Frankreich [2]

[496] Frankreich (n. Geogr. u. Statist.), La France, Kaiserthum im westlichen Europa, erstreckt sich in einer Länge von 130 Meilen von 42°20' bis 51°5' nördl. Br. u. in einer Breite von 125 Ml. von[496] 12°52' bis 25°51' östl. L. (v. Ferro), grenzt im Norden an den Kanal (La Manche) u. die Straße von Calais (Pas-de-Calais), im Nordosten an Belgien, Luxemburg, Rheinpreußen u. Rheinbaiern, im Osten an Baden (durch den Rhein getrennt), die Schweiz u. Sardinien, im Süden an das Mittelmeer u. Spanien, im Westen an den Atlantischen Ocean u. umfaßt (in dieser Ausdehnung 9589,16 QM. u. einschließlich der 159,03 QM. großen Insel Corsica) einen Gesammtflächenraum von 9748,19 geogr. QM. od. 54,452,600 Hectaren (1 QM. = 5486,962 Hectaren) mit einem Grenzsaume von 662 Ml., wovon 427 Ml. auf die Küsten (einschließlich der 62 Ml. betragenden Küstenlänge Corsica's) u. 235 Ml. auf die Landgrenzen kommen. Von den 3 die Grenzen F-s bespülenden Meeren hat der Kanal die mannichfachste Gliederung (tief einschneidende Buchten u. weit auslaufende Spitzen); die bedeutendsten Buchten sind: die Mündungen der Somme u. Seine u. der Busen von St. Michel mit der Bai von St. Malo; der Atlantische Ocean, ohne tiefere Einschnitte, u. fast längs der ganzen Westküste F-s den Biscayischen Meerbusen bildend, hat die Baien von Brest, Donarnenez, Audierne, Bourgneus, Breton u. Antioche, sowie die breiten Mündungen der Vilaine, Loire u. Gironde. Das Mittelmeer bildet von Port Vendée bis Toulon den Löwenbusen (Golf du Lion) mit den Rhônemündungen u. mehreren Teichen (Haffs, Etangs, der bedeutendste Etang de Berre), östlich von Toulon die Busen von Girmand, Fréjus u. Jouan. Die größeren zu F. gehörigen Inseln sind im Atlantischen Ocean: Quessant, Groix, Belle-Isle, Noirmoutier, Dieu, Ré u. Oléron; im Mittelmeere: Corsica u. die Hyèrischen Inseln (s.d. a.). Die Hauptgebirge liegen im Südost u. Südwest mit Abdachung nach Norden, Westen u. Süden. In Südosten liegen a) die Alpen u. zwar die Cottischen od. Dauphinéer Alpen (höchste Spitze: Mont Pelvoux 12,610 Fuß) südlich in die Meer- od. See-Alpen auslaufend, deren Zweige als Esterel- u. Maures-Gebirge sich bis aus Mittelmeer erstrecken; nördlich an die Cottischen Alpen schließt sich der Jura (höchste Spitzen: Mont Réculet 5316 Fuß, Pré de Marmiers 5000 Fuß) 35 Ml. lang an, diesem die Vogesen (Vosges, höchste Spitze: Ballon de Sulz 4410 Fuß); niedere Landhöhen verbinden diese (ben durch Lothringen mit den Argonnen u. Ardennen, die sich bis zu 1800 Fuß erheben u. dann allmälig sich nach Norden zu verflachen. Im Südwesten b) die Pyrenäen, 56 Ml. lang die Grenze gegen Spanien bildend (deren höchste Spitzen in Spanien liegen; höchste Spitze in F.: Pic du Midi de Bigorre 8856 Fuß). Diese laufen nordöstlich in die Sevennen (Cevennen, einzelne Zweige: Levezon- u. Forez-Gebirge) u. die Gebirge von Lozère über, die sich wieder in die Gebirge von Auvergne verzweigen, nordöstlich durch die Côte d'Or mit den Vogesen u. östlich durch die Gebirgszüge von Gevaudan, Vivarais u. Velay mit den Alpen zusammenhängen. F. hat 5 große Flüsse: a) Rhein, nur theilweis französischer Grenzfluß. Die schiffbare Länge des zu F. gehörigen Theils seines Stromgebietes (einschließlich seiner größeren Nebenflüsse Mosel [mit Meurthe u. Saar] u. Maas, soweit dieselben F. angehören) beträgt 1007 Kilometers; b) Seine, auf der Côte d'Or entspringend, in nordwestlicher Richtung fließend u. in den Kanal mündend, mit 29 größeren Nebenflüssen (Aube, Yonne, Marne, Oise [mit Aisne], Eure etc.), schiffbare Länge desselben 1838 Kilometers; c) Loire am Westabhange der Sevennen entspringend, Anfangs nordwestlich, dann westlich