sich frei lassen. Unter allen Umständen werden diese beiden Hauptstämme durch eine Querader (x) verbunden. Meist undeutlich, bisweilen aber entwickelt, folgt dem Innenrande zunächst noch ein dritter, selbständig aus der Flügelwurzel entspringender Stamm (g). Den Vorderrand selbst bildet die Randader (costa), welche an der Spitze aufzuhören pflegt, aber auch um sie herumgehen kann; die feiner werdende Flügelbegrenzung zeigt ihre Endschaft an. Diese Ader wird nicht mitgezählt bei der weiteren Bezeichnung der übrigen Längsadern, welche von den verschiedenen Schriftstellern verschieden gewählt worden ist.


Mückenflügel. Muscidenflügel. a erste, b zweite, c dritte, d vierte, e fünfte, f sechste Längsader, x kleine Querader, y vordere Wurzelquerader. Im Muscidenflügel: d Spitzenquerader, d' große Querader. - 1 vordere Wurzel-, Basalzelle, 2 erste Hinterrandzelle, denen im Mückenflügel noch mehrere nachfolgen, 3 Analzelle, 4 hintere Wurzelzelle, 5 Mittel-, Discoidalzelle, 6 Axillarzelle, 7 Hinterwickel-, Lappenzelle, a Flügelläppchen, 8 Unterrandzelle, 9, 10 Randzelle, 11 Vorderrandzelle.
Mückenflügel. Muscidenflügel. a erste, b zweite, c dritte, d vierte, e fünfte, f sechste Längsader, x kleine Querader, y vordere Wurzelquerader. Im Muscidenflügel: d Spitzenquerader, d' große Querader. - 1 vordere Wurzel-, Basalzelle, 2 erste Hinterrandzelle, denen im Mückenflügel noch mehrere nachfolgen, 3 Analzelle, 4 hintere Wurzelzelle, 5 Mittel-, Discoidalzelle, 6 Axillarzelle, 7 Hinterwickel-, Lappenzelle, a Flügelläppchen, 8 Unterrandzelle, 9, 10 Randzelle, 11 Vorderrandzelle.

Man hat dabei festzuhalten, daß drei derselben dem vorderen, drei dem hinteren Hauptzuge angehören, so daß sechs Längsadern überhaupt nur gezählt werden und mithin die dritte (c) und vierte (d) es sind, zwischen denen die vorher erwähnte Verbindung der beiden Hauptstämme durch die sogenannte kleine Querader, vordere Querader oder schlechthin Querader (x) erfolgt. Die erste Längsader (a) entspringt der Wurzel des Flügels, theilt sich öfters bald in einen oberen Zweig (Mediastinalader), welcher stets in den Vorderrand mündet, an einer Stelle, welche man, entsprechend dem Immenflügel, wohl auch das Randmal nennt, ohne daß hier je, wie dort, ein Hornplättchen steht, sondern höchstens einige größere Borsten bemerkt werden, wenn dergleichen den Vorderrand bewimpern. Der andere Theil, vorzugsweise erste Längsader (Subcostal-, Unterrandader) genannt, mündet gleichfalls in die Costa, kann sich aber auch zur folgenden zweiten Längsader (Radialader, b) wenden, welche nie aus der Wurzel kommt, sondern sich von der ersten abzweigt und in den Vorderrand, manchmal auch in die erste Längsader mündet. Die dritte Längsader (Cubitalader, c) zweigt sich immer von der zweiten ab, oder, wo diese fehlt, von der ersten. Sie endet in beiden hier abgebildeten Formen einfach, kann sich aber auch wiederholt verzweigen und mit dem untersten Zweige in die folgende münden. Die vierte Längsader (Discoidal-, Mittelader, d) [442] ist der oberste Ast des zweiten Hauptstammes; sie endet bei geradem Verlaufe im Rande, bisweilen beugt sie sich gegen die dritte Längsader auf und heißt dann Spitzenquerader, welche sogar in die dritte Längsader münden kann und in unserer zweiten Figur als ein »Ast« der Hauptader erscheint. Die fünfte Längsader (Posticalader, e) kommt aus der Wurzel selbst, gehört zu denen, welche nie fehlen und ist als stärkste des zweiten Hauptstammes die vorzüglichste Stütze für die hintere Flügelfläche. Sie mündet in den Hinterrand oder in die sechste Längsader (Analader, f), welche aus ihr entspringt und den Flügelsaum nicht immer zu erreichen braucht. Wenn hinter ihr noch eine Längsader vorkommt, so entspringt diese der Wurzel, gehört dem dritten Stamme an und heißt Axillarader (g). Wo eine Mittel-, Discoidalzelle (5) vorhanden ist, wie im Mückenflügel, da strahlt aus ihr eine Verästelung von Längsadern, welche nicht in der Reihe mit zählen, sondern als »zwei, drei usw. aus der Mittelzelle entspringende Adern« bezeichnet werden. Außer der bereits mehrfach erwähnten Querader verbindet sehr häufig die hintere oder große Querader (d') die vierte und fünfte Längsader in der Nähe des Hinterrandes und ist als Gabelast der ersteren nach hinten, wie die Spitzenquerader nach vorn, zu betrachten, die vordere Wurzelquerader (y) verbindet in anderen Fällen dieselben beiden Rippen, aber sehr nahe der Wurzel, wie die hintere Wurzelquerader die beiden nächsten. Diejenige, welche in ähnlicher Weise die erste Längsader mit dem Vorderrande verbindet, heißt die Schulterquerader (Humeralader, s). – Bei Bezeichnung der Zellen stimmen die verschiedenen Schriftsteller noch weniger überein, als bei der der Adern; doch haben wir uns hier mit dem begnügt, was die Unterschrift unter den Abbildungen geliefert hat, und fügen nur noch hinzu, daß jede Zelle nur dann für vollständig »geschlossen« gilt, wenn sie ringsum von Adern begrenzt wird, für »offen«, sobald von der einen Seite der Flügelsaum den Verschluß herstellt.

