Krätze

[660] Krätze ist ein fieberloser, ansteckender, als Blattern oder Bläschen erscheinender Hautausschlag, der am gewöhnlichsten in den Zwischenräumen der Finger, an den Handwurzeln und in den Beugungen der Ellenbogen-, Knie- und Fußgelenke, zuweilen aber auch, mit Ausnahme des Gesichts, über den ganzen Körper verbreitet vorkommt und von einem lästigen, zur Sommerszeit, in der Bettwärme und nach dem Genusse geistiger Getränke zunehmenden Jucken und Fressen in der Haut begleitet wird. Man unterscheidet eine trockene und feuchte oder fette, eine wahre und falsche Krätze. Die trockene besteht in sehr kleinen, wenig entzündeten und in ein durchsichtiges, weißliches Bläschen sich zuspitzenden, harten und rothen Hautknötchen, die, wenn sie nicht aufgekratzt werden, vertrocknen und nach Abschuppung der Haut spurlos verschwinden. Die feuchte oder fette Krätze zeigt sich in der Form von einzeln stehenden, am Grunde mäßig entzündeten, erhabenen, eine gelbe Materie enthaltenden Pusteln, die nach 2–3 Tagen reisen, dann aufbrechen und nun unter Zunahme der Entzündung, des schmerzhaften Juckens und unter Verbreitung eines eignen, widrigen, schimmlichen Geruches eitern und schwären, oder sie kommt in der Gestalt von entzündungslosen, ziemlich großen, von einer durchsichtigen Feuchtigkeit angefüllten Bläschen zum [660] Vorschein, die hier und da mit Pusteln untermischt sind, ebenfalls heftig jucken, nach einigen Tagen bersten und theils nach Bildung eines kleinen Schorfes heilen, theils erst nach vorheriger Verwandlung in eiternde Pusteln oder Geschwüre zur Heilung gelangen. Die in Juckblätterchen, Juckgeschwürchen bestehende sogenannte falsche Krätze unterscheidet sich dadurch, daß sie nicht ansteckt, überall an der Oberfläche des Körpers, das Gesicht nicht ausgenommen, zum Vorschein kommt, Abends und in der Bettwärme nicht mehr juckt als am Tage und oft von sehr kurzer Dauer ist. Die wahre Krätze entsteht immer nur durch Ansteckung, die sich jedoch nicht durch die Luft, sondern nur durch unmittelbare Berührung, sowie durch den Gebrauch von Kleidungsstücken, Wäsche und Betten Krätzkranker mittheilt, und durch Unreinlichkeit und Vernachlässigung der nöthigen Hautpflege begünstigt wird. Doch gibt es Personen, die so wenig Empfänglichkeit für den Ansteckungsstoff der Krätze besitzen, daß sie sich der Ansteckung auf alle Art aussetzen können, ohne angesteckt zu werden. So scheinen auch manche Professionen gegen sie zu schützen, wie z.B. die der Bäcker, Müller, Gerber, Färber, Seifensieder, Branntweinbrenner, Wäscherinnen, während wieder andere, wie die der Wollarbeiter und Schneider, eine besondere Anlage für sie begründen. Ob ein Thier, die sogenannte Krätz milbe, als die eigentliche Ursache des Krätzausschlages betrachtet werden müsse, ist noch unentschieden. Die Krätze ist zwar eine lästige, ekelhafte Krankheit, die wol kaum jemals von selbst heilt, sondern immer eine angemessene ärztliche Behandlung erfodert, aber an sich gefahrlos, und wird, wenn sie nicht schon veraltet ist, leicht geheilt, kann jedoch freilich den Menschen mehrmals befallen. Dagegen trotzt die veraltete, insbesondere die trockene, oft sehr lange allen Heilmitteln und führt mit der Zeit eine schlechte Säftemischung, Anschwellungen von Drüsen und Baucheingeweiden, Abmagerung des ganzen Körpers, schleichendes Fieber, Wassersucht u.s.w. herbei. Einem so übeln Ausgange der Krankheit sind vorzüglich Kinder, sehr alte Leute, wie überhaupt geschwächte Menschen ausgesetzt. Die gefährlichsten Folgen hat eine plötzliche, durch Erkältungen, erschütternde Gemüthsbewegungen oder Hinzutritt fieberhafter Krankheitszustände veranlaßte Unterdrückung oder allzu rasche, durch unvorsichtige Anwendung blos äußerlicher Mittel herbeigeführte Vertreibung des Ausschlages, Folgen, die mitunter selbst durch Wiederherstellung des Ausschlages nicht ganz gehoben werden können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 660-661.
Lizenz:
Faksimiles:
660 | 661
Kategorien: