Hanau [1]

[921] Hanau, sonst Grafschaft in der Wetterau im oberrheinischen Kreise, bestand aus 16 Ämtern. – Die Herren von H. hatten zuerst ihren Sitz auf der jetzt nicht mehr vorhandenen Burg Wachen-Buchen, dann in H. (Hagenowe) die ersten bekannten sind aus dem 12. Jahrh. Von ihnen erwarb Reinhard I. (st. 1280) 1256 durch Heirath einen Theil von Münzenberg, Assenheim u. Ham, ferner Babenhausen mit 9 Dörfern, auch wurde er Erbtruchseß des Erzstifts Mainz u. verkaufte dem Erzbischof die Grafschaft Bachgau, u. als dieselbe Reinhards Sohn, Ulrich I. (st. 1306) durch Kaiser Rudolf I., wieder erhielt, so entstand Krieg mit Mainz, in dem Ulrich gefangen u. die Grafschaft H. von den Mainzern besetzt wurde. Sein Sohn Ulrich II. (st. 1346), welcher Grumbach u. die Herrschaft Brandenstein erwarb, führte 1339 u. 1343 das Recht der Erstgeburt in H. ein; sein Sohn Ulrich III. (st. 1370) u. Enkel Ulrich IV. (st. 1380) wurden kaiserliche Landvögte von der Wetterau u. vermehrten ihr Land; der blödsinnige Ulrich V., des Vorigen Sohn, stand erst unter der Vormundschaft des Erzbischofs von Mainz, welcher in dieser Zeit H. u. Babenhausen an sich riß. Als dieser aber 1404 die Regentschaft niedergelegt u. Ulrich V. 1419 ohne Mannserben starb, so kam sein Bruder Reinhard II. zur Regierung u. durch die Treue der Hanauer 10. Nov. 1419 wieder in den Besitz von H., wofür er verordnete, daß jedem Hanauer Bürger der Altstadt jährlich ein Maß Wein verabreicht wurde (was bis auf die neuesten Zeiten geschah). Reinhard wurde vom Kaiser Sigismund 1429 zum Reichsgrafen ernannt u. brachte Gelnhausen käuflich an sich. Nach seinem Tode 1451 trennte sich die Grafschaft in zwei Hauptlinien: a) H.-Münzenberg; Stifter derselben war Reinhards ältester Sohn, Reinhard III., der schon 1452 st.; sein Sohn Philipp I. der Jüngere erwarb Neuheim, Eschersheim, Ginnheim, Ortenberg, Homburg vor der Höhe etc.; er unternahm 1464 eine Reise nach Palästina u. st. 1500; dessen Sohn Reinhard IV. erhielt Gelnhausen erblich; aber als pfälzischer Vasall in die Reichsacht gerathen, verlor er Homburg vor der Höhe an den Landgrafen Wilhelm u. st. 1512; unter seinem Sohne Philipp II. (st. 1529) wurde H. erweitert u. unter dem Schutze von dessen Bruder Balthasar die Reformation in H. eingeführt, zu der sich auch Philipps Sohn, Philipp III. 1548, als er majorenn geworden war, bekannte. Dieser verschönerte die Stadt H. u. bekam u.a. auch einen Theil der Grafschaft Rieneck, von der er Titel u. Wappen annahm; auch sein Sohn Philipp Ludwig I., welcher in der Bartholomäusnacht in Paris war u. als Liebling des Admirals Coligny in Lebensgefahr kam, erwarb Dorheim, Schwalheim, Rödchen etc. Nach seinem frühen Tode 1580 kam sein Sohn Philipp Ludwig II. unter die Vormundschaft des Grafen Johann des Mittlern von Nassau, welcher seine Mutter heirathete, denselben in der Reformirten Confession erziehen u. dieselbe in H. einführen ließ. Philipp Ludwig wurde 1596 majorenn, nahm die vertriebnen Niederländer in H. auf, wo er für sie 1597 die Neustadt anlegen ließ, stiftete 1607 das Gymnasium zu H. u. machte mehrere andere nützliche Einrichtungen; er st. 1612, erst 36 Jahre alt. Sein Sohn Philipp Moritz litt mit H. sehr im Dreißigjährigen Kriege; er mußte nach der Schlacht bei Nördlingen fliehn u. konnte erst 1636 wieder zurückkehren, nachdem die Stadt H. von der Belagerung der Kaiserlichen befreit worden war u. er sich mit dem Kaiser ausgesöhnt hatte. Er starb schon 1638 u. sein Sohn Philipp Ludwig III. st. 1641, erst 9 Jahre alt; die Regierung kam nun an Johann Ernst, den Sohn des Grafen Albrecht, des Bruders von Philipp Ludwig II. u. Stifters der Seitenlinie H.