fließend, in den Biscayischen Meerbusen des Atlantischen Oceans mündend, mit 41 größeren Nebenflüssen (Allier, Cher, Indre, Vienne, Sarthe, Mayenne, Maine etc.), schiffbare Länge desselben 2340 Kilometers; d) Garonne auf dem nördlichen Abhange der Westpyrenäen entspringend, Anfangs nordöstlich, dann nordwestlich fließend, nach ihrer Vereinigung mit der Dordogne den Namen Gironde annehmend u. als solche in den Biscayischen Meerbusen fließend, mit 50 größeren Nebenflüssen (Arriège, Tarn, Gers, Lot, Dordogne etc.), schiffbare Länge desselben 2397 Kilometers; e) Rhône, aus der Schweiz kommend, in ihrer Hauptrichtung innerhalb F. südlich fließend, in den Löwenbusen (Golf du Lion) des Mittelmeers mündend; wird erst in F. schiffbar; Nebenflüsse: Ain, Saône (mit Doubs), Isère, Ardèche, Durance etc. Kleinere u. Küstenflüsse sind noch: Schelde (mit Scarpe u. Lys) nur eine kurze Strecke in F. fließend, Var, Hérault, Ande, Tet, Bidassoa, Adour, Charente, Sevre, Vilaine, Orne, Somme. Insgesammt gegen 6000 Flüsse u. Väche; schiffbare Länge der gesammten Flüsse 8817 Kilometers (über 1100 Ml.). Binneuseen gibt es nur wenige; der bedeutendste ist der von Grand-Lieu bei Nantes, über 7000 Hectaren bedeckend; dagegen Strandseen (Teiche, Etangs) ähnlich den Haffs (theils natürlich, theils künstlich unterhalten) in großer Menge, namentlich am Biscayischen Meerbusen u. am Mittelmeere F. hat gegen 900 Mineralquellen u. ungefähr 100 Mineralbadeanstalten, die berühmtesten in Barrège, Cauterets, St. Sauveur, den beiden Bagnéres, den beiden Bourbons, Aix, Plombières, Forge u. Enghien.

Der Boden des Landes ist sehr verschieden, jedoch im Allgemeinen fruchtbar u. wohlangebaut; die fruchtbarsten Gegenden sind im Elsaß, in Flandern, im Gebiete der Seine u. Somme, einem Theil des Loire-Gebietes u. in der Vendée. Im Südwesten finden sich große Haiden (Landes), in denen meilenweit kein Ort zu treffen ist, im Departement Bouches du Rhône, ein großer mit Steinen bedeckter Landstrich (La Crau. s.d.); ferner sind unfruchtbare Gegenden die Sologne im Departement Loir u. Cher, der Kreideboden der Champagne pouilleuse, sowie einige Gebirgsstriche in den Alpen, Pyrenäen u. Sevennen. Das Klima ist ebenfalls sehr verschieden, im Allgemeinen jedoch gemäßigt; am Mittelmeere dem italienischen, im Norden dem deutschen ähnlich; die Temperatur nimmt von Norden nach Süden u. von Osten nach Westen zu Dünkirchen (51°3' nördl Br.) hat eine mittlere Jahrestemperatur von + 8,3° R., Paris (48°50' nördl L.) von + 8,8° R., Troyes (48°18' nördl. Br.) von + 9° R., Poitiers (46°34' nördl. Br.) von + 9,9° R. Avignon (43°57' nördl. Br.) von + 11,6° R., Toulon (43°7' nördl. Br.) von + 12,8° R., ferner, für die Zunahme von Osten nach Westen sprechend, die unter gleichem Breitengrade liegenden Städte Strasburg u. Brest: Strasburg (25°24' östl. L. v. Ferro) mittlere Jahrestemperatur von + 7,9° R., Brest (13°15' östl. L.) von + 11,6° R., so daß also ganz F. von den Isothermen + 8,[497] 9, 10, 11, 12 u. 13° R. durchschnitten wird, u. je 2 Grad eine Region bilden, die sich durch resp. Cerealien-, Obst-, Wein- u. Maisbau, durch Oliven-, Südfrüchte- u. Süßweinbau charakterisiren. Die Ernte fällt in diesen 3 Regionen bezichentlich Ende Juli, Anfang Juli, Ende Juni. Die Regenmenge nimmt von Westen nach Osten ab. Unter den Winden sind zu nennen: der Mistral (Nordwesten) in der Provence, die Bise (Nordosten) ebenfalls im südlichen F. u. der Galerne (Nordosten) an der unteren Vienne, sämmtlich oft verheerend. Die Luft ist im Allgemeinen rein u. gesund; als ungesund sind fast nur die Sumpfgegenden am Mittelmeer zu bezeichnen. Producte des Mineralreichs: Gold (wenig), Silber (ebenfalls