Halberstadt-Blankenburger Eisenbahngesellschaft

[74] Halberstadt-Blankenburger Eisenbahngesellschaft. Das Unternehmen der H. besteht aus einer Reihe normalspuriger Eisenbahnlinien, die zum Aufschlüsse des nördlichen Vorharzes und des Hochplateaus des Nordharzes allmählich entstanden sind. (Vgl. die Karte auf S. 117 bei Art. Harzbahnen.)

Die einzelnen Linien sind:


1. Halberstadt-Blankenburg18∙83 km
2. Langenstein-Derenburg 5∙5 km
3. Blankenburg H.-Tanne (gemischte
Reibungs- und Zahnbahn) 30∙5 km
einschließlich der im Jahre 1875
erbauten sogenannten Hüttenbahn
nach dem Hochofenwerk der Harzer
Werke von 3∙4 km Länge, von der
3∙3 km für den Betrieb der
Harzzahnradbahn mitbenutzt werden.
4. Derenburg-Minsleben, als Fortsetzung
der Bahn von Langenstein nach
Derenburg zum Anschluß an die
preußische Staatseisenbahn 6∙6 km
5. Elbingerode West-Drei Annen Hohne
zum Anschluß an die schmalspurige
Harzquer- und Brockenbahn 5∙5 km
6. Blankenburg-Quedlinburg über
Timmenrode, Warnstedt, Weddersleben
zum Anschluß an die preußische
Staatsbahn in Quedlinburg 17∙9 km
7. Timmenrode-Thale 4∙0 km
Außerdem bestehen mehrere dem
öffentlichen Personen- und
Güterverkehr dienende
Verbindungsgleise zur Verbindung
der einzelnen Bahnlinien
untereinander in der Gesamtlänge
von 1∙77 km
Zusammen hat das Netz eine
Betriebslänge von90∙575 km
Hierzu kommen noch einige, nur dem
Güterverkehr dienende
Anschlußbahnen und
Industriebahnen mit zusammen 9∙425 km

[74] die sich teils im Besitz der einzelnen Firmen, teils im Besitz der Halberstadt-Blankenburger Eisenbahn befinden, so daß zurzeit rund 100 km Eisenbahnlinien dem öffentlichen Verkehr dienen.

In Halberstadt, Quedlinburg und Minsleben schließen die Linien der H. an das Netz der preußischen Staatsbahnen an und sind wegen Mitbenutzung der Bahnhöfe Gemeinschaftsverträge abgeschlossen. In Quedlinburg besteht ein eigener Güterbahnhof der H. und wird der Staatsbahnhof nur für den Personenverkehr benutzt. In Thale besitzt die H. sowohl einen besonderen Personen-Bahnhof (Thale Badetal) wie auch einen besonderen Güterbahnhof. Von diesem zweigt die Industriebahn, die Bode mit einer 154 m langen Brücke in Eisenbeton übersetzend, nach dem Eisenhüttenwerke Thale ab.

In Minsleben ist der frühere Güter- und Personenbahnhof nun mit dem Staatsbahnhof Minsleben zu einem Gemeinschaftsbahnhof verbunden. Außerdem fahren die Züge der H. seit 20. Dezember 1913 auf der zweigleisigen Staatsbahnstrecke von Minsleben nach Wernigerode.

In Tanne, dem Endpunkte der Harzzahnradbahn, besteht ein Anschluß an die Südharzbahn (s. Artikel Harzbahnen) und in Drei Annen Hohne ein Anschluß an die schmalspurige Bahn Nordhausen-Wernigerode (s. Art. Harzbahnen). Auf beiden Anschlußstationen findet ein Überladeverkehr von einer Bahn auf die andere statt, und in Tanne werden auch normalspurige Wagen auf Trucks umgesetzt und nach Braunlage und Walkenried befördert.

Geplant ist seitens der H. eine neue vollspurige Fortsetzung der Harzbahn als reine Reibungsbahn von Elbingerode über Elend-Braunlage-St. Andreasberg-Siebe nach Herzberg zum Anschluß an die preuß. Staatsbahnen.

