Milch

1. Auf eine kalte milch gehört ein trunk Bier oder Wein.Henisch, 374, 3; Petri, II, 24.


2. Auf süsse Milch gehören keine sauern Bohnen.


3. Aus schlechter Milch werden keine guten Molken.

Böhm.: Když mléko za nic nestálo, jakže syrovátka? (Čelakovsky, 308.)


4. Besser man esse die Milch als die Kuh, vnd die Trauben als die Stöck.Gruter, III, 10.

Schonung des Kapitals. » ... Jedoch ist's besser, jhr esst die Milch, als die Kuh; dann ässen jhr die Reben, so trincken wir nie.« (Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 284.)

Dän.: Bedre at æde melken end koen. (Prov. dan., 55.)

Frz.: Il vaut mieux boire le lait que manger la vache.


5. De Melk balget wal, man se talget nicht. (Lippe.) – Firmenich, I, 270; Simrock, 7017.

Die Milch macht wol einen Balg, einen dicken Leib, aber sie gibt keinen Talg, kein Fett, keine Kraft.

6. Dicke Melk mâket det Harte welk.Schambach, II, 106.

Geronnene Milch macht das Herz welk. Das Volk nimmt an, dass der Genuss dieser Milch eine Erschlaffung des ganzen Körpers zur Folge habe, aus diesem Grunde verwirft man sie und zieht sich Speck (s.d.) vor, der bessere Kräfte gibt. Die Abneigung gegen den Genuss der Milch wird in mehrern Sprichwörtern und an verschiedenen Orten ausgesprochen.


7. Dicke Mialk un söte (süsse) giëwet schwanke Föte1, Plundermialk2 un Wacken3 giëwet stiefe Hacken4*. (Bielefeld.) – Firmenich, I, 282, 16.

1) Schnelle und flinke Füsse.

2) Geronnene Milch.

3) Milchwasser.

4) Steife Fersen.


8. Die Milch allein thut's nicht, man braucht auch Brot zum Einbrocken.Altmann VI, 596.


9. Die Milch ist im Euter, eh's Kalb geboren wird.

In Aegypten sagt man: Noch ehe das Füllen geboren wird, hat Allah das Euter der Stute mit Milch gefüllt.


10. Die Milch muss man für Katzen bewaren, sagt Markolfus.Lehmann, 149, 143.


[657] 11. Ein gereichter Löffel Milch stärkt mehr als ein verheissener Rinderbraten.

Die Finnen: Der gereichte Milchtrank einer (Renthier-) Kuh sättigt mehr als versprochener Braten.


12. Ein Milch ist der andern gleich.Henisch, 1645, 70; Petri, II, 215.


13. Ein Schluck Milch, den man reicht, ist besser als eine Kuh, die man verspricht.


14. Es ist theure Milch, die Fürstenkinder trinken.

Die Russen: Die Milch, die ein Fürstenkind saugt, ist theuerer als alle andere Milch im Lande. (Altmann VI, 489.)


15. Es kompt keine Milch von Hofe, es ist denn eine Maus darinnen ersoffen.Latendorf II, 122; Simrock, 7019.


16. Es wird nicht jede Milch zu Butter geschlagen.Altmann VI, 481.


17. Gemolkene Milch kehrt nicht ins Euter zurück.

Ausgesprochenes Wort lässt sich nicht mehr unausgesprochen machen.


18. Gestohlene Milch frisst des Nachbars Hund.


19. Ich erschrak, weil ich glaubte, die Milch sei vergossen, sagte der Hirt; aber Gott sei Dank, das ist nicht, es ist blos mein Vater gestorben. (Bask.)


20. Ich komme der Milch wegen, aber nicht, um die Kühe zu zählen. (Surinam.)

Ich will geniessen, aber nicht arbeiten; oder: ich will bei der Sache bleiben, alles andere geht mich nichts an.


