Böhme

Böhme

[278] Böhme (Jak.), ein durch seine mystisch-religiösen Schriften berühmter Schuhmacher, geb. 1575 zu Altseidenberg bei Görlitz, war der Sohn wenig begüterter, aber gottesfürchtiger Bauersleute.

Sie hielten ihn zur Frömmigkeit an, ließen ihn, obgleich sehr spät, im Schreiben, Rechnen und im Christenthume unterrichten und dann das Schuhmacherhandwerk lernen. Da bei dieser Lebensbestimmung B.'s ausnehmende Geistesfähigkeiten aller Anwendung nach außen entbehrten, so wendeten sie sich, von seiner bis zur Überspannung reizbaren Einbildungskraft und von tiefem Gefühl für religiöse Dinge begünstigt, zur innerlichen Anschauung des Überirdischen. Schon in der Jugend, wo er das Vieh hütete, glaubte er außerordentliche Gesichte gehabt und z.B. den Schatz gesehen zu haben, welchen die Volkssage in der Landskrone, einem bei Görlitz einzeln liegenden Berge, verborgen sein läßt. Später hielt sich B. der besondern Annäherung des Geistes Gottes und mehrmals göttlicher Offenbarungen gewürdigt, lebte aber dabei immer still und bescheiden für sich, las viel in der Bibel, besonders in der Offenbarung Johannis und nahm keinen Theil an den in jener Zeit religiöser Aufregung häufigen Streitigkeiten. Nach vollbrachter Wanderschaft war er nach Görlitz zurückgekehrt, wo er 1594 Meister wurde und eines Fleischhauers Tochter heirathete, mit der er 30 Jahre in zufriedener Ehe lebte. Endlich vermochten ihn wiederholte Verzückungen und Gesichte, 1612 seine erste Schrift niederzuschreiben, welche er »Aurora, oder die Morgenröthe im Aufgange« nannte und die seine Offenbarungen und Anschauungen über Gott, Menschheit und Natur enthält. Bei der Mangelhaftigkeit des Unterrichts, welchen B. genossen hatte, ist der Tiefsinn und die poetische Kraft doppelt zu bewundern, welche sich darin, sowie in seinen spätern Schriften kund gibt; es fehlt ihnen aber auch nicht an Dunkelheiten und Täuschungen, denen der Verfasser unterliegen mußte, da ihm die höhere Bildung abging, um mit seinen Ideen ins Klare zu kommen und sich überhaupt Rechenschaft davon geben zu können. B. war mit einigen Gelehrten in Verbindung gekommen, durch welche seine »Aurora« handschriftlich bekannt wurde und ihm die ersten Anfeindungen von Seiten der Geistlichkeit in Görlitz zuzog. Dadurch wurde aber die Aufmerksamkeit erst recht auf ihn hingelenkt und angesehene Personen von nah und fern suchten nun seine Bekanntschaft, foderten ihn zum fernern Niederschreiben seiner Gedanken auf und unterstützten ihn auch wol später, da er bei seinen anderweitigen Bestrebungen mit dem Gewerbe zurückkam. Indessen schrieb er doch erst seit 1619 seine übrigen Werke, die sich der Zahl nach auf 30 belaufen. Abgesehen von ihren zahlreichen Irrthümern und einer Darstellung, welche befangene Leser leicht zu Schwärmerei verleitet, verdient ihre streng sittliche und religiöse Richtung vollkommene Anerkennung und fand sie zum Theil noch bei B.'s Lebzeiten, der 1624 nach Dresden berufen wurde und selbst am Hofe Schutz und Beifall fand. Allein noch im nämlichen Jahre starb der äußerst schwächliche B. in Görlitz und seine letzten Worte waren: »Nun fahre ich hin ins Paradies«. Seine Beerdigung gab noch zu Mishelligkeiten mit der Geistlichkeit Veranlassung, von seinen Werken aber erschienen bis auf die neueste Zeit Gesammtausgaben. Philosophen und Theologen aller europ. christlichen Völker haben sich vielfach mit ihnen beschäftigt, und sie wurden von Schwärmern, wie z.B. Joh. Georg Gichtel, selbst höher als die Bibel geachtet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 278.
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