Nach den Staatsgebieten verteilen sich die Linien der H., wie folgt:


in Preußen liegen54∙34 km
in Braunschweig32∙91 km
Baulänge zusammen 87∙25 km

Die Gesellschaft wurde am 27. März 1870 gegründet und konzessioniert. Am 1. März 1873 wurde der Betrieb eröffnet. Als Betriebsleiter wurde der bekannte Eisenbahntechniker A. Schneider gewonnen, der die Vollbahn Blankenburg-Hochofenwerk der Harzer Werke, 3∙4 km lang, die Bahn Langenstein-Derenburg, 5∙5 km, und die vereinigte Reibungs- und Zahnradbahn Blankenburg-Tanne, 27 km lang, erbaute.

Die Linien Derenburg-Minsleben, Blankenburg-Quedlinburg, bzw. Timmenrode nach Thale sowie Elbingerode nach Drei Annen Hohne wurden in der Zeit von 1900 bis 1908 dem Betrieb übergeben.

Das Unternehmen besitzt 10∙0953 Millionen 31/2% Prioritätsanleihen aus den Jahren 1884 bis 1909 (die früheren Anleihen sind bereits getilgt, bzw. zurückgezahlt) und 5∙441 Millionen Stammaktien.

Außerdem haben zu den Bahnbauten beigesteuert à Fonds perdu der braunschweigische Staat 1∙2 Millionen, Gemeinden und Interessenten 542.759 M., so daß am 31. Dezember 1912 in dem Unternehmen 17,289.059 M. investiert waren.

Die Stammbahn Halberstadt-Blankenburg hat bei Steigungen 1 : 100 Halbmesser von 450 m und 18∙83 km Baulänge 2,325.746 M., daher 123.500 M./km gekostet, während die 3∙4 km lange Hüttenbahn nur 55.234 M./km und die Bahn Langenstein-Derenburg mit 5∙5 km 31.550 M./km gekostet hat, allerdings ohne Betriebsmittel.

Die Harzzahnradbahn Blankenburg-Tanne hat bei 26∙7 km Länge 4∙015 Millionen oder 150.000 M./km gekostet.

Die Bahnlinie von Blankenburg nach Quedlinburg mit Abzweigung nach Thale und drei Verbindungsgleisen zwischen den einzelnen Bahnlinien hat bei einer Baulänge von rund 22 km 3,431.672 M. oder 155.985 M./km einschließlich Grunderwerb und Betriebsmittel gekostet, während die Bahnlinie von Elbingerode West nach Drei Annen Hohne bei 4∙466 km Baulänge 440.321 M. Bauaufwand oder 98.594 M./km einschließlich Grunderwerb und Betriebsmittel erforderte.

Der Oberbau sämtlicher Linien der Gesellschaft besteht aus 12 m langen Schienen von 33∙4 kg/m Gewicht, mit Winkellaschen und 6 Bolzen an den Stößen auf eisernen Querschwellen mit 2∙5 m Länge auf den Vorgebirgsstrecken, und 2∙4 m Länge auf der Harzzahnradbahn mit 16 Schwellen, auf 12 m Länge in den Bogen und 15 Schwellen in den Graden. Die Bettung besteht aus Diabasschotter oder Marmorkalkschotter von 30 cm Höhe.

Die Vorharzlinien Halberstadt-Blankenburg-Langenstein-Minsleben, Blankenburg-Quedlinburg-Thale weichen bezüglich ihrer Neigungs- und Krümmungsverhältnisse von gleichartigen deutschen Bahnen nicht wesentlich ab, die Höchststeigungen bis zu 1 : 45 und Halbmesser bis zu 250 m haben. Die Linie Halberstadt-Blankenburg wurde als Haupteisenbahn[75] erbaut und der Kostenersparnis halber später in eine Nebenbahn bezüglich Bewachung der Wegübergänge umgewandelt. Der Zugverkehr erfolgt auf dieser Bahn mit 50 km/St., auf den übrigen Linien mit 40 km/St. Geschwindigkeit.