21. In der Milch ein Frost und in der Blüt' ein Sturm, das thut der Saat so weh wie einer Nuss der Wurm. (Herford.) – Boebel, 134.


22. Keine Milch auf die Fisch', sondern eine Nuss erwisch'.


23. Man muss die Milch so lang stossen, biss Butter darauss wird.Lehmann, 22, 15.


24. Man muss die Milch verdecken, soll der Hund nicht davon lecken.

Böhm.: Nechránĕné mléko i psi loči. (Čelakovsky, 144.)

Kroat.: Pusto mleko i psi loču. (Čelakovsky, 144.)

25. Man muss die Milch von der Leber schweifen.

Nach dem Genuss von Milch wird Wassertrinken als gesund empfohlen.

Böhm.: Splákje mléko z útroby, chceš-li ujíti choroby. (Čelakovsky, 297.)

Poln.: Spłocz mléko z wątroby, chcesz-li ujiść choroby. (Čelakovsky, 297.)


26. Mancher will die Milch verkaufen, eh' er die Kuh hat.


27. Melk up Wîn, dat is Venîn; Wîn up Melk, dat is för elk (jedermann). (Ostfries.) – Bueren, 840; Eichwald, 1298; Hauskalender, I; Kern, 1020.


28. Melk up Wîn, dat lat sîn.Deecke, 15.


29. Melk wat, Water sat. (Lübeck.) – Deecke, 11.


30. Milch auff Wein ist Gifft; aber auff Milch den Wein, dass mag ein Artznei sein.Fischart, Prakt., in Kloster, VIII, 659.

Bovill (I, 219) hat das lateinische Sprichwort: Non sunt pultis aut offae eiusdem vinum et lac, und französisch: Tout dung chauldeau et dune souppe, ne sont vin et brouet pour la goutte. Er gibt den Sinn derselben dahin an, dass eine Verbindung von Wein und Milch, es möge der Wein der Milch oder die Milch dem Wein beigemischt werden, ungehörig sei. Er schliesst mit der Bemerkung: Gelehrte und Ungelehrte passen nicht zusammen.

Dän.: Melk paa viin er venin, viin paa melke er medicin. (Prov. dan., 413.)

Frz.: Lait et vin, tosse fin, vin et lait, tosse fait. – Le lait avec le vin se tourne en venin. (Kritzinger, 409a.)


31. Milch, Fisch vnd Schweinefleisch dient nit zusammen.Petri, II, 473.


32. Söte Milk un Mak, de fott.Eichwald, 1295.


33. Süesse Milch und Weissbrot, das ist mi d'r bitter Tod. (Wurmlingen.) – Birlinger, 1091.


34. Süsse Milch soll man vor Katzen hüten.Eiselein, 462; Braun, I, 2710.


35. Up saüte Mealke kümt sûre (saure). (Büren.)


36. Viel Milch gibt viel Käse.

Die Kroaten sagen: Wenn es so viel Milch gäbe, wie die Lika (ein Fluss Kroatiens) Wasser hat, so gäbe es so viel Käse wie der Zir (ein Berg an der Lika). (Reinsberg VI, 69.)


[658] 37. Von wohlverwahrter Milch naschen die Katzen nicht.

Böhm.: Na přikryté mléko kočky nechodí. (Čelakovsky, 144.)


38. Was man mit der Milch eingesogen, verlässt uns nur mit der Seele.Schlechta, 264.


39. Wenig Milch und wenig Mist gibt die Kuh, die wenig frisst. (Sachsen.) – Boebel, 138; für Waldeck: Curtze, 365, 616.


40. Wenn die Milch in unreinen Topf kommt, wird sie sauer.


41. Wenn keine Milch im Topf ist, wird kein Brei.

Holl.: Als er geene melk in den pot is, kookt de pap niet. (Harrebomée, II, 76b.)


