Bildung

[784] Bildung, 1) Gestaltung eines Gegenstandes rücksichtlich seiner äußeren Umrisse. 2) (Physiol.), Vereinigung chemischer Elemente od. Verbindungen zu Theilen eines lebenden Organismus, z.B. von Stärkemehl in den Pflanzen aus Kohlensäure u. Wasser, von Proteinsubstanzen aus Ammoniak, Humussäuren u. Schwefel. Das der B. zu organischen Körpern zu Grunde liegende Princip nannte man früher Bildungstrieb (Nisus formativus), nach Plato die Urkraft od. schaffende Idee, nach Stahl die Seele, auch Anima plastica od. Idea plastica s. seminalis. Blumenbach, welcher diese Lehre wieder einführte unterschied 3 Formen, in denen sich der B-strieb äußere: die Erzeugung, Ernährung u. Reproduction. Die bei der B. selbst beobachteten Normen, nach denen sich die einzelnen Individuen bildeten, galten als Bildungsgesetze, so das Gesetz einer bestimmten Ordnung u. Zweckmäßigkeit, der Symmetrie u. Periodicität etc. Sogenannte Mißbildungen sind die Resultate, einer Bildungshemmung, d.h. einer nur theilweisen Ausbildung der einzelnen Organe in Folge äußerer störender Einflüsse, u. mangelnder Weiterentwickelung. 3) (Min.), Anordnung unorganischer Moleküle zu einer von der chemischen Natur derselben abhängigen, aber nach bestimmten Gesetzen erzeugten Gestalt, s. Krystallbildung. 4) (Geol.), Ablagerung in Wasser suspendirter od. Erstarrung feuerflüssiger Massen zu sedimentären od. eruptiven Gesteinen. 5) (Formation), eine durch das Auftreten bestimmter Gesteine u. Organismen charakterisirte Epoche der Ablagerung von Gebirgsmassen, z.B. Tertiäre Bildung, s.u. Geologie. 6) (Chem.), das Zusammentreten von Elementen zu chemischen Verbindungen od. einfacher Verbindungen zu zusammengesetzteren, z.B. von Schwefelsäure aus Schwefel u. Sauerstoff, von Benzolsäurehydrat aus Bittermandelöl u. Sauerstoff, von Anisaldehyd durch Destillation von anissaurem Kalk mit ameisensaurem Kalk. 7) (Pädag. u. Gesch.), naturgemäße Entwickelung u. Vervollkommnung der gesammten Anlagen u. Kräfte des Menschen. Sie muß bes. in der Jugend bewirkt werden, weil da der Mensch am bildungsfähigsten ist, u. die Erreichung der höchsten B., harmonische Ausbildung des ganzen Menschen, ist Zweck der Erziehung. Die B. ist entweder körperlich od. geistig. Die geistige B. ist den drei Hauptvermögen der Seele gemäß: intellectuell, d.h. planmäßige Einwirkung auf die B. der Kräfte, die zum Erkenntnißvermögen gerechnet werden; ästhetisch, die das Gefühlsvermögen umfaßt; moralisch, die sich auf die Gesinnungen u. Triebe bezieht. In allen diesen Beziehungen ist sie entweder eine formale B., die anregt, übt u. leitet, od. eine materielle, die mittheilt, belehrt u. anweist. Die erste u. vielfachste B. als Grundlage aller späteren Unterweisung, heißt Elementar-B. Ist die B. verkehrt angewandt u. eine falsche geworden, so heißt sie Verbildung; überschreitet sie die Verhältnisse, Stellung u. Bestimmung des Menschen, u. ist sie dabei seicht u. flach, so heißt sie Überbildung. Anstalten, worin junge Leute entweder im Allgemeinen od. für ein besonderes Fach ihre B. erhalten, heißt eine Bildungsanstalt. Auch ganze Völker gehen aus dem Zustande reiner Natürlichkeit u. Rohheit nach u. nach durch verschiedene Bildungsstufen zur Sitten-, wissenschaftlichen, Kunst- u. moralischen B. (Humanität) über, worüber die Culturgeschichte (s.d.) Auskunft gibt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 784.
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