Johanniterritter

[506] Johanniterritter, Hospitaliter, dann Rhodiserritter und endlich Malteserritter, sind die Mitglieder eines berühmten geistlichen Ritterordens, der im Anfange der Kreuzzüge in Palästina gestiftet wurde. Derselbe entstand aus einem Mönchskloster, welches dem Täufer Johannes zu Ehren und zur Verpflegung von Kranken und Armen, sowie zum Schutze der christlichen Pilger gegen die Ungläubigen 1048 von Kaufleuten aus Amalfi im Neapolitanischen gegründet worden war. Die Mönche dieses Klosters hießen Johanniter- oder Hospitalbrüder und gelangten allmälig durch fromme Stiftungen und Vermächtnisse zu ausgedehnten und einträglichen Besitzungen. Um 1120 wurde dem Orden durch Raimund de Puy eine neue Gestalt gegeben, indem in ihn Ritter aufgenommen wurden, welche nicht nur die Mönchsgelübde ablegten, sondern sich überdies [506] zum Kampfe gegen die Ungläubigen verpflichteten. Die Mitglieder des Ordens wurden in drei Classen getheilt: Ritter, welche die Waffen führen mußten, Kapellane, welche die eigentlichen Geistlichen waren, und Waffenträger (ital. Serventi d'armi), die den Pilgern zur schützenden Begleitung mitgegeben und zur Krankenpflege verwendet wurden. Der Orden dehnte sich immer mehr aus, gewann an Ehre, Macht und Reichthum und Ritter aus den vornehmsten Häusern hielten es für eine Ehre, in ihm aufgenommen zu werden. Zur Zeit seiner größten Blüte dehnte sich der Orden fast über ganz Europa aus und hatte hier fast überall reiche Besitzungen. Sein Oberhaupt war der Großmeister des heil. Hospitals zu St.-Johannes in Jerusalem und Guardian der Armen Jesu Christi, welcher durch freie Wahl zu seiner hohen Würde erhoben wurde. Er hatte seinen Sitz zu Lavalette auf der Insel Malta und hatte ungefähr eine Million Gulden jährlicher Einkünfte, welche er aus den Gefällen der Inseln Malta, Gozzo und Comino und aus der Ordenskammer bezog. Sein Wappen war ein silbernes, achteckiges Kreuz in rothem Felde, über welchem eine Herzogskrone stand, aus der sich ein Rosenkranz um das Wappenschild zog. Unten am Wappenschilde hing ein kleines Kreuz mit der Inschrift »Pro fide« (d.h. für den Glauben). Dem Großmeister zur Seite standen die acht Ballivi conventuali. Der ganze Orden war nämlich nach der geographischen Lage seiner Besitzungen und der nationalen Abstammung seiner Ritter in acht Zungen getheilt. Diese waren: Provence, Auvergne, Frankreich, Italien, Aragonien, Deutschland, Castilien und England. Die Häupter (Piliers) dieser Zungen waren nächst dem Großmeister mit der größten Macht bekleidet, und aus den acht Zungen wurden die Ballivi conventuali gewählt, welche mit dem Großmeister das Capitel bildeten, in dessen Händen die gesammte Gewalt des Ordens lag. Nur in rein geistlichen Sachen erkannten die Johanniterritter den Papst als ihr Oberhaupt an, während sie in weltlichen Angelegenheiten durchaus unabhängig waren. Die weltliche Macht wurde von dem Großmeister und den Häuptern der einzelnen Zungen ausgeübt. Jede Zunge bildete einzelne Priorate; diese waren in Balleien, und die Balleien in Commenden oder Commenthureien getheilt. Das vornehmste Priorat war das deutsche, welches daher Großpriorat hieß und an dessen Spitze der Großprior oder der Johannitermeister von Deutschland stand. Dieser war ein deutscher Reichsfürst und residirte zu Heitersheim, einem Fürstenthume des oberrhein. Kreises. Als Reichsfürst hatte der Großprior Sitz und Stimme im Reichsfürstenrathe, stand aber unter dem Großmeister zu Malta, dem er jährlich ungefähr 170,000 Gulden an Türkensteuern und Responsgeldern zu zahlen hatte. Das Heermeisterthum Brandenburg, Ungarn und Böhmen standen unter dem Johannitermeister; doch bildeten Östreich, Böhmen und Mähren ein fast unabhängiges Großpriorat der deutschen Zunge. Die Ritter waren verpflichtet, wenigstens dreimal gegen die Ungläubigen zu Felde zu ziehen, welcher Verpflichtung sie jedoch später nicht mehr nachkamen. Die Kleidung der Ritter in Friedenszeiten war ein langer schwarzer Mantel; die linke Brust schmückte ein achteckiges weißes, und mitten auf der Brust ein goldenes Kreuz. Im Kriege trugen sie einen rothen Gürtel und ein silbernes Kreuz. Wer als Ritter aufgenommen werden wollte, mußte sich einer strengen Ahnenprobe unterwerfen und Die, welche hierbei aufs vollständigste bestanden, wurden Ritter von Rechtswegen (ital. Cavalieri di giustizia) genannt, während diejenigen Ritter, welchen man wegen ihrer Verdienste bei der Ahnenprobe Nachsicht erwies, Ritter aus Gnaden (ital. Cavalieri di grazia) hießen.

