Mai

[24] Mai, der fünfte Monat unsers bürgerlichen Jahres, hat 31 Tage und bekam von Karl dem Großen als die reizendste Zeit im Jahre den Namen Wonnemond. Fällt das Osterfest nicht gar zu spät im April, so fällt Pfingsten immer im Mai. In frühern Zeiten gab der Mai Veranlassung zu vielen Freudenfesten, bei denen der Anbruch der schönen Jahreszeit mit Gesang und Tanz gefeiert wurde, wie das auch. noch hin und wieder auf dem Lande bei dem sogenannten Maitanz und Pfingstbier geschieht. Auch pflegen am 1. Mai oder zu Pfingsten die Wohnungen mit grünen Zweigen, gewöhnlich von Birken, geschmückt zu werden, die davon Maien heißen, und im Mittelpunkte der ländlichen Tanzplätze werden oft ganze Bäume als Maien aufgepflanzt. Treten im Mai noch späte Nachtfröste ein, so wird dadurch oft in einer Nacht die Aussicht auf eine reiche Obst- und Getreideernte vernichtet; wie aber das Wetter im Mai gewünscht wird, besagen die alten Reime: »Ein kühler Mai, bringt guten Wein und macht viel Heu«, und »Der Maien kühl, Brachmonat naß, füllen die Scheuern und das Faß.« – Maiblumen heißt eine allgemein bekannte, in den Laubhölzern Deutschlands häufig wachsende Gattung Zauken, weil sie im Mai ihren, eine Spanne hohen nackten Blütenschaft treibt, an dem die kurzgestielten weißen, glockenförmigen, herabhängenden, niedlichen und sehr wohlriechenden Blüten sitzen, weshalb sie mit Weingeist und Essig (Maiblumenessig) ausgezogen werden. – Bei den alten Franken erhielten die im 8. Jahrh. von Pipin, dem Vater Karl's des Großen, in den Mai verlegten allgemeinen Volksversammlungen unter freiem Himmel den Namen Maifeld, wie sie vorher, wo sie im März stattfanden, Märzfelder geheißen wurden. Der König erschien dabei mit seinem Hofe, desgleichen die Bischöfe, die Großen und das bewaffnete Volk; es wurden dem Könige Geschenke und freiwillige Gaben dargebracht, die sich später zu Abgaben gestalteten, ferner Berathungen über die öffentlichen Angelegenheiten, über Krieg und Frieden gepflogen, wobei Stimmenmehrheit entschied, und die streitbaren Mannschaften gemustert; auch wird es nicht ohne allerlei Festlichkeiten abgegangen sein. Schon Karl der Große verordnete aber, daß jeder Graf nur 13 Schöppen oder ebenso viel der angesehensten von seinen Unterthanen zur Versammlung als Vertreter des Volks mitbringen solle, und so verminderte sich denn allmälig die Zahl der dabei Anwesenden. Die volksthümliche alte Sitte nachahmend, veranstaltete Napoleon nach seiner Rückkehr von Elba am 1. Jun. 1815 unter großer Feierlichkeit eine Art Maifeld auf dem Champ de Mars (Marsfeld) zu Paris, einem sehr großen, von Alleen umgebenen Platze, welcher zu den Übungen des Militairs und zu Volksfesten benutzt wird. Um seine zweite Thronbesteigung vor Europa als rechtmäßig erscheinen zu machen, ließ er sich hier feierlich durch die Wahl des Volks als Kaiser bestätigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 24.
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