Handschuhe

[956] Handschuhe, eine Bekleidung der Hände, theils zum Schutz gegen Kälte, Sonne etc., theils zur Zierde. Der Gestalt nach hat man Fausthandschuhe (Fäustlinge), welche nur für den Daumen eine besondere Bedeckung, für die übrigen vier Finger aber eine gemeinschaftliche haben; Fingerhandschuhe, welche für jeden der fünf Finger eine Bedeckung haben; kurze H., welche bis an die Gegend des Handgelenkes reichen; u. lange H. für Frauenzimmer, welche bis über den Ellenbogen reichen; von diesen hat man H. mit halben Fingern u. ohne Finger, d.h. da, wo die Finger angehen sollten, sind sie offen, ferner Damen- u. Herrenhandschuhe, bei letzteren ist der Daumen mit einem hakenförmigen Zwickel eingesetzt. Bei den Stulphandschuhen ist an der Öffnung ein breiter Streif von sämischgarem Rindsleder angenäht, welcher das Handgelenk deckt; sie werden meist von Cavalleristen u. Reitern getragen. Dem Stoffe nach hat man Pelzhandschuhe, von den Kürschnern von Hamster-, Katzen-, Hunde-, Fuchsfellen gefertigt; dann baumwollene, wollene, seidene, von den Strumpfwirkern od. Strickerinnen gefertigt, diese sind für den Handel von großer Bedeutung. Bei den ledernen H-n unterscheidet man wieder couleurte, farbige H., glasirte (Glacéhandschuhe) u. waschlederne H. (Waschhandschuhe), von weißem od. gelbem gut gethrantem, sämischgarem Leder. Die H. werden von den sogenannten französischen Handschuhmachern, welche das Zubereiten des Leders u. das Zuschneiden der französischen H. verrichten, in eigenen Handschuhfabriken gefertigt. Hiervon sind die englischen, französischen u. neapolitanischen die vorzüglichsten u. werden in Italien, Spanien u. Deutschland stark abgesetzt. Die vorzüglichsten Handschuhfabriken Frankreichs sind in Blois, Vendôme, Niort, Chaumont u. Paris, aber von allen die feinsten werden in Grenoble gefertigt. Die Wiener u. Prager H. haben den französischen H-n den Rang streitig gemacht u. dieselben an den meisten Höfen verdrängt. Preußen, Baiern u. Sachsen leisten in billiger Mittelwaare Vorzügliches. Die dänischen (Raudersehen) H. gehen nach allen nördlichen Gegenden, sie kommen aus der Umgegend von Odense u. werden aus schwedischem Lammleder gefertigt, dessen innere Seite nach Außen gekehrt ist; die parfümirten liefert Frankreich, die seidenen gestickten u. gewirkten Mailand, Como, Schweiz, Tyrol die sogenannten Gemsledernen, welche aus Ziegen u. Lammleder gefertigt u. im Einzelnen verkauft werden. Die gewebten H. sind wollene, baumwollene, seidene, von Leinenzwirn u. gewalkte od. Castorhandschuhe. Wollene H. liefert Bautzen, Brünn, Dux, Teplitz, Oberleutersdorf, Erlangen, Apolda, Jena u. Hanau; baumwollene die Gegend von Chemnitz; gezwirnte derselbe Bezirk; seidene Limbach, Mailand u. verschiedene französische Orte. Die sächsischen Baumwollhandschuhe gehen meistens nach überseeischen Märkten. Die sogenannten Buckskinhandschuhe werden in Chemnitz u. dem nahegelegenen Limbach gefertigt.

