Vertagen

[526] Vertagen, 1) auf einen gewissen Tag bestimmen od. verlegen; 2) so v. w. verschieben, aufschieben; 3) bes. die Anordnung, wornach die berathende Versammlung ihre Berathungen bis auf Weiteres auszusetzen hat. Bei Ständeversammlungen steht nach deutschem Verfassungsrecht den Regierungen regelmäßig das Recht zu, eine solche Vertagung auszusprechen. Mitunter finden sich aber Beschränkungen dieses Rechtes in der Art, daß eine Zeit bestimmt ist, über welche die Vertagung nicht ausgedehnt werden darf, z.B. im Königreich Sachsen nicht über sechs Monate; od. daß zu längerer u. wiederholter Vertagung während einer Landtagsperiode die Zustimmung der Ständeversammlung eingeholt werden muß, wie z.B. in Preußen die Vertagung nur unter dieser Voraussetzung 30 Tage überschreiten kann. Nach Ablauf des für die Vertagung bestimmten Zeitraumes treten die Stände ohne neue Einberufung wieder zusammen. In der Praxis wird nicht selten die Vertagung als eine Einleitung zu der vollständigen Auflösung der Ständeversammlung gebraucht. Manche Verfassungen geben auch den Ständen ein Recht sich selbst auf einen kurzen Zeitraum (in Hannover auf drei Tage, in Waldeck auf vier Wochen) zu vertagen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 526.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: