Gesims

[472] Gesims. (Baukunst)

Eine aus mehrern Gliedern bestehende Einfaßung an dem obersten, bisweilen auch an dem untersten End einer Mauerwand, oder einer Oefnung. Also sind die Einfaßungen, die in den Zimmern zu oberst an der Deke um die Wände herumlaufen, Gesimse, die den Wänden von oben ihre Einfaßung geben. Wenn die Wände auch unten an dem Fußboden solche, aus mehrern Gliedern bestehende, Einfaßungen haben, so werden sie Fußgesimse genennt. Eine solche Einfaßung, die an einem Haus gerade unter dem Dache herumläuft, wird das Hauptgesims des Hauses genennt.1 Auch die Oefnungen, als Thüren und Fenster, wenn sie ihre völlige Verzierung bekommen, werden oben mit Gesimsen eingefaßt.

Das Gesims dienet zur Begränzung und Vollendung der Theile, die davon ihre Einfaßung bekommen, damit sie als etwas Ganzes erscheinen, wie anderswo deutlich gezeiget worden2: mithin ist es eine wesentliche Verzierung ganzer Gebäude, der Oefnungen, der Wände in Zimmern und freystehender zu bloßer Einschließung eines Platzes dienender Mauren.

Sie werden auf sehr vielerley Arten gemacht. Die vollständigsten Gesimse sind die, welche nach Art der Gebälke gemacht sind, wie die Hauptgesimse der Häuser, und die Gesimse über große Hausthüren, an denen die Oberschwelle die Stelle des Unterbalkens, der darauf folgende Streiffen den Fries, und dann die darüber hervorstehenden Glieder den Kranz vorstellen. Sie können aus vielerley platten und runden, ausgebogenen oder ausgekehlten Gliedern bestehen, deren Anzahl und Verhältnis keinen besondern Regeln unterworfen ist. Sie müssen allemal nach Maaßgebung der Ordnung und des in dem Gebäude mehr oder weniger herrschenden Reichthums ausgesucht werden. Man kann aber aus den verschiedenen Gesimsen, die auswendig und inwendig an den Gebäuden angebracht sind, gar bald den guten oder schlechten Geschmak eines Baumeisters erkennen.3

Einige allgemeine Regeln müssen bey jedem Gesims wol in Acht genommen werden. Seine ganze Höhe, wenn es nach Art eines Gebälks gemacht ist, wird nach den Verhältnissen der großen Gebälke [472] an den Säulenordnungen genommen. Die Gesimse an den Wänden der Zimmer aber, wo sehr selten die Glieder, die den Unterbalken und den Fries vorstellen, angebracht werden, können nach dem Verhältnis des Kranzes am Gebälke gemacht werden, vom zwölften bis zum funfzehenden oder sechszehenden Theil der Höhe der Wand.

Die Menge der kleinen Glieder muß man dabey vermeiden, und die Auslaufungen müssen vom untersten bis zum obersten Glied immer zunehmen. Die ganze Ausladung kann der Höhe des Gesimses gleich seyn, oder gegen sie das Verhältnis wie 3:4, oder wie 2:3 haben.

Die Wandgesimse in den Zimmern werden gegenwärtig so gemacht, daß das oberste Glied nicht unmittelbar an die Deke anschließt; man läßt über dem Gesims eine große Holkehle an die Deke anlaufen. Dieses ist unstreitig besser, als die alte Art; denn ein Gesims kann wegen seiner Auslaufung nichts tragen, sondern alle Last muß auf die feste Mauer gesetzt werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 472-473.
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