-Schwarzenfels; als auch dieser 1642 gestorben war, so kam H.-Münzenberg nach der 1610 gemachten Erbvereinigung an die Linie b) H.-Lichtenberg. Der Stifter dieser Linie war Philipp I. (st. 1480), zweiter Sohn Reinhards II., welcher Babenhausen, die Hälfte von Umstadt u. einen Theil von Hain empfangen hatte; sein Sohn Philipp II. (st. 1504) erhielt von Mainz die Hälfte von Brümet zu Mannslehn; den Antheil an Umstadt verlor Philipp III. (st. 1536), sein Sohn, als Bundesgenoß des geächteten Pfalzgrafen, doch vermehrte er sonst sein Land bedeutend; die Reformation führte in Babenhausen sein aufgeklärter u. trefflicher Sohn Philipp IV. (st. 1590) ein; dessen Sohn Philipp V. (st. 1599) erwarb durch seine Gemahlin Ludovika Margarethe, die Erbtochter des Grafen Jakob von Zweibrücken, die andere Hälfte von Zweibrücken mit Ochsenheim; sein Sohn Johann Reinhard I. (st. 1626) erhielt Lamberg gegen die Grafschaft Bitsch u. machte den Erbvertrag mit H.-Münzenberg. Philipp Wolfgang, sein Sohn, verlor im Dreißigjährigen Kriege Babenhausen an den Erzbischof von Mainz, dem der Kaiser Rudolf bei der Bestätigung des Erbvereins eine heimliche Anwartschaft auf H. gegeben hatte. Philipp Wolfgang residirte gewöhnlich in Buchsweiler, wo er 1641 st.; sein ältester Sohn Friedrich Kasimir, welcher ihm in der Regierung folgte, erhielt 1642 auch H.-Münzenberg (s. oben), u. er schloß 1643 wegen Münzenberg einen Erbvertrag mit Hessen-Kassel; er erhielt 1646 auch Babenhausen von Mainz u. Kloster Schlüchtern von Würzburg zurück. In der Absicht, ein Königreich in Amerika zu errichten, kaufte er von der holländisch-westindischen Compagnie ein großes Stück Land in Guiana u. verfiel dadurch u. durch große Verschwendung in solche Schulden, daß er sein Land an Lothringen verpfänden wollte. Seitdem er sich dem Einflusse des Schwärmers J. J. Becher welcher ihm jene tollen Streiche eingegeben hatte entzog u. dem Rathe seiner klugen. Schwägerin, Anna Magdalena, folgte, regierte er verständig u. gut. Da er 1685 unbeerbt starb, so folgte ihm aa) in H.- Münzenberg Philipp Reinhard, der[921] ältere Sohn seines Bruders Joh. Reinhard, dem bei des Vaters Tode gegen das Erstgeburtsrecht das Amt Lichtenau gegeben worden war; dieser wurde 1696 in den Fürstenstand erhoben u. st. 1712 unbeerbt. bb) In H.-Lichtenberg folgte Johann Reinhard, des Vorigen Bruder, u. 1713 auch in H.-Münzenberg, nachdem er ebenfalls in den Fürstenstand 1696 erhoben war u. das Directorium der Wetterauschen Grafen erhalten hatte. Schon vor der Erlöschung des Hauses H. hatte der eventuelle Erbe, Landgraf Karl von Hessen, dem Kurfürsten von Sachsen die 1625 vom Kaiser Ferdinand erhaltnen u. 1723 erhobnen Ansprüche auf die Reichslehn um 600,000 Gulden abgekauft, u. dessen Nachfolger, König Friedrich von Schweden, hatte, mit des Grafen Johann Reinhard Genehmigung, 1730 ein hessisches Regiment nach H. gelegt, um etwaigen, bei dessen Tode ausbrechenden Unruhen vorzubeugen. Als der Graf 1736 starb u. mit ihm das gräfliche Haus von H. erlosch, so nahm Prinz Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, dem sein Bruder, Friedrich von Schweden, H. abgetreten hatte, Besitz von H.-Münzenberg; H.-Lichtenberg erhielt der Erbprinz Ludwig von Hessen-Darmstadt, welcher des Grafen Johann Reinhard einzige Tochter, Charlotte, 1717 geheirathet hatte, u. nahm es, als elsaßsches Pertinenz, von Frankreich in Lehn. Vgl. Hundeshagen u. Wegener, Geographische Beschreibung der Grafschaft H. u. Geschichte der Herren u. Grafen von H., Han. 1782.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 921-922.
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