42. Wenn man milch stosst, so macht man butter.Henisch, 574, 42; Petri, II, 668.


43. Wer die Milch bettlet, bedarff keines Kuhhirten.Chaos, 743.


44. Wer in die milch zu brocken hat, der gehet vor.Petri, II, 724; Henisch, 515, 66.


45. Wer mit heisser Milch sich weh gethan, bläst auch kaltes Wasser an.

Die Perser: Wer sich an heisser Milch verbrannt, bläst auch, wenn er sauere trinkt. Da die sauere Milch ein Kühlungsmittel ist, so liegt hier in der Bezeichnung »sauer« auch der als Gegensatz in Betracht kommende Begriff des Kühlen.

Poln.: Kto się na mleku sparzy, ten i na wodę dmucha.

Ruth.: Kto sia na okropi sparyw, toj i na zymnu wodu duje. (Wurzbach I, 238, 136.)


46. Wer mit Milch übergossen ist, den lecken alle Katzen.


47. Wer seine Milch der Katze gibt, kann Wasser trinken.

Kann sein Brot in Wasser tunken, sagen die Russen. (Altmann V, 121.)


48. Wer sich an der Milch verbrannt, bläst auch das Wasser.Kiesewetter, 52.


49. Wie Milch, so Käse (s.d.).


*50. De Melk löppt mi nich mêr ut dem Mund.

Ich bin kein Kind, kein Säugling mehr.


*51. Die Milch ist der Kuh in die Hörner gegangen.Frischbier2, 2630.

Sie hat aufgehört, Milch zu geben. In Litauen heisst es: Die Milch sammelt sich in die Hörner. (Schleicher, 172.)


*52. Die Milch ist von blauen Kühen.Frischbier2, 2631.

Sie ist sehr stark mit Wasser gemischt.


*53. Die Milch sinken lassen.Schöpf, 435.

Den Muth verlieren.


*54. Diese Milch kommt von keiner andern Amme.Parömiakon, 2590.

Das ist der wahre Grund, die Ursache, die Quelle.


*55. Ein Milch der andern gleichet nicht so gar, als der dem ehnlich sicht.Eyering, II, 148.


*56. Entweder Milch oder Rogen.

Holl.: Somtijds hom, somtijds kuit. – Zou het hom of kuit zijn. (Harrebomée, I, 315a.)


*57. Er git weni Milch meh.Sutermeister, 86.

Er wird wenig mehr gelobt.


*58. Er hat keine gute Milch gesogen.Lohrengel, II, 361.

In Westfalen: Hei heat keine guede Mealke soegen.


*59. Er hat mehr in die Milch zu brocken als mancher ins Wasser.Frischbier2, 2632.


*60. Er hat nichts in die Milch zu brocken.

Er ist unbemittelt, es geht armselig bei ihm her.

Lat.: Habet, unde excoquat sevum senex. (Plautus.)


*61. Er hat wol in die milch zu brocken.Franck, II, 58b; Henisch, 516, 1.

Um zu sagen, dass sich jemand im Wohlstand befindet, wofür Franck noch folgende sinnverwandte Redensarten beigefügt hat: Ich sorg nit für dich. Er scharrt nit auf dem Boden. Er hat wol ein Brot zu essen. Er hat sein Dinglein gemacht; alle sämmtlich unter dem lateinischen: Habet unde excoquat sevum, und den Gegensatz zu der Redensart bildend: Er hat weder zu malen noch zu backen. Er könde eim hund nit auss dem ofen locken.

Lat.: Bene loculis, bene scrinio, vel praediues. (Henisch, 516, 2.)


*62. Er lässt die Milch abe.Schmidt, 385.

Er spannt seine Forderungen nicht mehr so hoch.


[659] *63. Er lässt Milch wie eine Melkkuh. (Rottenburg.)


*64. Er meint, er habe Milch im Napfe, so scheint ihm nur der Mond hinein.Körte, 4248c.

*65. Er muss böse Milch gesoffen haben.


