Marionetten

[894] Marionetten (v. fr.), Gelenkpuppen von verschiedener Größe, durch welche vermittelst mechanischer Vorrichtungen menschliche Bewegungen nachgeahmt werden können. Werden diese Puppen von unten bewegt, so heißen sie Burettini. Man führt damit zur Belustigung des Volkes theatralische Vorstellungen (Marionettenspiele) auf, wobei mehr od. minder die äußere Einrichtung eines Theaters beibehalten ist, u. die M. durch Draht u. Schnüren durch verborgene Personen geleitet werden, welche zugleich die Dialoge ausführen. Metamorphosentheater wird ein solches Marionettentheater genannt, wenn damit Verwandlungen der M. in andere Gegenstände verbunden sind. Wandernde Marionettenspiele sind solche, wo der unter einem tragbaren Proscenium verborgene Eigenthümer die hohlen M. mit untergestreckter Hand dirigirt. Dabei ist der Hanswurst od. Kasperle die bedeutendste Figur, deren große Gelenkigkeit u. wohl auch derbe Späße die Zuschauer herbeilocken. Man hat auch, am frühesten in Frankreich, kleine witzige Stücke eigens für solche Marionettentheater geschrieben, so: Théâtre de lafoire, Amsterd. 1729, 6 Bde., u. Mahlmanns Marionettentheater, Lpz. 1806. Im verjüngten Maßstabe hat man auch Marionettentheater für Kinder, Schon bei den Alten finden sich Spuren von M., die Griechen nannten sie Neurospasta. In China sind Darstellungen mit M. eine Hauptbeschäftigung der Gaukler. In Italien erhielten sich diese Puppenspiele[894] u. in der Mitte des 17. Jahrh. vervollkommnete der Zahnarzt Bacochi sie so, daß er für den Erfinder der M. galt. 1614 hatte man eine Marionettenoper in Paris, welche viel Beifall fand, u. noch jetzt ist in Mailand das Teatro Girolamo eines der vollkommensten Marionettentheater stehend, während es in Deutschland nur noch als eine Belustigung für Kinder u. die niederen Volksschichten dient.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 894-895.
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