Frauenvereine

[244] Frauenvereine. Es ist ein eingebornes Streben jedes Menschen, den engen Kreis seines einzelnen Daseins durch andere, allgemeine oder persönliche Interessen, die er zu den seinigen macht, zu erweitern. Dem Manne gab hierzu die Natur Geist, Willen und materielle Kraft, dem Weibe gab sie Güte, Liebe und Mitgefühl. Wenn das wahre einzige Glück in den Tugenden überhaupt liegt, so liegt das größte in den genannten. Wohl hat es zu allen Zeiten Frauen gegeben, die mit Heldenmuth und Thatkraft den Männern zur Seite standen auf den Fluren des Todes, in den Momenten der Gefahr; und tief in der weiblichen Seele liegt die Stärke einer Entschlossenheit, einer Unbiegsamkeit, welche die Fassung[244] und Kühnheit des Mannes weit übertrifft, allein ihre Erscheinungen sind denen flammender Meteore am dunkelglühenden Himmel zu vergleichen. Man bewundert den Glanz, aber man liebt ihn nicht; er röthet den Horizont, allein keine Blume erschließt in ihm ihre Kelche, kein Engel milden Segens ist in seinem Geleit. Der Beruf der Frauen ist allein das Werk der Liebe, der christlichen Liebe, denn das Christenthum war es zuerst, welches ihrem Geschlecht die wahre Wirksamkeit anwies. Sie ist nicht auf den Gipfeln des Ruhms und der Ehre sondern allein auf den Höhen des sittlichen Lebens zu finden, denn darum zerbrach unsre Religion die Fesseln des Weibes, daß es sich dahin erhebe. Von diesem Standpunkte aus erstreckt sich ein Einfluß, ein unabsehbar segensreicher und fruchtbarer auf die gesammte Gesellschaft des Staats, diese Sphäre ist es allein, mittels welcher die Frauen auch zu dem öffentlichen Leben in unmittelbare Beziehung treten können. An Vereinigungen zu Zwecken der Wohlthätigkeit und Liebe hat es zu keiner Zeit gefehlt, namentlich hat der milde Sinn der deutschen Frauen von jeher den angedeuteten hohen Beruf des weiblichen Geschlechts im Auge behalten und sich zu trefflichen Werken dieses Berufs bereit und willig finden lassen. Unser Jahrhundert, reicher als jedes andere an nützlichen Erfindungen, an wirksamen Bestrebungen und thätigen Leistungen für das Gesammtwohl und für die Ausbildung eines innern Volkslebens zu sittlicher Höhe und Kraft, unser Jahrhundert wurde auch der Schöpfer einer ehrenwerthen Anzahl gemeinnütziger Anstalten und Vereine, welche sich die Linderung fremder Leiden und Sorgen zur Aufgabe gestellt haben. Der edelste Frauenverein, eine herrliche Verschwisterung für die heiligsten Interessen des Menschen, für die Rettung des Vaterlands und der Ehre, bildete sich in Preußen, als dieses 1813 zu den Waffen griff und die Sohne des Landes zu den denkwürdigsten Kämpfen der Weltgeschichte auszogen. Was dieser Verein geleistet hat, von einem Eifer, wie er ohne Beispiel dasteht, begeistert ist fast[245] unglaublich. Alles, was ihnen lieb war, brachten die Frauen der deutschen Sache zum Opfer, selbst ihre Trauringe legten sie auf den Altar des Vaterlandes nieder, das ihnen dafür eiserne verlieh mit der Umschrift: »ich vertausche Gold gegen Eisen.« Die Armen verkauften den Schmuck ihres Haares, um nur ein Opfer zu weihen. Auch im übrigen Deutschland traten Vereine zur Verpflegung der Verwundeten zusammen, der Mädchenverein, von der Prinzessin Wilhelm von Preußen gestiftet, und der weibliche Wohlthätigkeitsverein bleiben für alle Anstalten der Art treffliche Vorbilder. Vorher schon war der wiener Frauenverein, an dessen Spitze die edle Fürstin v. Lobkowitz stand, wirksam gewesen; nach ihm bildeten sich in Sachsen, Baiern, Würtemberg und im ganzen übrigen Deutschland Vereine unter verschiedenen Benennungen und unter mannichfachen Gestaltungen, als Erziehungsschulen, Arbeitsinstitute, Suppenanstalten u. s. w.; ihnen allen verlieh namentlich die Theilnahme erlauchter Frauen eine festere Stütze. Es bestehen deren in Hamburg, Bremen, Braunschweig, in vielen hanöversehen Städten, in acht Orten Baierns, in Kanstatt, Weimar, Eisenach, Dresden, Koburg, Kopenhagen, Pesth, Leipzig, Altenburg, Sondershausen, Jena, Ilmenau, und fast in jedem bedeutenden Orte Deutschlands.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 244-246.
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