Nachdem sich der Orden mit ungemeiner Tapferkeit eine Zeit lang gegen die Ungläubigen in Palästina vertheidigt hatte, mußte er dieses Land endlich 1191 räumen. Hierauf eroberte er Cypern, welches er jedoch auch wieder herausgeben mußte. Nun wurde Rhodus Hauptsitz des Ordens, welches derselbe von 1309–1522 mit ungemeiner Tapferkeit im Kampfe gegen die Türken behauptete. Kaiser Karl V. überließ ihm endlich 1530 die Inseln Malta, Gozzo und Comino unter der Bedingung eines fortwährenden Kampfs gegen die Ungläubigen und Seeräuber und der Rückgabe jener Inseln an Neapel, wenn den Rittern die Wiedereroberung von Rhodus gelänge. Der Sultan Soliman II., welcher die Ritter von Rhodus vertrieben hatte, griff sie auch in Malta an, aber unter ihrem tapfern Großmeister Lavalette, gest. 1568, schlugen sie 1565 die Türken zurück. welche mit großer Macht gekommen waren. In Macht und Ansehen bestand der Orden bis 1760, seit welcher Zeit er zu sinken begann und nur durch den Schutz Frankreichs gehalten wurde. Als Bonaparte 1798 Malta plötzlich angriff, übergab der Commandant Bosredon in Folge einer verrätherischen Capitulation alle Festungswerke, und der Großmeister Hompesch, der erste Deutsche, welcher diese Würde bekleidete, wurde, nachdem er eine harte Behandlung hatte erfahren müssen, nach Triest eingeschifft. Hompesch protestirte feierlich gegen dieses Verfahren und legte darauf seine Würde nieder, weil der Orden den Kaiser Paul I. von Rußland zum Großmeister wählen wollte, um unter dessen Schutz wieder zu Macht zu kommen. Im Jahre 1800 setzten sich die Engländer in Besitz der Insel, und obschon im Frieden von Amiens 1802 festgesetzt wurde, daß die Insel dem Orden zurückgegeben werden sollte, so lieferte sie England nachmals doch nicht aus und behauptet sie noch jetzt. (Vgl. Malta.) Schon im 16. Jahrh. hatte sich die Zunge England vom Orden losgerissen; während der Revolution gingen die Zungen Frankreich, Provence und Auvergne ein; nach dem Frieden von Amiens trennte sich Castilien und Aragonien, auch die ital. und deutsche Zunge erlosch, das Fürstenthum Heitersheim fiel an dem Großherzog von Baden; im pariser Frieden von 1814 wurde England im Besitze von Malta bestätigt; in Preußen wurde seit 1810 der Orden aufgehoben, und so ist von dem einst so mächtigen Orden nichts mehr übrig, als das Großpriorat von Böhmen und zwei Großpriorate in Rußland. Der König von Preußen hat zur Erinnerung an den Orden 1812 den Johanniterorden gestiftet, dessen Protector der König ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 506-507.
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