wenig), Kupfer (bes. im Rhônedepartement), Blei (bes. in den Departements Hautes-Alpes u. Puy de Dôme), Eisen, Antimon, Zinn, Steinkohlen, Edelsteine (bes. Smaragde u. Jaspis), Marmor, Alabaster, Porzellanerde, Granit, Schiefer, Kalk, Torf, Salpeter, Salz; des Pflanzenreichs: alle der gemäßigten Zone angehörigen Obst- u. Getreidesorten (im Norden bes. Weizen u. Roggen, im Süden bes. Mais), Kartoffeln, Flachs, Hanf, Gemüse, Hülsenfrüchte, Ölgewächse (Mohn. Raps, Rübsen). Cichorien, Anis, Coriander, Krapp, Safran u. andere Färbekräuter, Kastanien (oft in ganzen Waldungen, in vielen G. genden das Getreide u. die Kartoffeln ersetzend), Runkelrüben (zur Zuckerfabrikation), Wein (bis zur nördlichen Grenze des mittleren F-s, am besten in der Gegend von Bordeaux, in Burgund u. der Champagne), Oliven, Mandeln, Pfirsichen, Aprikosen, Nüsse, Maulbeerbäume. Waldungen nur in geringer Menge (daher Mangel an Bau-, Schiffbau- u. Brennholz); des Thierreichs: Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen, Esel, Manlthiere, Bären u. Wölfe (noch in den Pyrenäen, Alpen u. Ardennen), Gemsen u. Steinböcke (nur noch selten in den Alpen), Hirsche u. Rehe (seit der Vernichtung der Wälder in der Revolution seltener), Biber (auf den Rhôneinseln), Murmelthiere (in den Alpen), zahlreiches Geflügel (bes. Hühner, Truthühner, Enten u. Gänse), Fische (bef in Seine, Loire, Rhône u. Rhein, an den Küsten, namentlich Häringe, Stockfische, Makrelen u. Sardellen), Austern u. andere eßbare Muscheln; viel Seidenzucht in den südlichen Provinzen, wenig Bienenzucht.

Die Gesammtzahl der Bevölkerung von F. (einschließlich Corsica's) betrug im Jahr 1851_: 35,783,304 u. 1856_: 36,039,364 Seelen (also 3696 auf 1 QM.) mit einer jährlichen Zunahme von 0,14 Procent. Am dichtesten ist die Bevölkerung im Departement Seine mit der Stadt Paris (198,554 Seelen auf 1 QM.) im Departement du Nord (11,770 Seelen auf 1 QM), Seine inférieure (6972), Pas de Calais (5925); am dünnsten im Departement Pyrénées-Orientales (2453), auf Corsica (2131), im Departement Lozère (1500), Alpes-Hautes (1294), Alpes-Basses (1190). Wenn sich auch im Allgemeinen eine jährliche Zunahme der Bevölkerung von 0,14 Procent ergibt, so hat dieselbe doch seit 1851 in 60 Departements abgenommen, u. ist nur in Paris u. mehreren anderen großen Städten außerordentlich gewachsen; die ackerbautreibende Bevölkerung ist noch überwiegend, ihr gehören über 20 Millionen Seelen an, nahe an 8 Millionen dem kleinen Handwerkerstande, nahe an 4 Millionen den Wissenschaften, Beamtenthum, liberalen Professionen, Künsten, Militär, Marine etc., über 2 Millionen der großen Industrie (Fabriken etc.), nahe an 800,000 dem Dienstbotenstande, ungefähr ebensoviel sind Bettler, Gefangene u. in öffentlichen Austalten Verpflegte. An größeren Städten besitzt F. 1 Stadt mit über 1 Million Ew. (Paris 1856_: 1,174,346 Ew), 2 Städte zwischen 200,000 u. 300,000 Ew. (Lyon 292,721 Ew., Marseille 233,817 Ew.), 4 Städte zwischen 100,000 u. 200,000 Ew. (Bordeaux 149,928 Ew., Nantes 108,530 Ew., Rouen 103,223 Ew., Toulouse 103,144 Ew.), 10 Städte zwischen 50,000 u. 100,000 Ew. (St. Etienne, Toulon, Lille, Strasburg, Metz, Havre, Amiens, Brest, Rheims u. Angers), 136 Städte zwischen 10,000 u. 50,000 Ew. Im Ganzen hat F. 36,826 Gemeinden. Was die Nationalverschiedenheit betrifft, so sind gegen 97 Procent Franzosen (ein Mischvolk von Germanen [Franken, Westgothen u. Burgundern], unterjochten Galliern [Celten] u. bereits angesiedelten Römern), ungefähr 1 Procent (zwischen 300,000 u. 400,000) Deutsche (im Elsaß u. Lothringen), ungefähr 0,6 Procent (über 200,000), Bretagner od. Bretonen (im Nordwesten), ungefähr 0,3 Procent (über 100,000), Flamänder (im Nordosten), ungefähr 0,15 Procent (über 50,000) Basken (in den ßyrenä. u.); außerdem noch ungefähr 0,7 Procent Ital iener 210,000 auf Corsica u. in einigen südlichen u. südöstlichen Departements), ferner Juden (überall zerstreut, über 70,000 Seelen od. 0,2 Procent), sowie Zigeuner u. Cagots (s.d.) in geringer Anzahl. Diese Zahlen beziehen sich natürlich nur auf die verschiedenen Nationalitäten, soweit sich dieselben rein erhalten haben; eine Berücksichtigung der Abstammung von denselben würde ungleich größere Zahlen geben. Die eigentlichen Franzosen sind von mittlerer Größe, mehr schlankem u. wohlgestaltetem als kräftigem Wuchs, von südlichem Habitus, meist dunklem Haare, dunkeln lebhaften Augen, ausdrucksvollen Gesichtszügen, in den südlicheren Provinzen leicht gebräunter Gesichtsfarbe, u. meist von großer körperlicher Gewandtheit u. Beweglichkeit. Ihr Körper gewöhnt sich leicht an jedes Klima, ihr Temperament ist fast durchgehends sanguinisch-cholerisch. Hauptzüge ihres Nationalcharakters sind natürliche Lebhaftigkeit u. leichter, heiterer Sinn, sprühender Witz, feurige Phantasie, geistige Gewandtheit, scharfer, praktischer Verstand, enthusiastische Kühnheit (aber ohne Ausdauer), Liebe zum Ruhm (bisweilen an Eitelkeit streifend), rasche Fassungskraft, große Veränderlichkeit, die Gabe, sich in jede Lage schnell zu finden u. sie zu benutzen, Vorliebe für Eleganz, Zuvorkommenheit u. Artigkeit gegen Frauen (nicht imm er frei von Leidenschaftlichkeit u. Sinnlichkeit), Nüchternheit u. Mäßigkeit. Dabei besitzen sie ein eigenthümliches Geschick in Erfindungen, eignen sich dieselben rasch an, führen sie weiter aus u. geben sie dann als eigene zurück. Im Umgange zeichnen sie sich durch große Höflichkeit aus, sind dabei zwar streitsüchtig u. übereilt, jedoch auch leicht wieder versöhnt; ihre außerordentliche Vaterlandsliebe reißt sie bisweilen zur Überschätzung ihres eigenen Werthes, ihres Landes, der französischen Zustände, Sitten u. dgl., sowie zur Geringschätzung gegen andere Nationen hin; einen großen Theil der Schuld hiervon trägt auch ihre fast allgemein mangelhafte Kenntniß von den Zuständen fremder Länder. Sinn für Familienleben u. Häuslichkeit[498] wie in Deutschland u. England ist in F. höchst selten. Im Handel u. Wändel sind sie zur Überspeculation (Börsenspiel) geneigt. In den Wissenschaften eine glänzende Oberflächlichkeit der gründlichen Tiefe vorziehend, in den exacten Wissenschaften mehr leistend als in den abstracten. In den bildenden Künsten hinter den Deutschen u. Italienern zurückstehend, in der Behandlung der Geschichte höchst geistreich, aber fern von der gründlichen Forschung der Engländer u. Deutschen, ausgezeichnet in der politischen Schriftstellerei (namentlich Flugschriften, Zeitungen etc.); im Drama ebenfalls hinter Engländern u. Deutschen zurückstehend, im Lustspiel alle anderen übertreffend (vgl. Französische Literatur). Der Nordfranzose ist im Allgemeinen thätiger, industriöser, zurückhaltender, besonnener u. ordnungsliebender als der Südfranzose, dieser dagegen lebhafter u. witziger als jener. Die Französische Sprache ist die herrschende. Sie zerfiel ursprünglich in zwei Hauptmundarten, die südfranzösische (Roman provençal, Langue d'oc) u. die nordfranzösische (Roman wallon, Langue d'oil od. L. d'oui); letztere verdrängt die erstere allmälig u. wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. Nationalsprache, die jedoch noch immer in verschiedenen Dialekten gesprochen wird (s. Französische Sprache). Außerdem wird noch Bretonisch, Baskisch, Deutsch, Italienisch in den betreffenden Gegenden, u. Wallonisch an der belgischen Grenze gesprochen.

Politische Parteien: Seit der Revolution von 1789 ist die Politik dem Franzosen zur Leidenschaft geworden. Bis in die niedersten Volksschichten hinab hängt fast jeder einer gewissen politischen Partei an, zeichnet sich aber auch in dieser Beziehung keineswegs durch Treue u. Beharrlichkeit aus, sondern wechselt oft schon nach wenigen Jahren seine politischen Ansichten. Die 5 Hauptparteien sind: a) Legitimisten, Anhänger der älteren Bourbonenlinie, meist altadelige Familien u. ein Theil der Geistlichkeit (wenigstens ingeheim); ihr Princip ist: Königsthum von Gottes Gnaden; Mittelpunkt: Herzog von Bordeaux (Graf v. Chambord, Heinrich V.), ihr Führer ist Berryer, ihre Organe: Gazette de France u. Univers, letzter mit stark ultramontaner Färbung; b) Orleanisten, Anhänger der jüngeren Bourbonenlinie, vorzugsweise die reiche Bourgeoisie u. ein großer Theil der wissenschaftlichen Celebritäten; Princip: Constitutionelle Monarchie; Mittelpunkt: Graf von Paris (Enkel Louis Philipp's), hervorragendste Mitglieder: Thiers u. Guizot; Organ: Journal des Débats; c) Bonapartisten, Anhänger der Napoleonischen Dynastie, ein Theil der Beamten, der Armee, der Geistlichkeit u. der Arbeiter (wenigstens dem äußeren Scheine nach), überhaupt alle diejenigen, die von den jetzigen Zuständen Vortheil ziehen od. erwarten; ohne bestimmt ausgesprochenes Princip (Napoleon III. selbst nennt zwar die großen Principien des Jahres 1789 seine Richtschnur); außer dem Kaiser, den Ministern u. Marschällen kein hervorragendes Mitglied zählend; Organe: Moniteur Patrie, Pays; d) Republikaner, größtentheils dem mittleren Handels- u. Gewerbstand angehörig, u. ein großer Theil der jüngeren Beamten, Advocaten etc.; Princip: Volkssouveränetät; der Wille der Majorität ist das höchste Gesetz. Sie theilen sich in aa) die blauen od. gemäßigten Republikaner: ihr politischer Mittel- u. Schwerpunkt war der General Cavaignac; Organe: Siècle u. früher National; bb) die ro then Republikaner od. Radicalen, sogen. Partei Ledru Rollin; ihr Organ war La Réforme e) Socialisten, ein großer Theil der Arbeiter (Proletarier); Princip: kein geschriebenes Gesetz (Verfassung), keine Macht des Capitals, Herabsetzung der Rente, vollkommenste Freiheit der Association u. der Selbstregierung; hervorragendster Schriftsteller: Proudhon; ihr Organ war Le Peuple (später La Voix du Peuple genannt). Betrachtet man diese 5 Parteien ihrem wesentlichen Gehalte nach, so haben die Legitimisten den Glanz des Namens u. der althistorischen Erinnerungen, die Orleanisten das Gewicht des Capitals u. der Intelligenz, die Bonapartisten die Macht der bestehenden Verhältnisse u. die materiellen Interessen, die Republikaner die Kraft der Jugend u. des Ideals, die Socialisten das Gewicht der Massen u. des Fanatismus für sich. Im öffentlichen Leben machen sich übrigens alle diese Parteien, mit Ausnahme der herrschenden, kaum noch geltend, seitdem der Druck der letzteren im Jahre 1858 in einer Weise verstärkt ist, welche jede Kundgebung in der Presse od. an öffentlichen Orten unmöglich od. doch gefährlich macht. Desto größere Neigung aber zeigen vorzugsweise die Socialisten, in geheimen Gesellschaften für ihre politischen Zwecke Propaganda zu machen, u. trotz aller polizeilichen Wachsamkeit u. rigorosen Maßregeln tauchen immer neue Geheimbünde auf, unter denen vorzugsweise die Marianne stark verzweigt zu sein scheint. An die Stelle der gesetzlichen Opposition ist die Conspiration getreten. Die öffentliche Ordnung stützt sich auf die Furcht u. hat ihren Halt nur in der Person des Kaisers. Der Mangel der moralischen Achtung vor dem Gesetze untergräbt zugleich den öffentlichen Credit, u. obwohl die Regierung alle Mittel anwendet, das Capital zu einer künstlichen Hebung des Staatscredits aufzubieten, ist es ihr doch unmöglich, die Rente auch nur annähernd auf den Stand zu bringen, den dieselbe im letzten Jahre der Julimonarchie einnahm.

