Marcion

[861] Marcion, geb. in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. in Sinope, wurde nach Einigen wegen häretischer Meinungen, nach Andern, weil er ein Mädchen geschwächt hatte, excommunicirt, ging zwischen 140–150 nach Rom, lebte hier sehr streng, anfangs in Gemeinschaft der Kirche, schloß sich aber nachher an den Syrer Cerdo an u. bildete ein besonders gnostisches System aus. Er nahm nach Einigen zwei, nach Andern drei Principien an, den guten Gott, den gerechten Demiurgen u. die Hyle (das Böse); um die Menschen von dem Joche des Demiurgen zu befreien, ließ sich der Äon Christus in einem Scheinkörper zu Kapernaum nieder u. verkündete den bisher unbekannten guten Gott u. durch ihn die Seligkeit der Gläubigen. Er forderte von seinen Anhängern (Marcioniten), welche sich in Fideles u. Catechumeni theilten, ein streng asketisches Leben, Enthaltung von der Ehe etc. Das A. T. verwarf er als ein Werk des Demiurgen ganz, vomn. T. brauchte er nur ein Evangelium (Evangelium des M.) u. 10 Paulinische Briefe. Das Evangelium des M. war nach Einigen ein, nach seinem System bearbeitetes ursprüngliches Lukasevangelium, nach And. ist es eine von dem Lukasevangelium unabhängige, wiewohl mit demselben nahe verwandte Schrift; nach noch And ist es die Grundlage des canonischen Lukasevangeliums. Seine vorzüglichsten Schüler waren Apelles, Lukianos, Basilius, Blastus, Potitus u. viele Andere, welche sein System in verschiedener Weise weiter ausbildeten, indem sie von den syrischen Gnostikern, Valentianern etc., entlehnten. Die Marcioniten waren zahlreich in Ägypten, Palästina, Syrien etc., hatten eigene Gemeinden, Lehrer u. Bischöfe u. hielten sich unter mancherlei Verfolgungen bis ins 5. Jahrh. Gegen M. schrieb bes. Tertullian in seinem Buche contra Marcionem. Vgl. Hahn, Das Evangelium M-s in seiner ursprünglichen Gestalt, Kgsb. 1823; Ritschl, Das Evangelium M-s u. das canonische Evangelium des Lukas, Tüb. 1846; Hilgenfeld, Über die Evangelien Justins u. M-s, Halle 1850; Volkmar, Das Evangelium M-s, Lpz. 1832 (Text).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 861.
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