Eine Sonderstellung nimmt bezüglich des Betriebes die Bahnlinie Blankenburg-Tanne mit 27∙197 km Länge (ohne die Hüttenbahn) wegen ihres Charakters als verbundene Reibungs- und Zahnbahn ein. Diese Linie hat Größtsteigungen von 60 (1 : 16,66) und kleinste Krümmungen von 180 m.

In Strecken mit Steigungen über 25 (1 : 40) ist die dreiteilige Abtsche Zahnstange an 11 verschiedenen Stellen eingelegt.

In zwei Fällen mußte die Zahnstange wegen einer die Bahnlinie schienengleich schneidenden chaussierten Landstraße unterbrochen werden, wodurch kurze, nur 20 m lange Reibungsstrecken zwischen zwei Einfahrtspitzen zu liegen kamen, die dem Lokomotivführer Schwierigkeiten bereiteten. Infolgedessen haben die Aufsichtsbehörden die Durchführung der Zahnstange durch die Straßenkrone gestattet, wodurch die getrennten Zahnstangenstrecken in eine längere Strecke zusammengezogen werden konnten.

Die Zahnbahnlokomotive hat 55.500 kg Dienstgewicht und 43.500 kg Reibungsgewicht, während die Bisselachse mit 12.000 kg hauptsächlich die Vorräte an Kohlen und Wasser trägt. Von den vier Zylindern der Maschine dienen zwei für den Reibungs- und zwei für den Zahnradbetrieb.


Die Zugkraft der Zahnradmaschine beträgt 5.300 kg
Die Zugkraft der Reibungsmaschine 6.000 kg
Zusammen 11.300 kg

Die Lokomotive leistet bei 40% Füllung der Zylinder und 10 km Geschwindigkeit auf 60 Steigung 495 PS. und befördert normal einen Zug von 120 t Bruttogewicht, ausschließlich Maschinengewicht. Mit diesen Lokomotiven wurde zunächst der Schubbetrieb durchgeführt unter Besetzung von 331/3% der Achsen des Zuges als Bremsachsen mit Spindelbremsen, von Hand durch Bremser bedient.

Seit 1907 ist bei den sämtlichen Betriebsmitteln der H. die Niederdruckschnellbremse, Bauart Hardy, mit einem Aufwände von etwa 350.000 M. eingeführt und hat sich unter den schwierigsten Betriebsverhältnissen sehr gut bewährt.

Die H. war bisher die erste Eisenbahn, die ihre gesamten Personen-, Güter- und gemischten Züge mit einer durchgehenden Bremse bis zu einer Länge von 120 Achsen und Gesamtgewichten von 1200 t anstandslos ohne jede Zugtrennung befördert, während die Versuche mit andern Bremsarten zwar inzwischen auch wesentliche Fortschritte zu verzeichnen haben, aber noch immer nicht zu einem Abschlüsse gelangt sind. Mit Hilfe dieser Bremse und der Lokomotivbremse (Gegendruckbremse) wurde der Betrieb der gemischten Reibungs- und Zahnradbahn von Grund aus umgestaltet. Heute werden Züge von 300 t Gewicht auf 1 : 16,66 zu Berg mit einer Lokomotive vorn und einer Maschine hinten mit 45% Hardybremsen und zwei Bremsern gefahren, von denen einer der Zugführer ist, während bei dem alten Betriebe zu dieser Abbremsung mit Handspindelbremsen 10 Bremser erforderlich gewesen wären. Interessant ist hierbei noch der Umstand, daß es in glücklicher Weise durch ein Umstellgestänge gelungen ist, 63% des Gewichtes des beladenen Wagens mit zum Bremsen heranzuziehen und dadurch die Bremswirkung wesentlich höher zu steigern, als wenn man sich gemäß § 131 der Technischen Vereinbarungen mit 90–100% des Raddrucks der gebremsten Räder des leeren Wagens begnügt hätte.

Dieselben schwer belasteten Züge werden mit einer Lokomotive an der Spitze zu Tal befördert und von der Lokomotive aus abgebremst. Der sehr dichte Zugverkehr auf der eingleisigen Harzzahnradbahn, der zeitweise bis zu 40 Einzelzügen am Tage gestiegen war, ist durch Anwendung dieser neuen Betriebsart auf die Hälfte der Züge bei gleicher Leistung des beförderten Bruttozuggewichts gesunken, also wesentlich wirtschaftlicher gestaltet.