Bei vielen Familien findet sich hinter dem Flügel noch ein kleineres oder größeres, einfaches oder doppeltes Flügelschüppchen, unter welchem der Schwinger, Schwingkolben (die Halteren) theilweise oder ganz verborgen wird. Diese gestielten Knöpfchen, welche leicht in die Augen fallen, sobald sie, wie z.B. bei den Mücken, »unbedeckt« sind, bilden ein den Zweiflüglern eigenthümliches Werkzeug, dessen Bestimmung auf das verschiedenste gedeutet worden ist. Nach den neuesten Untersuchungen Landois' dienen die Schwinger zur Bewegung der Brummringe im Stimmapparate, wirken aber erst in zweiter Linie durch diese Bewegung auf das Athmen und die Flugfertigkeit. Ueber das Brummen der Fliegen sagt Landois etwa folgendes: Wir haben bei einem Insekte, welches Töne hören läßt, auf die Bewegungen gewisser äußerer Organe Rücksicht zu nehmen und sodann auf Höhe und Tiefe des Tones. Sehen wir z.B. eine Schmeißfliege ungehindert in der Luft umherfliegen, so vernehmen wir einen verhältnismäßig tiefen Summton und bemerken die heftig zitternden Bewegungen der Flügel wie der Schwingkolben. Faßt man dasselbe Thier so an, daß es seine Flügel nicht bewegen kann, so hört man einen höheren Brummton und sieht gleichzeitig, wie die Hinterleibsringe sich krampfhaft an einander reiben; greift man endlich die Fliege so, daß kein Körpertheil äußerlich sich bewegen kann, so vernimmt man den höchsten Summton, die Fliege räsonnirt gewissermaßen inwendig. Die tiefen Töne werden somit erzeugt theils durch die vibrirenden Flügelschwingungen, theils durch das Reiben der Hinterleibsglieder und des Kopfes, theils durch die vier Luftlöcher des Brustkastens, von denen zwei am vorderen, die beiden anderen am hintersten Ringe desselben sitzen. Die Wahrheit dieser Ansicht wies Landois durch dreierlei Versuche nach: er brachte Fliegen unter Wasser, hinderte mithin die Bewegung der tönenden Organe und hörte dennoch Töne; er schnitt vom Thorax einer lebenskräftigen Brumm-oder einer Schlammfliege alle Theile mit Ausnahme der Schwingkolben weg und hörte trotzdem den Rumpf tönen; als er aber die vier Luftlöcher verklebte, hörte er keinen Ton. Bei den Fliegen und Mücken sind die Luftlöcher des Brustkastens in Stimmorgane umgewandelt, bei manchen alle vier, bei anderen nur zwei, entweder die vorderen, oder die hinteren. Ein einzelner Brummapparat hat ungefähr folgenden Bau: die zahlreichen Luftröhren der Brust treten [443] allmählich zusammen, bis sie in der Nähe eines jeden Luftloches ein einziges Rohr bilden. Dieses weitet sich am Ende in eine halbkugelige Blase aus, deren äußere Oeffnung gleichzeitig der Stigmenrand ist. Die Tracheenblase faltet sich häufig in zierliche Blättchen. Dieselben werden auseinandergehalten durch einen besonderen »Brummring«, welcher dicht unter der Stigmenöffnung liegt. Wird nun die Luft aus den Tracheen des Körpers ausgestoßen oder von außen eingesogen, so setzt dieselbe die Chitinblättchen in der Brummhöhle in schwingende Bewegung, und da der Ton durch die Athmungswerkzeuge entsteht, darf er auch als »Stimme« bezeichnet werden. Der Bau dieses Stimmapparates zeigt bei den verschiedenen Zweiflüglern große Mannigfaltigkeit, doch können wir ihn hier nicht weiter verfolgen.