*66. Es sihet ein milch der andern nit so gleich. Franck, II, 73b.


*67. He hefft Melk un Mack.

Gute Kost und Ruhe. Mack = Gemach, Gemächlichkeit.


*68. He hefft wat (wol) in die melck tho to krömen (brocken).Tappius, 62a; Schütze, II, 352; Eichwald, 1293; Lauremberg, II, 306; Eiselein, 462; Körte, 4248d; Braun, I, 2707.

Etwas in die Milch zu brocken haben. Ist im Wohlstande, besitzt gute Mittel.

Holl.: Hij heeft wat in de melk te brokken. (Harrebomée, II, 77a.)

Lat.: Habet unde excoquat sevum. (Tappius, 62a; Eiselein, 462.)


*69. He will Melk van de Gört (Grütze) äten, wenn d'r kîn up is. (Oldenburg.) – Firmenich, I, 232, 2.


*70. Hüm steckt (sticht) de Melk.Stürenburg, 259b.

Er ist verliebt.


*71. Jetz geit er die Milch ra. (Hechingen.)

Jetzt gibt er die Milch herab.

*72. Lass die Milch nieder.Eiselein, 462.


*73. Melk aflöten.Eichwald, 1294.


*74. Melk un Mack.Eichwald, 1297.


*75. Milch bringen, wenn 's Kalb todt ist.

Schwed.: Komma med miölken, sedan fölet är dödt. (Grubb, 420 u. 713.)


*76. Milch durch einen Kohlsack seigen.Luther's Tischr., 27b.

Auch russisch Altmann VI, 522.


*77. Milch von Bristol.

So nannte man früher den Xeressect, der von den Bewohnern Bristols besonders gern getrunken wurde. (Reinsberg V, 117.)


*78. Sie haben einerlei Milch getrunken.

An Einer Brust gesogen, sind gleichen Charakters.


*79. Sie hat böse Milch gesoffen. (Pfalz.) – Klein, II, 16.

Von einer bösartigen Frau.


*80. Sie werden die Milch wol niederlassen.Eiselein, 462.


*81. Sö öss wie Melk on Blot derch e Kahlesack gesêgt (geseiht). (Ostpreuss.)

So zart. Ironisch.


*82. Still, es wott a Milch dicke.Sutermeister, 74.

Wenn jemand aufschneidet, übertreibt.


*83. Trink emol Milch druf!Tendlau, 1057.

Zum Beweise, dass deine Behauptung wahr ist. Scherzhafter Einwurf, wenn man das Gesagte nicht glauben will. – Einem alten Juden waren von einem jungen Burschen Gänsegrieben genascht worden. Da derselbe leugnete, so befahl der Alte, er solle Milch darauf trinken, weil nach rabbinischen Vorschriften der Genuss von Milch unmittelbar nach Fleischspeisen untersagt ist.


*84. Wenn er in die Milch sähe, sie würde sauer. (S. Gesicht 221-222.) – Chaos, 523.


[660]

85. Es meint mancher, er hab milch im napff, so scheint jhm nur der Mond darein. (S. Meinen.) – Franck, Paradoxa, 53b.


86. Hab' ich Milch, was kümmert mich die Kuh.


87. Milch, Käss und Butter kommen von Einer Mutter.Brebiss, 147.


88. Milch und Wein bringt das Kind auf den Todtenschrein.

It.: Latte e vino ammazza il bambino. (Giani, 878.)


89. Wer auf fremde Milch warten muss, wird spät Brei essen.

Böhm.: Zle té kaši, co na cizí mléko čeká. (Čelakovský, 49.)


90. Wer gute Milch will, muss ein reines Gefäss mitbringen.


*91. Bei dem wird die Milch schon in der Kuh sauer.Gutzkow, Ritter, I, 148.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Angelus Silesius

Cherubinischer Wandersmann

Cherubinischer Wandersmann

Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«

242 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon