Chlopicki

Chlopicki

[417] Chlopicki (Joseph), Dictator von Polen zu Anfang der im Nov. 1830 in Warschau ausgebrochenen Revolution und einer der ausgezeichnetsten poln. Generale neuester Zeit, geb. 1772 zu Warschau, ging frühzeitig in Kriegsdienste und wurde schon während des poln. Unabhängigkeitskrieges von 1792–94 wegen seiner Tapferkeit von Kosciuszko (s.d.) ausgezeichnet.

Er war auch unter den Ersten, welche 1797 Dombrowski's (s.d.) Aufrufe folgten und dessen ital. poln. Legionen bilden halfen, zeichnete sich wiederholt rühmlich aus und focht 1807 in den Schlachten von Eylau und Friedland als Oberst des ersten Infanterieregiments von der [417] Weichsel. Hierauf ging er als Befehlshaber der Weichselbrigade nach Spanien, wo er bei dem Sturme von Saragossa und vielen andern Gelegenheiten die höchste Tapferkeit und zugleich ungewöhnliche Feldherrntalente bewährte, franz. Brigadegeneral wurde und den Grund seines kriegerischen Ruhmes legte. Das Jahr 1812 rief auch ihn von dort ab und zum Kampfe gegen Rußland, in dem er bei Smolensk und Mosaisk verwundet wurde und nach seiner Herstellung den franz. Fahnen bis zur ersten Abdankung Napoleon's folgte. Dann aber kehrte C. auf besondere Einladung des Kaisers Alexander nach Polen zurück und trat als Divisionsgeneral in die poln. Armee, in der er ungewöhnlich beliebt war und fortwährend blieb, ungeachtet er weit mehr mit den Russen verkehrte als andere poln. Generale. Bei einer Heerschau auf dem sächs. Platze in Warschau erklärte er jedoch in Folge einer beleidigenden Äußerung des Großfürsten Konstantin über C.'s schlichten Mantel, daß er seinen auf dem Schlachtfelde erworbenen Rang nicht hier herabwürdigen wolle, und nahm seinen Abschied. Da er ohne Vermögen war, lebte C. mit seiner Familie fortan sehr zurückgezogen und war zu nichts weniger als zum Eingehen auf die Pläne Derer zu bewegen, welche die poln. Revolution von 1830 vorbereiteten. Der Ausbruch derselben überraschte ihn daher und er hielt sich sogar anfangs verborgen, um dem Verlangen der Soldaten und des Volkes nicht entsprechen zu müssen, die ihn an die Spitze der Bewegung stellen wollten. Bald übernahm er jedoch den Oberbefehl des Heers und erklärte sich am 5. Dec. zum Dictator, hauptsächlich in der Absicht, das Königreich Polen (s.d.) mit dem Kaiser von Rußland wieder zu versöhnen, denn es war seine später öffentlich ausgesprochene Überzeugung, daß er des Vaterlandes Rettung nur auf diesem Wege für möglich halte. Am 20. Dec. legte er seine Gewalt in die Hände des versammelten Reichstages nieder, der ihn am 23. von Neuem damit bekleidete; allein bald steigerte C.'s unentschiedenes Benehmen die schon vorhandene Unzufriedenheit so, daß er am 17. Jan. 1831 die Dictatorwürde niederzulegen genöthigt wurde. Auch den Heerbefehl lehnte er ab, wenn er ihm nicht unbeschränkt übertragen werde, und trat ins Privatleben zurück; als jedoch später Stimmen laut wurden, welche ihn des Verraths beschuldigten und zur Rechenschaft gezogen wissen wollten, ließ er sich anfangs Febr. als Freiwilliger in die Armee aufnehmen und unterstützte den mit dem Oberbefehl bekleideten Fürsten Radziwill in den blutigen Schlachten bei Wavre am 19. und bei Grochow am 20. Febr. mit seiner Kriegserfahrung, während er zugleich dem Heere ein Beispiel bewundernswerther Tapferkeit gab, daher ihm die meisten Ansprüche auf den Ruhm dieser Tage gebühren. Als er aber während des fortgesetzten Kampfes vor Praga am 25. Febr. Nachmittags, an der Spitze eines Regiments einen Angriff ausführen wollte, verwundete ihn an einem Arme und Fuße eine Granate, und er ward deshalb nach Warschau zurückgebracht, von wo er sich zur Heilung seiner Wunden nach Krakau begab, das er auch zu seinem fernern Aufenthalt wählte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 417-418.
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