Bei der Handschuhfabrikation wird das seine. Leder am besten durch das Schaben (Doliren) der Felle mit dem scharfen Dolirmesser zubereitet; vorher wird es mit Eidotter u. Wasser befeuchtet, od. in ein nasses Tuch geschlagen, wodurch es geschmeidig wird. Das Zuschneiden, zu dem vielerlei Vorrichtungen erfunden worden sind, geschieht gewöhnlich nach einem papiernen Muster aus dem Ganzen, die zwei Haupttheile heißen Handschuhblätter, der Umriß wird mit der scharfen Kante eines Horns vorgezeichnet u. mit dem Werkmesser geschnitten. Dann schneidet man das Loch zu dem Daumen u. die zur Vereinigung der Hälften der Finger bestimmten Streifchen (Fingerstücke, Schichtel u. Zwickel). In neuester Zeit hat man zum Zuschneiden der H. auch Maschinen. Bei dem Nähen (Nadeln) werden zuerst die Schichtel an die obere Hälfte, dann die Zwickel an die untere Hälfte der Finger angesetzt (ersteres heißt einschichteln), dann näht man den Daumen an u. vereinigt beide Hälften, so daß die Fleischseiten gegen einander zu liegen kommen. Feine H. näht man auf der rechten, geringe auf der linken Seite zusammen. Die Maschinen zum Zusammennähen der H. gleichen einem Schraubstock u. haben am oberen Theile jedes ihres messingenen Backens einen messingenen Kamm, dessen unter sich vollkommen gleiche, etwa eine Linie lange Zähne enger od. weiter von einander abstehen. Hierauf werden die H. gedehnt (dressirt) u. die Nähte glatt gerieben, indem der Arbeiter (Dressirer) in die beiden äußersten Finger zwei hölzerne, oben fingerförmig abgerundete Stäbe (Fingerstöcke) steckt u. die letzteren,[956] deren Ende er in der Haud hält, zwischen ein Holz bringt, das aus, über einander befindlichen abgerundeten Scheiben besteht, die immer kleiner gegen die Spitze hin werden; hierdurch wird der Handschuh horizontal ausgespannt u. erhält durch einen langen Stiel mit einem glatten Knopf (Wendespindel), durch Klopfen u. Reiben ein appreturähnliches Ansehen. Zum Glänzen der H. dient pulverisirter Kalk; zum Parfümiren Benzoe, Storax, Ambra etc. In Italien wäscht man die H. mehrmals in Rosen- u. Zimmtwasser u. bestreicht sie, nachdem sie am Feuer getrocknet sind, mit einem wohlriechenden Öle. Aus den Abgängen der ledernen H. siedet man Handschuhleim. Vgl. Bürtel, Anweisung H. zu verfertigen, Lpz. 1829.

Im Morgenlande kommen im Alterthum keine H. vor; was man bei den alten Persern als H. angenommen hat, ist blos eine bis an das Handgelenk reichende Verlängerung der Ärmel am Rocke. Die Griechen hatten in der ältesten Zeit H. (Cheirĭdes) bei der Arbeit, wie deren in der Odyssee dem Laërtes beigelegt werden, um sich bei seiner Gartenarbeit nicht die Hände mit den Dornen zu beschädigen. In Athen zogen nur die Gourmands H. bei Tische an, um sich die Hände, deren man sich damals statt der Gabeln bediente, beim Vorlegen nicht zu verbrennen. Überhaupt galt es bei den Griechen als Weichlichkeit, H. zu tragen, eben so in der ältesten Zeit bei den Römern, aber mit asiatischem Luxus kam auch der Gebrauch der H. nach Rom, u. man hatte an den Tuniken Ärmel, welche bis an die Hand reichten (Chiridotae). Später wurde es gebräuchlich besondere H. (Manĭcae) zu tragen, sowohl zu Haus, z.B. daß man bei etwaiger Kälte nicht am Schreiben gehindert wurde, dann bei der Landarbeit u. Jagd, um sich im Holz u. am Gestrüpp die Hände nicht zu beschädigen (solche H. waren von Leder); auch Soldaten hatten H. zum Schutz gegen die feindlichen Geschosse. In Frankreich kamen die H. zuerst unter Heinrich III. nur als Wirkwaare u. die Lederhandschuhe erst unter Ludwig XIV. auf. In Deutschland trug man seit dem 8. u. 9. Jahrh. allgemein H., Könige, Edle u. Prälaten gestickt u. mit Geschmeide besetzt, Im Ritterwesen galten H. als Symbole der Investitur, der Belehnung u. der Standeserhöhung, auch trugen die Bischöfe H. bei der Celebrirung der Messe. Ritter warfen sich zum Zeichen der Ausforderung einen H. zu, das Aufheben war das Zeichen der Annahme des Kampfes (daher noch jetzt das Sprüchwort: Einem den H. zuwerfen, d.i. mit ihm Streit anbinden). Damen scheinen vor dem 13. Jahrh. keine H. getragen zu haben, dann wurden sie zu Schmuck getragen von Leinwand u. reichten bis an den Ellenbogen, die anderen waren von Leder, die der Ritter mit Eisenschuppen besetzt. Die Industrie der H-fabrikation wurde zuerst im 17. Jahrh. durch französische Flüchtlinge nach Deutschland verpflanzt. In England stieg der Luxus mit H-n, bes. unter der Königin Elisabeth, die sie auf das Reichste verziert u. geschmückt trug. Die Sitte, in Bittschriften ein Paar H. beizufügen, führte zu der Unsitte, dieselben mit Gold u. Silber zu füllen u. so die Richter zu bestechen. Daher kommt vielleicht das Verbot, daß die Richter in England auf dem Gerichtssitz keine H. tragen dürfen, während die Assisen bei Gerichten, die kein Todesurtheil sprachen, jeder von dem Sheriff ein Paar H. erhielten. In England war es auch früh Sitte, daß der Gevatterin ein Paar H. geschenkt wurden, u. statt eines Trinkgeldes gab man dort ein Handschuhgeld. Eiserne H. waren eine Art der Tortur, s.d.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 956-957.
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