Um die Leistungsfähigkeit der Harzzahnradbahn auf den Zahnstrecken zu steigern, werden schwere normalspurige D + 2 Z (4/4 gekuppelte) Heißdampfreibungs- und Zahnradlokomotiven, System Abt, beschafft. Die erste dieser von der Lokomotivfabrik Eßlingen erbauten Lokomotiven wird voraussichtlich 1. August 1914 dem Betriebe übergeben. Diese Lokomotive wird alle Errungenschaften der modernen Technik des Lokomotivbaues besitzen.

Was die kommerzielle Entwicklung der H. anlangt, so hat die Gesellschaft dadurch wesentlich mit zur Ansiedlung von Industrien an ihren Linien im Harz beigetragen, daß sie einen Teil der Anschlußgleise für die sich ansiedelnden Industrien teils gänzlich für eigene Rechnung gebaut hat, teils durch Tragung eines Teils der Kosten erleichtert hat. Dies[76] gilt insbesondere von der Kalk- und Zementindustrie, sowie vom Eisensteinbergbau.

Neuerdings ist bei Elbingerode i. H. neben der Eisenbahn Blankenburg-Tanne ein mächtiges Erzlager erbohrt worden, dessen Förderung der H. große Transporte zuführen dürfte.

Eine Gegenüberstellung der Betriebszahlen in dem Jahre 1874, dem ersten vollen Betriebsjahr nach Eröffnung der Stammbahn Halberstadt-Blankenburg, und dem Jahre 1912, das alle vorhandenen Linien in vollem Betriebe zeigt, gibt am raschesten einen Überblick über die günstige Entwicklung des Unternehmens:


18741912
Die Baulänge der Bahn betrug18∙87 km87∙25 km
Das Anlagekapital betrug2,325.746 M.16,637.220 M.
Durchschnittlich für
das km Eigentumslänge127.578 M.192.094 M.
Zug km wurden geleistet49.385593.583
Durchschnittlich tägl.1351.622
Personen sind befördert79.4061,398.593
Diese haben durchfahren1,232.130 km17,042.200 km
Durchschnittlich jede Person15∙5 km12∙9
Die Personengeldeinnahmen
betrugen47.211 M.467.892 M.
Durchschnittlich für jedes
Personen km3∙8 Pf.2∙75 Pf.
Güter aller Art sind befördert40.659 t916.782 t
t km sind geleistet645.327 km20,680.028 km
Durchschnittlich jede t15∙9 km22∙51 km
Die Güterverkehrseinnahmen
betrugen47.727 M.1,145.962 M.
Für das km mittlerer
Betriebslänge2.529 M.13.134 M.
Durchschnittlich für
1 t km7∙4 Pf.5∙54 Pf.
Die sonstigen Einnahmen
betrugen16.599 M.265.311 M.
Die Gesamteinnahme betrug111.537 M.1,879.165 M.
Für das km mittlerer
Betriebslänge6.354 M.13.940 M.
Die Rücklagen in die
Erneuerungs- und Reservefonds
betrugen67.706 M.
Der Überschuß der Einnahmen,
einschließlich Übertrag aus dem
Vorjahre, über die Ausgaben,
einschließlich Rücklagen in die
Fonds, betrug614.731 M.
Für das km mittlerer
Betriebslänge7.046 M.
Die Dividende für die
Stammaktien betrug4%

Die Betriebsergebnisse betrugen bereits vom Jahre 1883 ab durchschnittlich 4%, für die Stammaktien von 1889–1892 41/2%, von 1893–1896 51/2%, 1897–1899 61/4%, von da ab abwechselnd 5%, 4%, 51/2%, 6%, erst in den letzten Jahren sind infolge des starken Rückgangs der Bauindustrie, Abnahme der Bautransporte in Kalk, Zement, Kohlen u.s.w. die Ergebnisse zeitweise weniger befriedigend gewesen, doch hat sich der Verkehr seither wieder gehoben.

Glanz.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 74-77.
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