Garn

1. Der sich mit ein garn bedeckt, der guckt doch herfür.Lehmann, 181, 16.


2. Es stellt einer offt die Garn vnd fengt doch nichts.Lehmann, 402, 2; 801, 27.


3. Fremdes Garn ist bald abgehaspelt.


4. Garn richten fahet nit vögel, sondern zuziehen.Franck, II, 163a; Henisch, 1358, 53; Gruter, III, 41; Lehmann, II, 234, 8; Steiger, 73; Körte, 1755; Eiselein, 206; Petri, II, 324.


5. Grob garn, grob Tuch.Lehmann, 509, 6.


6. Gut garn, gut Tuch.Lehmann, 509, 6.


7. Hat man grob garn gesponnen, so gibts grob Tuch.Lehmann, 740, 23.


8. Man kann das Garn nicht feiner haspeln, als es gesponnen ist.


9. Man muss das garn nicht verwirren.Lehmann, 715, 7.

Eine Sache nicht ohne Noth erschweren.


10. Man muss das Garn oft aufstellen, eh' man etwas fängt.


11. Mit dem Garn kann man wol Finken, aber keine Falken fangen.


12. Mit Garnen fängt man Vögel, mit Netzen die Fisch, mit Seilen die Hasen, mit list vnd betrug die Leut.Lehmann, 90, 19.


[1340] 13. Offenbare garn schewen alle Vögel.Lehmann, 579, 1.


14. Was einmal im Garn ist, kommt schwer heraus.

Dän.: Hvo som er i garnet, indvikler sig meere. (Prov. dan., 218.)


15. Wenn das Garn zu offen, darf man kein Vöglein zu fangen hoffen.

Lat.: Quae nimis apparent retia, vitat avis. (Ovid.) (Gaal, 580; Philippi, II, 118.)


16. Wenn man die Garne legt, so fängt man keine Vögel, sondern wann man ruckt.Lehmann, 801, 23.

Wenn man ein Geschäft beginnt, kann man noch keine Früchte davon lesen.


17. Wer das Garn zu grob spinnt, kann's nicht in die Nadel bringen.


18. Wer grobes (schlechtes) Garn will spinnen, wird grobes (schlechtes) Tuch gewinnen.

Frz.: A chacun selon ses oeuvres.


19. Wer im garn ist, der verwickelt sich je länger, je mehr.Lehmann, 244, 2.


20. Wer spannt sein Garn für jedermann, für den man sich leicht hüten kan.Henisch, 1358, 54.


21. Wie das Garn, also das Tuch.Henisch, 1358, 56; Gruter, I, 84; Lehmann, 509, 6; Eyering, III, 554; Simrock, 3020; Eiselein, 206 u. 1754; Kirchhofer, 140; Schottel, 1115b; Sailer, 150.

Das Sprichwort liebt diese Form, um denselben Gedanken vergleichend auszudrücken: Wie Abt, so Mönch. Wie Arbeit, so Lohn. Wie Fass, so Wein. Wie Fürst, so Volk. Wie Gärtner, so Garten. Wie Gespinst, so Verdienst. Wie Gras, so Heu. Wie Heiliger, so Opfer. Wie Herr, so Knecht. Wie Hirt, so Schaf. Wie Korn, so Mehl. Wie Lehrer, so Schüler. Wie Saat, so Ernte. Wie Stall, so Vieh. Wie Werk, so Lohn. Wie Wirth, so Gast. – Auch bei andern Völkern. So sagen die Kroaten: Wie Saat, so Schnitt. Die Illyrer: Wie der Bienenstock, so die Bienen. Die Litauer: Wie das Dach, so die Eiszapfen (Tropfen). Die Sardinier: Wie Traube, so Wein. Die Kleinrussen: Wie die Fische, so die Suppe. Die Franzosen: Wie Hauptmann, so Soldat. Der Pole: Wie Herr, so Kram. Die Russen: Wie der Boden, so das Brot. Die Lappen: Wie Milch, so Käse. Der Engländer: Wie Zimmermann, so Späne. (Reinsberg III, 62.)


22. Wie das Garn, so das Hemde.


*23. Daraus lässt sich kein gut Garn spinnen.

Holl.: Ik weet er geen goed garen van te spinnen. (Harrebomée, I, 202.)


*24. Das Garn aufnehmen.

Feierabend machen.


*25. Das Garn aufstellen.Henisch, 1358, 42.


*26. Das Garn auswerffen.Henisch, 1358.


*27. Das Garn in richtigen Gang bringen.

Eine Sache so einleiten, dass sie gehörigen Verlauf hat.


*28. Das Garn inn das Meer werffen.Henisch, 1358, 43.


*29. Das Garn ist gestrickt.Murner, Nb., 62.

Der Plan angelegt.


*30. Das (der) ist in mein Garn gefallen.Henisch, 1358.


*31. Das ist kein Garn von gutem Flachs.

Holl.: Dat garen is maar van snuit gesponnen. (Harrebomée, I, 202.)


