Menschenraub

[134] Menschenraub (lat. Plagium), die rechtswidrige Handlung, wodurch sich Jemand eines Menschen wider dessen Willen mittelst Gewalt od. List dergestalt bemächtigt, daß derselbe dem Schutze des Staates od. derjenigen Personen, welche ihn in der Gewalt haben, entzogen wird. Die römischen Strafbestimmungen über dies Verbrechen, bes. die Lex Fabia de plagiariis, hatte hierbei bes. die widerrechtliche Bemächtigung eines Menschen, um ihn als Sklaven zu halten, im Auge; doch ist das Verbrechen keineswegs allein auf diesen Fall beschränkt u. ist z.B. ebenso da anzunehmen, wo ein Mensch geraubt wird, um ihn in fremden Welttheilen als Colonist unterzubringen, od. ihn zu auswärtigem Kriegs- od. Schiffsdienst auszuliefern.[134] Von der Entführung unterscheidet sich der M. dadurch, daß bei erster als Motiv der Freiheitsberaubung die Befriedigung sinnlicher Gelüste auftritt, u. ebensowenig fällt ein bloßes widerrechtliches Gefangenhalten z.B. in einem Irrenhause darunter, weil hier der seiner Freiheit Beraubte doch nicht in einen solchen Zustand versetzt wird, welcher ihn des Staatsschutzes od. des Schutzes seiner Familienglieder enthöbe. Dagegen läßt sich der Kinderdiebstahl (Kinderraub), welcher etwa an unmündigen Kindern von Gauklern u. Landstreichern verübt wird, um die Kinder bei ihrem Herumziehen zum Dieb od. Bettler heranzuziehen, wohl unter den Begriff des M-es bringen. Auch zeichnen viele neuere Strafgesetze wegen der erschwerenden Rücksichten, die dabei hinzutreten, diesen Fall besonders aus u. stellen dann auch Fälle, bei denen das Kind in anderer Absicht geraubt wurde, wie z.B. um es in einer andern Religion zu erziehen, unter dasselbe Strafgesetz. Die Vollendung des Verbrechens nehmen einige Strafgesetzbücher schon mit dem Moment der Bemächtigung, andere erst mit der wirklichen Versetzung des Geraubten in die beabsichtigte abhängige Lage an. Die Strafe des M-es war nach römischem Rechte, wenn die Beraubung Statt fand. um über den Geraubten als einen Sklaven zu verfügen, der Tod; die gemeine deutsche Praxis hat an Stelle dessen eine willkürliche Freiheitsstrafe gesetzt, welche nach Verhältniß der Größe u. Dauer der Freiheitsberaubung u. der Gefahren, denen der Geraubte dabei ausgesetzt war, in mehrjährigem, nach Umständen lebenslänglichem Arbeits- od. Zuchthaus bestehen kann. Vgl. Tittmann, Beiträge zur Lehre von dem Verbrechen gegen die Freiheit, Meiß. 1806.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 134-135.
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