Dettin, Clara

[116] Dettin, Clara, Clara. Herzog Albrecht von Baiern war wenige Jahre nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, der unglücklichen Agnes Bernauerin (s. d.), eine zweite Verbindung mit der schönen Anna von Braunschweig eingegangen. Wie auch sein Schmerz, in der ersten Zeit nach dem Verlust der Geliebten, einer Versteinerung gleich, jeden Trost von sich gewiesen hatte, das Schicksal seines Landes, die Reue seines greifen Vaters mußte ihn endlich rühren, und der herrlichen Kunst, die mit seligen Tönen die dunkeln Klänge des Hasses und der Rache beschwor, blieb der Sieg, den eisernen Schmerz seiner Seele, ihn in die weiche Wehmuth tröstlicher Thränen schmelzend, verklärt zu haben. Darum aber auch liebte Albrecht die Musik als den sänftigenden, versöhnenden Engel seines früh umnachteten Lebens, und es blieb ihm bis an sein Ende die liebste Erholung, sich durch die süßen Wunder der Töne seiner Jugend bunte Bilder und die Erinnerung an seine Agnes zurückzaubern zu lassen. Anna von Braunschweig kannte diese schöne Seite seines Gemüths und ehrte jene wunde Stelle im Herzen ihres Gemahls, zu dessen Erheiterung die Edelfrauen ihres Gefolges durch Gesang und Musik häufig mitwirken mußten. Am liebsten aber lauschte Albrecht den seelenvollen Liedern eines Mädchens, dessen holde Anmuth ihm das Andenken seiner Agnes lebhaft zurückrief, denn Clara Dettin besaß außer dem Schmelz ihrer wunderbar[116] klangreichen Stimme, die blauen Augen, das goldene Haar, und auch die zarte Weiblichkeit, die unwiderstehliche Liebenswürdigkeit derjenigen, die in den Wogen der Donau ihr junges Leben ausgehaucht hatte. Clara Dettin war die Tochter eines geschickten Goldarbeiters in Augsburg, durch die Huld der Herzogin in die Reihe ihrer Edelfrauen aufgenommen, und ihres Standes ungeachtet als eine Tochter behandelt worden. – Von dem reichsständischen Tage zu Bamberg kehrte Herzog Albrecht nach München zurück, mit ihm kam Kurfürst Friedrich von der Pfalz, des Herzogs Freund und Waffenbruder, ein hohes Muster ritterlichen Sinnes und Handelns, ein Bild der kraftvollsten Männlichkeit. Er hatte als Pfalzgraf die Vormundschaft über seinen Brudersohn Philipp übernommen und Anfangs nur im Namen dieses Kindes das Kurfürstenthum verwaltet, war aber von dem Drang der Zeitereignisse, die durch Deutschland stürmten, genöthigt worden, die Kurwürde selbst zu übernehmen; um aber dem künftigen Stamm seines Mündels, dessen einstige Verbindung mit der jungen Erbin von Katzenelnbogen bereits abgeschlossen war, nicht durch eigene Nachkommenschaft das Erbe zu entziehen, wollte der 26jährige Friedrich seine eigenen Ländereien mit der Pfalz vereinigen und sich zu lebenslänglicher Ehelosigkeit verpflichten. Friedrich hatte von Clara's wunderbarer Kunst gehört, und der Herzog verstattete seinem Gaste um so lieber den Genuß eines ihrer Lieder, da die Saiten seines eigenen Herzens in wehmüthigen Anklängen der holdesten Erinnerung sich erregt fühlten. Von der Sängerin ungesehen, hörten die Fürsten den einfachrührenden Gesang, das Lied vom treuen Sinne; der Herzog von tiefer Wehmuth ergriffen, der Kurfürst von dem innigen Gefühle des Vortrags zur höchsten Gewalt der Leidenschaft hingerissen. So trat er hervor, ergriff die Hand der Jungfrau und sein flammendes Auge berauschte sich immer tiefer in Clara's hocherglühtem Antlitz. In der Bewußtlosigkeit der jungfräulichen Beschämung fiel ihr gar noch nicht auf, daß der Kurfürst an[117] ihren Finger einen kostbaren Ring gesteckt hatte, und eben war sie in Nachdenken darüber versunken, als er selbst zu ihr eintrat; mit heiligem Ernst beschwichtigte der hohe, kräftige Mann zum ersten Male die sanfte Gewalt der Liebe fühlend, den Sturm der Gefühle, und die milde Rührung in Clara's Auge, das von der Erde zu seinem festen, innigen Blicke sich erhob, bestätigte ihn in dem edeln Vorsatze, seine und Clara's Zukunft festzusetzen. Der Kurfürst faßte den Plan, seine Geliebte in einen höhern Stand erheben und sie dann öffentlich an seine linke Hand sich antrauen zu lassen; dagegen stimmten der Herzog und Friedrich's Kanzler und Freund, der ehrwürdige Matthias von Kemnat, Clara selbst weigerte sich entschieden, einen andern Namen gegen den einzutauschen, unter dem sie ihres Friedrich's Liebe gefunden hatte. – Siebzehn Jahre dauerte das Band der treuesten Zärtlichkeit zwischen Clara und Friedrich dem Siegreichen; über allen Tadel durch Tugend, Milde und Menschenfreundlichkeit erhaben, blieb sie noch immer die züchtige Clara Dettin, die fromme, holde, demüthige und bescheidene, von Dichtern gepriesen. Der Kurfürst aber legte ein öffentliches Zeugniß der Gesetzlichkeit seiner Verbindung ab; als der Tod ihres ältesten Sohnes die Mutter tief betrübte, erkannte die Inschrift auf dem Grabe des Knaben denselben als Friedrich's rechtmäßigen Sohn an. Des Gemahles Hintritt schlug durch die Trennung des glücklichsten Vereins Clara's Herzen eine unheilbare Wunde, allein auch der Himmel ihres äußeren Lebens trübte sich: der junge Kurfürst Philipp riß sie hinweg von der Gruft seines würdigen Oheims, von der Seite ihres einzigen Sohnes, und hielt sie neun Jahre gefangen auf dem Schlosse Lindenfels im Odenwalde, bis der Abend ihres Daseins mild und freundlich sich verklärte. Nach mancherlei Bedrängnissen hatte das Schicksal ihres Ludwig's eine glänzende Wendung genommen, der mächtige Graf Hugo von Montfort und Rotenfels gab ihm die Hand seiner schönen Tochter Elisabeth, deren Herz sich dem feurigen Jüngling zuneigte, und Kurfürst Philipp[118] ertheilte ihm nun feierlich die Grafschaft Löwenstein, wo Clara Dettin nach langen Jahren der frömmsten und wohlthätigsten Wirksamkeit ihr Leben beschloß.

R.

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Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 116-119.
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