*32. Dat goaren es so féul asse Drêite1 (oder: asse Mist). (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 59, 46.

1) Dreck.


*33. Einem das Garn nachhengen vnnd jn lassen darvon kommen.Henisch, 1358, 22.


*34. Einen im Garn fahen.Henisch, 1358, 24.


*35. Einen im Garn haben.


*36. Einen in sein Garn locken (ziehen).Braun, I, 620; Körte, 1755.

Frz.: Empêtrer quelqu'un dans ses filets. (Kritzinger, 265.)


*37. Einen inn das Garn treiben.Henisch, 1358, 26.


*38. Einen ins Garn jagen.Henisch, 1358, 45.


*39. Einen mit einem garn vmbgeben.Henisch, 1358, 28.


*40. Einen nicht aus dem Garne lassen.


*41. Einerlei Garn spinnen.Schottel, 1112a.


*42. Er geht ins Garn.


*43. Er hat das Garn gerochen.Henisch, 1358, 48; Tappius, 89a; Eyering, II, 259; Körte, 1755.


*44. Er hat das Garn übern Kopff.Lehmann, 935, 13.

Von jemand, der etwas thun muss. Man hat dafür auch die Redensarten: Er hat die Reisen über die Ohren. [1341] Er hat das Seil an den Hörnern. Er muss tantzen, wie man jhme pfeifft. Man hat jhme die Saiten hart gespant. Man hat jhn gebeten, wie der Fuhrman seine Ross.


*45. Er hat das Garn vergebens gesteckt.


*46. Er hat jhn fein ins Garn gejagt.Eyering, III, 345.


*47. Er ist ins Garn gegangen.

Betrogen worden.

Frz.: Tomber dans le panneau. (Kritzinger, 503.)


*48. Er ist ins Garn gerathen.

Frz.: Le prendre dans les filets. (Kritzinger, 315.)


*49. Er ist noch ein Garn schuldig.

In der gesellschaftlichen Unterhaltung, z.B. noch ein Spiel, die Erzählung einer Anekdote.


*50. Er ist vor mehr im garn gewesen.Franck, II, 73b.

Er ist ein alter erfahrener Fuchs.


*51. Er ist wol mehr vor dem Garn gewesen. Henisch, 1358, 49; Körte, 1755.

Engl.: He that has been bitten by a serpent, is afraid of a rope.

Lat.: Qui semel est laesus fallac i piscis ab hamo, omnibus unca cibis aera subesse putat.


*52. Er lässt 's Garn auf dem Boden laufen. Tappius, 89a.

Er geht in einer Sache energisch, scharf und ohne Rücksicht auf irgendeine Person vor, sodass das Netz alles nimmt und nichts durchschlüpft. Bei Auerbach (Dorfgeschichten, V, 68) wird die Redensart in dem Sinne: sich lustig machen, gebraucht.

*53. Er spinnt gut Garn.Murner, Schelm., 18.

Redet allen Parteien zu Gefallen. »Das jeder mein', ich red das sein, so würff ich stühl vnd benck drein; noch kann jr keiner das erfarn, vnd meinen all ich spinn gut garn.« (Kloster, I, 849.)


*54. Hai hett sin Liewe1 näu kain geud Gôern spunnen. (Driburg.) – Firmenich, I, 362, 16.

1) Zusammengezogen aus: sin Leawen = sein Leben lang.


*55. Ich will mein garen wol abwinden.Comedia Vgolini.


*56. Im Garn sein.Lehmann, 244, 1.

In Gefahr.


*57. Langes Garn spinnen.

Von weitschweifigen und verwickelten Darstellungen und allerhand Würgebändern in Processen.


*58. Mit einem Garn fischen, das voller Löcher ist.Geiler, Nsch., 21.

»Diese sein nicht anders, dann wann einer mit einem Garn fischet, das voller löcher ist.« (Kloster, I, 341.)


*59. Sich selbst das Garn zum Stricke spinnen.


*60. Sie spinnen einerlei Garn.


*61. Vorm Garn fischen.Schottel, 1112a.


*62. Was für Garn soll man daraus spinnen!

Holl.: Welk garen zal men daarvan spinnen! (Harrebomée, I, 202.)


[Zusätze und Ergänzungen]

63. Eigen Garn auf seiner Winde ist 's beste Angebinde.


*64. Das Garn auf einmal auf den Boden laufen lassen.Auerbach, Dorfgeschichten, III, 279.

Ausgelassen sein, über den Strang schlagen.


*65. Das ist das Garn, das eben abgewickelt (oder gewebt) wird.


*66. Einem auf die Garn sehen.Dietrich, I, 413.


*67. 'S Garn uff'm Boda laufa lan.Michel, 276.

Streng, ohne Rücksicht verfahren.


*68. Kleines Garn spinnen.

Von einer Nonne. – »Die het viel kleines Garns gesponnen, doch lieffs zu zeiten grob mit ein.« (Waldis, IV, 40, 8.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

554 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon