Johanna, Königin von Frankreich

[432] Johanna, Königin von Frankreich, war die Tochter und einzige Erbin Heinrich's I., Königs von Navarra und Grafen von Champagne. Sie wurde 1272 geboren und in ihrem vierzehnten Jahre mit Philipp dem Schönen vermählt, behielt jedoch mit der Zustimmung ihres Gemahls die besondere Verwaltung ihrer Erblande. Sie vertrieb die Aragonier und Castilianer aus Navarra und setzte Männer von geprüfter Umsicht an die Spitze der Regierung. Unter ihrer Herrschaft erfreuten sich die Navaresen riner lang entbehrten Ruhe. 1290 fiel der Graf von Bar feindlich in die Champagne ein; da stellte sich die Königin[432] selbst an die Spitze ihrer Truppen, zerstreute das feindliche Heer und führte den Grafen gefangen nach Paris. Erst nachdem er ihr, als der Gräfin von Champagne, den Lehnseid für die Grafschaft Bar geleistet hatte, setzte ihn Johanna wieder in Freiheit. Dem Muthe der königlichen Frau glich ihre Klugheit und gereifte Umsicht: in allen Rathsversammlungen nahm sie nach ihrem Gemahle den ersten Platz ein und errang oft die Ehre, zu ihrer Ansicht ergraute Männer zurückzuführen. Im Jahre 1299 begleitete sie den König auf einem Zuge gegen die Flamänder. Bei dieser Gelegenheit erwähnen gleichzeitige Schriftsteller einen Zug kleinlicher Eifersucht, der hier einen Platz finde. Johanna soll nämlich den übertriebenen Aufwand der Bürgerfrauen von Brügge mit Unwillen bemerkt haben, deren glänzender und kostbarer Schmuck dem Geschmeide der Königin gleich kam. Um sich an der Stadt und den Bürgern hierfür zu rächen, beredete sie ihren Gemahl, ein höheres Lösegeld von den Einwohnern zu erzwingen. Nach kaum zurückgelegtem 33. Lebensjahre endete Johanna den 2. April 1303 ihr wirksames Leben im Schlosse zu Vincennes und wurde in der Franziskanerkirche zu Paris beigesetzt. Einige Geschichtschreiber suchten die Reinheit ihrer Sitten anzutasten, aber Philipp's innige Trauer über ihren Verlust spricht am deutlichsten für ihr untadelhaftes Betragen. Johanna vereinigte mit einer seltenen Entschlossenheit und Seelenstärke die edelste Sanftmuth; sie erleichterte, so viel als an ihr lag, das Loos ihrer Unterthanen, wofür diese ihr mit der treuesten Anhänglichkeit lohnten. Ihre Verordnungen stehen noch in Navarra in dem größten Ansehen. Mezerai's Wahrhaftigkeit ist bekannt, dieser sagt von ihr: »daß die Fürstin sowohl das Auge, das Ohr, als das Herz eines Jeden fesselte, weil sie eben so schön als beredt, großmüthig und freigebig gewesen sei.« Besonders hat Johanna ihren Namen durch die Errichtung eines Collegiums zu Navarra verherrlicht, das sich durch die ausgezeichnetsten Männer, die daselbst gebildet wurden, [433] bekannt gemacht hat. Sie ermunterte und belohnte Gelehrte mit fürstlicher Munificenz; besonders erfreuten sich viele Klöster, welche damals die einzige Zufluchtsstätte der Wissenschaften und Künste waren, ihres wohlwollenden Schutzes.

E. v. E.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 432-434.
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