Bewegung (Musik)

[157] Bewegung. (Musik)

Wenn man von der Bewegung eines Tonstüks spricht, so versteht man den Grad der Geschwindigkeit, in welcher der Takt nach dem Charakter des Stüks gespielt wird. Jedes Tonstük hat, nach Beschaffenheit der Empfindung die es ausdrükt, einen geschwinden oder langsamern Gang, von dem man drey Hauptarten, den langsamen, den mäßigen und den geschwinden, unterscheidet. Jede Hauptart hat wieder ihre verschiedenen Grade; und der Tonsetzer zeigt den Grad der Bewegung allemal am Anfang des Stüks mit einen italiänischen Wort an. Die geschwinden Bewegungen werden durch Prestissimo, Presto, Allegro assai, allegro di molto, Allegro, Allegretto, die mäßigen durch Andante, Andantino, die langsamen durch Largo, Larghetto, Adagio, ausgedrukt. Von diesen besondern Graden der Bewegung ist unter diesen Namen das mehrere zu finden.

Hier ist überhaupt anzumerken, daß ein Tonsetzer zum richtigen Ausdruk der Musik nicht nur die Gattung der Leidenschaft oder Empfindung, die er vorstellen will, sondern deren besondere Schattirung, nach den Umständen, sich mit genauer Ueberlegung vorstellen müsse, ehe er die Bewegung seines Stüks bezeichnet. Dieselbe Leidenschaft spricht und würkt, nach den Umständen, bald schneller bald langsamer. Ueberhaupt schikt sich zu fröhlichen Leidenschaften die geschwindre, zu zärtlichen die langsamere Bewegung, zu mäßigen aber die gemäßigte. Aber die Heftigkeit einer Leidenschaft läßt oft unbestimmt, ob die Bewegung sehr langsam oder sehr geschwind seyn soll. Der Zorn erfodert eine geschwinde und der heftige Schmerz gar oft eine langsame Bewegung. Dergleichen Umstände müssen genau überlegt werden, damit im Ausdruk nicht gegen die Natur angestoßen werde.

Niemand, als der, welcher ein Stük selbst gesezt hat, ist im Stande den richtigsten Grad der Bewegung desselben anzugeben. Ein kleiner. Grad darüber oder darunter kann der Würkung des Stüks viel schaden thun. So viel Wörter man auch hiezu ausgedacht hat, so sind sie dennoch nicht hinlänglich. Genau könnte die Bewegung durch würkliche Festsetzung der Zeit, in welcher das ganze Stük gespielt werden soll, angezeigt werden. Wer sich ein Verdienst daraus macht ein Stük von einem großen Meister vollkommen vorzutragen, der thut wol, dasselbe in der Art der vorgeschriebenen Bewegung sehr ofte, bald etwas geschwinder, bald etwas langsamer zu spielen und jedesmal genau auf die Würkung desselben Achtung zu geben, damit er hernach bey dem vortheilhaftesten Grad bleiben könne.

Verschiedene sehr gute Anmerkungen hierüber giebt Quanz in seiner Anleitung zur Flöte im XVII. Absch. in der VII. Abtheil. §. 45. u. s. f.

Bewegung. Bedeutet in der Musik auch noch die Fortrükung des Gesanges in den Stimmen in Absicht auf das Steigen und Fallen. Ueber diese Bewegung geben die Tonlehrer verschiedene Regeln, wodurch man die fehlerhafte Fortschreitung durch Quinten und Octaven vermeiden kann. Diese Regeln findet man in dem Artikel Fortschreitung; hier aber werden die Arten der Bewegung erklärt.

Die gerade Bewegung wird die genennt, da zwey Stimmen zugleich steigen oder fallen. Die Seitenbewegung die, da die eine Stimme auf derselbigen Höhe bleibt, die andre aber steigt oder fällt; die Gegenbewegung aber die, da die eine Stimme steigt indem die andre fällt.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 157.
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