Die Johanniterritter

[270] Die Johanniterritter, welche sich von jeher durch Tapferkeit, Mäßigkeit und Tugenden allgemeine Verehrung erworben haben, und noch jetzt den berühmtesten weltlichen Ritterorden ausmachen, sind im gelobten Lande bei Gelegenheit der Wallfahrten nach dem heiligen Grabe entstanden. Es legten nehmlich im eilften Jahrhundert Kaufleute aus Amalfi in Neapel eine Kirche zu Jerusalem an, und hauten daselbst auch ein Mönchskloster, das sie Johannes dem Täufer widmeten. Die Mönche, die den Namen Johanniter oder Hospitalbrüder führten, waren verpflichtet, Wallfahrende, Kranke und Arme zu verpflegen. Dieser geistliche Orden erhielt bald viel Ländereien, und wurde zu Anfang des zwölften Jahrhunderts von dem Ordensmeister Raymund du Puy mit Beibehaltung des Mönchsordens zu einem weltlichen oder Ritterorden gemacht, dessen Pflichten außer dem Gelübde des Gehorsams, der Keuschheit und der Armuth, noch in der Vertheidigung der Kirche gegen die Ungläubigen bestehen sollten. Auch theilte Raymund die Ritter in drei Classen, in Ritter (die die Waffen führen sollten), Capellane (die Geistlichen) und Serventi dʼArmi oder Waffenträger (Verpfleger der Pilgrimme). Der Orden hielt sich lange Zeit gegen die Waffen der Saracenen und Türken, wurde aber zu Ende des zwölften Jahrhunderts aus Palästina vertrieben. Er eroberte Cypern, verlor es aber wieder, und setzte sich zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts auf der Insel Rhodus fest, die er über zwei [270] hundert Jahre behauptete. Endlich vertrieb aber der Türkische Sultan Soliman II. die Rhodiserritter (so nannte sich damahls ihre Gesellschaft) nach tapferin Widerstande (1522); und sie irrten in verschiedenen Ländern umher, bis ihnen Carl V. 1529 die Insel Maltha, nebst den kleinen Insein Gozzo und Comino, eigenthümlich unter der Bedingung eines beständigen Krieges gegen die Ungläubigen und Seeräuber überließ. Sie setzen den Krieg noch jetzt zur See fort, und sie haben sich nur durch Tapferkeit in verschiedenen heftigen Streitigkeiten mit der Pforte vom Untergange gerettet; im Jahr 1760 wären sie jedoch ohne Französische Vermittelung von den Türken vielleicht ganz bezwungen worden. Jetzt halten sie diese für sehr unbedeutende Feinde, und ihre Streitigkeiten zur See sind nicht selten wahre Spiegelgefechte; auch beobachten die Johanniterritter die ihnen gegebene Vorschrift, wenigstens dreimahl in ihrem Leben gegen die Ungläubigen zu Felde zu ziehen, sehr wenig. Die innere Einrichtung dieses Ordens, der jetzt auch der Maltheserorden genannt wird, beinahe durch ganz Europa verbreitet ist und große Reichthümer besitzt, ist folgende: – An der Spitze desselben steht der Großmeister, der zu la Valetta auf der Insel Maltha residirt, fürstlichen Rang hat, und seine Inseln unumschränkt beherrscht, in Sachen des Ordens aber sein Capitel, das aus acht Ballivi Conventuali besteht, um Rath fragen muß. Die Ritter selbst waren nach den Nationen, bei denen sie sich befanden, in acht Bezirke oder Zungen getheilt: Provence, Auvergne, Frankreich, Italien, Arragonien, Deutschland, Castilien und England; da aber die letztere schon im sechzehnten Jahrhunderte aufhörte, und die drei erst genannten in den neuesten Zeiten durch die Französische Revolution zugleich mit dem gesammten Adel Frankreichs ihre politische Existenz verloren haben, so sind nur noch vier Zungen übrig. Aus den Zungen werden die Ballivi Conventuali gewählt; und die Ländereien dieser Zungen werden in Priorate, diese in Balleien, und die Balleien wieder in Commenden oder Commenthureien getheilt. Das Oberhaupt der Johanniterritter in Deutschland ist der Hoch- und Deutschmeister (gegenwärtig Maximilian, [271] Churfürst von Cölln), welcher Reichsfürst und Landesherr von dem Meisterthum Mergentheim ist, und seine eigentliche Residenz daselbst auf dem Bergschlosse Neuhaus hat. Der Johannitermeister in Deutschland (jetzt ein Graf von Reichenbach Fouxmaigne), welcher die Gerichtsbarkeit über die Ländereien des Ordens in Deutschland, Ungarn, Böhmen, Dännemark, auch über das Heermeisterthum von Brandenburg (dessen Oberhaupt Herrenmeister genannt wird, und worüber verschiedene noch nicht gehobene Streitigkeiten entstanden sind) besitzt, ist Großprior zu Heitersheim im Breisgau, und hat zu Heitersheim seine Residenz. Die Johanniter beobachten außer den angeführten Gelübden die Regel der Augustiner; die Protestanten sind jedoch nicht schuldig, ehelos zu leben. Alle Mitglieder dieser Verbindung müssen von gutem Adel sein. Ihre Kleidung besteht während des Friedens in einem langen schwarzen Mantel; auf der linken Brust hängt ein achteckiges weißes Kreuz, und mitten auf derselben ein goldnes: im Kriege tragen sie einen rothen Gürtel und ein silbernes Kreuz. Bloß in geistlichen Sachen ist dieser Orden dem Papste unterworfen; indeß ist seine Souverainität in weltlichen Dingen in den neuesten Zeiten fast ganz ohne Einfluß, zumahl da das meiste, was er besaß, in Frankreich gelegen war, und mit der Revolution wahrscheinlich unwiederbringlich verloren ist.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 270-272.
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