Es bliebe nun noch der Kopf nebst Zubehör für eine kurze Besprechung übrig. Den größten Theil seiner Oberfläche nehmen zumeist die Augen ein, welche nackt oder behaart sind, bei vielen Männchen auf dem Scheitel zusammenstoßen, während sie beim Weibchen stets getrennt bleiben, sei es auch nur durch eine schmale Stirnstrieme. Drei Nebenaugen pflegen in der Regel vorhanden zu sein. Die Mundtheile wurden bereits auf Seite 8 besprochen; bei den Blutsaugern mehr horniger, bei den anderen fleischiger Natur, finden sich die einzelnen Bestandtheile der Beißer nur in veränderter Form vor und bilden dort einen Stech-, hier einen Schöpf- oder Saugrüssel. Man hat, um die einzelnen Gegenden des Kopfes bei einer ausführlichen Beschreibung kürzer bezeichnen zu können, dafür gewisse Bezeichnungen eingeführt und nennt die Fläche zwischen den Fühlern, den inneren Augenrändern und dem Mundrande Untergesicht (epistoma); findet sich auf ihr eine bartartige Behaarung, so nennt man diese den Knebelbart (mystax), im Gegensatze zum Backenbarte (barba), welcher sich auf den Wangen jenes unterhalb der Augen gelegenen Kopftheiles, oder auch am unteren Mundrande vorfindet. Die einzelnen Haare, welche die Seiten des Untergesichtes einfassen, heißen Knebelborsten, und stehen dergleichen am oberen Mundrande, so bezeichnet man ihn näher als beborstet. Zwischen dem Borstenhaare des Körpers, besonders auch des Hinterleibes, kommen nicht selten einzelne vor, welche sich durch Dicke und Länge vor den übrigen auszeichnen und, wenn sie eine besondere Berücksichtigung verdienen, als Großborsten (Macrocheten) unterschieden werden.

In Hinsicht auf die Fühler, welche stets auf der Grenzlinie zwischen Untergesicht und Stirn stehen, jedoch zu letzterer gerechnet werden, kommen zwei wesentlich verschiedene Fälle vor. Bei den darum so genannten Langhörnern (Macroceren) bestehen sie aus vielen (bis sechsunddreißig) Gliedern, welche faden-, borsten- oder schnurförmig, bei dem Männchen auch stark gekämmt sein können und als Geisel von den beiden dickeren, etwas anders geformten Grundgliedern unterschieden werden. Bei den Kurzhörnern (Brachyceren) sitzt auf zwei kurzen, ringförmigen Grundgliedern ein größeres, sehr verschieden gestaltetes Endglied, an dessen Rücken die Fühler- oder Rückenborste in vielen Fällen, z.B. bei allen echten Fliegen, vorkommt. Ob sie diese oder jene Stelle einnimmt, ob sie einfach oder gegliedert, nackt oder behaart und befiedert ist, dies alles wird wohl beachtet, um darauf Gattungsunterschiede zu begründen. Zwischen den beiden eben bezeichneten Fühlerformen steht noch eine dritte in der Mitte, welche jedoch zu der letzteren gezählt zu werden pflegt. In manchen Fällen nämlich erscheint das dritte Glied geringelt, oder statt der Borste hat es einen Griffel, einen anderen als borstenartigen Fortsatz, welcher gleichfalls geringelt sein kann. Nie lassen sich jedoch bei dieser Bildung mehr als sechs Glieder erkennen.

Die fußlosen Larven (Maden) der Zweiflügler halten sich im Wasser, in der Erde, in verwesenden thierischen oder pflanzlichen Stoffen, in lebenden Pflanzen, deren Zersetzung sie befördern, ja auch als Parasiten in anderen Larven oder an warmblütigen Thieren auf, und stellen sich in zwei wesentlich verschiedenen Formen dar. Die mehr entwickelten derselben lassen einen hornigen Kopf mit zwar stummelhaften, aber doch in der Anlage vorhandenen Mundtheilen: Ober- und Unterlippe, Ober- und Unterkiefer, Fühler und auch wohl Augen in größerer oder geringerer Vollständigkeit erkennen. Eigentliche Füße fehlen ihnen, statt derselben finden sich aber Stachelhaare [444] oder beborstete Warzen, welche beim Fortkriechen gute Dienste leisten, die Inhaber derselben aber nicht über den Madenstand erheben. Bei der zweiten, bedeutend zahlreicheren Reihe, den sogenannten kopflosen Larven, läßt sich kein Kopf unterscheiden, sondern nur ein spitzes Ende auf der einen, ein stumpfes, meist abgestutztes auf der entgegengesetzten Seite. Jenes, in die nachfolgenden Körpertheile zurückziehbar, bleibt durchaus fleischig, wie der übrige Körper, oder zwei gegen einander wirkende, weit in das Innere hineinreichende hornige Nagehaken stellen die Mundtheile dar. Dieselben dienen zum Loslösen der Nahrungstheile und zum Anhalten beim Fortkriechen. Bei derartigen Maden finden sich am gestutzten und dickeren Körperende auf zapfenartigen Erhöhungen oder Warzen, den sogenannten Stigmenträgern, eine Anzahl von Luftlöchern, während zwei andere Luftlochträger, jederseits des zweiten Ringes einer, versteckt sind. Obschon neuere Forschungen zwischen diesen beiden Grundformen Uebergänge aufgefunden haben und von verschieden gebauten Kopfskeletten sprechen, so können wir hier unmöglich auf solche feinere Unterscheidungen eingehen. Die beiden eben berührten Gegensätze sind nicht bloß äußerer Natur, sondern greifen tief in das Larven leben ein. Denn die Kopfträger, einer weniger flüssigen Kost zugänglich, häuten sich mehrmals und werden durch Abstreifen der letzten Larvenhaut zu Mumienpuppen von oft sehr wunderlichem Ansehen, während die kopflosen Maden in den meisten Fällen ihre Haut nie wechseln, sicherlich bei der Verpuppung nicht. Bei derselben erhärtet die Larvenhaut durch Verkürzung und Breiterwerden der Larvengestalt, zu dem sogenannten Tonnenpüppchen oder Tönnchen, welches durch Hervorragungen die Stellen andeutet, wo bei der Larve die Stigmenträger saßen. Während alle außerhalb des Wassers ruhen, bewegen sich die im Wasser lebenden Mückenpuppen in ähnlicher Weise wie ihre Larven. Die eben erörterten Unterschiede zwischen Larven und Puppen lassen im allgemeinen einen Schluß auf den vollkommenen Kerf ziehen. Aus den Mumienpuppen werden Langhörner oder Mücken, aus den Tönnchen Fliegen oder Kurzhörner, jedoch nicht ausnahmslos.

Die Zahl der Fliegen läßt sich bei der noch sehr unvollkommenen Kenntnis der außereuropäischen kaum schätzen, doch dürfte sie die der Immen nicht erreichen. Der heiße Erdgürtel enthält keine Familie ausschließlich, sondern die Verbreitung derselben scheint eine allgemeinere zu sein als bei anderen Kerfen. Zweiflügler kommen gleichfalls schon in den früheren Schöpfungsperioden vor, in den älteren Schichten vereinzelt und nicht hinreichend kenntlich, dagegen zahlreich und schön erhalten im Tertiärgebirge mit überwiegenden Mücken. Von den etwa achthundertundfunfzig bisher im Bernsteine aufgefundenen Arten sind sechshundertsechsundfunfzig sicher bestimmt.

