Halberstadt [2]

[865] Halberstadt, 1) Kreis des Regierungsbezirks Magdeburg, hügelig u. fruchtbar; 50,900 Ew.; 2) Stadt darin, sonst Hauptstadt des Fürstenthums setzt des Kreises H, Sitz des Appellationsgerichts für einen Theil der Regierungsbezirke Magdeburg u. Erfurt, des Bergamts für den Regierungsbezirk Magdeburg u. Hauptzollamts, an der Holzemme, von Mauern umgeben; hat acht Kirchen, darunter die Domkirche St. Stephan im gothischen Style, mit 32 Altären, Glasmalereien, dem Capitelsaale, in welchem sich die Gemälde aus dem Dome befinden u. andere Alterthümer; das Gymnasium, Schullehrerseminar mit Taubstummenanstalt, Synagoge, höhere Bürger- u. Töchterschule, Ökonomische Gesellschaft, Gewerbeschule, Sonntagsschule für Handwerker, Tabaks- u. Cigarren-, Seifen- u. Wachslicht-, Runkelrübenzucker-, Bleizucker-, Spirtus- u. Cichorienfabrik, außerdem fertigt man meist mittelfeine Tücher, Leder, Handschuhe u. Leinwand; hier auch Gesangverein, Liedertafel, Sammlung deutscher Alterthümer, Schauspielhaus (seit 1812, sonst Kirche des Nonnenklosters St. Niclas), Gleims Grab u. die Bildnisse seiner Freunde im Freundschaftstempel; Rathhaus mit der Rolandssäule, bischöfliche Residenzen, Petershof u. Comisse, jetzt Hauptzollamt, Schützenwall; Halberstädter Eisenbahn, welche als Seitenbahn in die große Bahn von Braunschweig nach Magdeburg mündet; Freimaurerloge: Zu den drei Hammern; 21,000 Ew., darunter über 500 Juden. Dabei die Spiegelberge, hübsche Anlagen, ein Werk des Domherrn von Spiegel, mit dem großen Gröninger Fasse, welches jetzt im Keller des Schlosses liegt. – H. entstand um das im 9. Jahrh. angelegte Stift; 998 wurde es vom Bischof Arnulf neu erbaut u. erweitert u. soll damals Stadtrecht erhalten haben. 1113 wurde H. vom Kaiser Heinrich V, u. 1119 vom Herzog Heinrich dem Löwen niedergebrannt; 1134 hier Reichstag vom Kaiser Lothar gehalten. 1203 wurde es mit Mauern umgeben u. 1347 von dem Grafen von Mansfeld überfallen u. geplündert. 1420 Empörung der Bürger gegen [865] Bischof Johann u. 1425 Einnahme der Stadt durch denselben. In H. soll 1574 Broihahn das erste Bier dieses Namens gebraut haben. Im Dreißigjährigen Kriege wurde H. bald von den Kaiserlichen, bald von den Schweden genommen; Letztere behielten es bis 1648, wo es an Brandenburg kam. Zu Anfang des 18. Jahrh. wurde die Gröpervorstadt jenseit der Holzemme angelegt. Im Siebenjährigen Kriege litt H. viel. Zu damaliger Zeit bildete sich in H. um Gleim ein Literarischer Verein (I. G. Franz, J. F. Lebrün, Eichholz, Streithorst, F. von Kleist, von Fischer, Kl. Schmidt, Nachtigal, Maaß, Augustin, Stubenbrauch), welchen man den Halberstädter Dichterverein genannt hat. Am 30. Juli 1809 nahm hier der Herzog von Braunschweig-Öls ein Regiment Westfalen gefangen; den 30. Mai 1813 nahmen bei H. die Russen unter Tschernitschef einen westfälischen Artillerietrain unter General Ochs. Vgl. F. Niemann, Die Stadt H. u. die Umgegend; Topographisches Handbuch, Halberst. 1824; Lucanus, Wegweiser durch H., Halberst. 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 865-866.
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