So mannigfaltig sich auch ihre Verhältnisse in Größe, Körperbildung und Lebensweise gestalten mögen, so lassen sich doch die Mücken (Tipulariae) leicht an dem lang gestreckten, bei den kleineren Arten ungemein zarten Körper, an den sehr langen, fadenförmigen Beinen, welche kaum die leiseste Berührung vertragen können, ohne auszufallen, an den langen Tastergliedern und den vielgliederigen, oft außerordentlich zierlichen Fühlern erkennen. Die Zahl ihrer Arten ist sehr beträchtlich, in Europa allein mag sie sich auf tausend belaufen, unerhört aber die Menge, in welcher eine und dieselbe Art bisweilen sichtbar und – fühlbar wird. So berichten beispielsweise die Jahrbücher von Mücken, welche sich 1736 in England in so unermeßlichen Schwärmen säulenartig in der Nähe eines Kirchthurms bewegten, daß sie von vielen Leuten für eine Rauchsäule gehalten wurden. Ganz dieselbe Erscheinung beobachtete man im Juli 1812 in der schlesischen Stadt Sagan und am 20. August 1859 in Neubrandenburg, wo ein Mückenschwarm dicht unter dem Kreuze des Marienkirchthurmes in einer Höhe von fast 300 Fuß spielte, so daß er, von unten gesehen, einer dünnen, in steter Wallung begriffenen Rauchwolke glich. Aehnliche Beispiele werden aus vielen Gegenden Europas erzählt, wenn auch in den meisten Fällen nicht festgestellt ist, welcher Art die Schwärmer angehört haben. Man hat mit den Leichen der kleinsten, bis 4,5 Millimeter messenden Arten mehrere Fuß hoch die Ufer von Gewässern bedeckt gesehen. Wie fühlbar sich [445] andere solche Scharen machen können, weiß jedermann, welcher sich während eines warmen, feuchten Sommers in wasserreicher Gegend aufhielt, vielleicht weniger, daß jene blutsaugenden Quälgeister nur dem zarten, weiblichen Geschlechte angehören, da die harmlosen Männchen nur Vergnügen am Tanzen finden. Im heißen Südamerika nennt man die Stechmücken Moskitos, ein portugiesisches Wort, welches so viel bedeutet wie Mücke, Fliege (musca), auch mit örtlicher Färbung: »Teufelstrompeter« in Surinam. Manche Gegenden, namentlich an den Strömen, sind ihretwegen völlig unbewohnbar. Am Orinoco ist es die erste Frage, mit welcher man des Morgens einen Freund begrüßt: »Wie haben sich die Jankudos und Moskitos diese Nacht aufgeführt?« Fast zu jeder Tageszeit wird man dort abwechselnd von anderen Arten gemartert. »Heutzutage«, sagt A. von Humboldt, »sind es nicht die Gefahren der Schiffahrt auf kleinen Kähnen, nicht die wilden Indianer und Schlangen, Krokodile und Jaguare, welche die Reise auf dem Orinoco furchtbar machen, sondern die Moskitos«. Die Mückenplage an dieser und jener Oertlichkeit stammt nicht aus der Neuzeit, sondern ist eine alte; denn schon Pausanias (7, 2) erzählt: »Die Stadt Myus in Karien lag an einem Meerbusen; der Mäander verwandelte, indem er den Eingang mit Schlamm verstopfte, diesen Busen in einen See. Da nun das Wasser späterhin nicht mehr salzig war, so kamen aus ihm zahllose Schwärme von Mücken und nöthigten die Einwohner, die Stadt zu verlassen. Sie zogen nach Milet, und zu meiner Zeit war von Myus nur noch ein Tempel des Bacchus übrig«. Als Gegenstück erzählt von Osten-Sacken eine ihm von einem amerikanischen Forscher und Reisenden mitgetheilte Thatsache, daß es im Jahre 1823 auf den Sandwichinseln noch keine Mücken gegeben habe. Im Jahre 1828 oder 1830 sei ein altes, aus Mejiko angekommenes Schiff an der Küste einer jener Inseln verlassen worden. Bald merkten die Einwohner, daß um diese Stelle herum ein eigenthümlicher, ihnen unbekannter, blutsaugender Kerf erschien. Diese Erscheinung erregte einiges Aufsehen, so daß neugierige Eingeborene des Abends hinzugehen pflegten, um sich von den sonderbaren Thierchen besaugen zu lassen. Seitdem verbreiteten sich die Mücken über die Inseln und wurden mit der Zeit zur Plage. Es möge hieran noch eine zweite Mittheilung desselben Forschers geknüpft sein, die er einem anderen amerikanischen Beobachter verdankt. Beim Klange der Note a soll eine Zuckung einen ganzen Mückenschwarm durchbeben, so daß derjenige, welcher sich in ihrer Wolke befindet, bei jenem Tone sein Gesicht von einer großen Menge von Mücken berührt fühle.

Viele Mücken leben als Larven und Puppen im Wasser. Je nachdem diese stets unter demselben zubringen oder sich durch schnellende Bewegungen ihres Körpers an die Oberfläche erheben können, athmen sie durch äußere Kiemen oder Athemröhren. Jene können haarartig und bewimpert oder blattförmig sein und pflegen, wie diese, am ersten und letzten Körperringe zu sitzen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 440-446.
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