Religion. Nach der Constitution ist zwar Religionsfreiheit (Liberté des cu ltes) garantirt, doch existirt dieselbe nur in der Theorie, u. die Praxis (das Gesetz) unterscheidet anerkannte u. nicht anerkannte Culten (Cultes reconnus u. Cultes non reconnus), zu den ersteren gehören die Römisch-Katholische Kirche, die Reform irte Kirche (Calvinismus), die Augsburgische Confession (evangelisch-lutherisch) u. das Judenthum. Der Theorie nach hat keine dieser Confessionen Vorrechte vor der anderen, doch macht die Praxis zu Gunsten der römisch- katholischen manche Ausnahmen. Alle übrigen Culten sind nur tolerirt, dürfen zwar nicht verfolgt werden, aber sich guck nie ohne Genehmigung der Verwaltungsbehörde zum Gottesdienst versammeln. Wirkliche Religiosität ist in F. selten; dagegegen gehört eine zur Schau getragene Frömmelei zum guten Tone. Die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Franzosen bekennt sich zur Römisch-Katholischen Kirche (über 35 Millionen, also 97 Procent der Gesammtbevölerung), sie gilt als Staatskirche u. wird als solche als Gallicanische Kirche (s.d.) bezeichnet; ihr Verhältniß zum Römischen Stuhle beruht auf den Concordaten von 1516 u. 1801 (s. Concordat D) u. E). Sie wird in 80 Diöcesen eingetheilt, wovon 15 unter Erzbischöfen u. 65 unter Bischöfen stehen. Die Erzbisthü[499] mer sind: Paris, Cambrai, Lyon, Rouen, Sens (mit Auxerre), Rheims, Tours, Bourges, Albi, Bordeaux, Auch, Toulouse (mit Narbonne), Aix (mit Arles u. Embrun), Besançon u. Avignon. Die Erzbischöfe werden vom Kaiser im Einverständniß mit dem Papst ernannt. Sechs von ihnen sind gegenwärtig (1858) Cardinäle u. als solche Mitglieder des Senats. Jeder Cardinal bezieht einen Jahresgehalt von 30,000 Franken, jeder Erzbischof 20,000 Franken (der von Paris 50,000), jeder Bischof 15,000 Franken. Jedes Erzbisthum u. Bisthum hat 2 od. 3 Generalvicare (zusammen 177), ein Capitel von 8 od. 9 wirklichen Canonikern (zusammen 669), ein großes u. ein sogenanntes kleines Seminar, welches letztere zu ersterem sich wie das Gymnasium zur theologischen Facultät verhält Dieselben zählen zusammen ungefähr 24,000 Studenten u. Zöglinge, für welche durch das Budget von 1858 2568 Boursen (Stipendien) ausgesetzt sind. Zur mittleren katholischen Geistlichkeit gehören gegenwärtig 3409 Pfarrer (Curés od. Decane, Doyens), dieselben werden vom Bischof mit Genehmigung der Regierung ernannt, sind unabsetzbar u. beziehen einen Jahresgehalt von 850 bis 1500 Franken nebst bisweilen sehr einträglichen Casualien; zur niederen Geistlichkeit 29,886 Pfarrverweser (Desservants, Vorsteher der Succursalen) u. 7769 Capläne (Vicaires, zeitweilige Gehülfen od. Stellvertreter der Pfarrer), beide werden vom Bischof ernannt u. können von ihm abgesetzt werden. Von Klöstern gibt es bei weitem mehr für Nonnen als für Mönche; die Anzahl derselben beläuft sich auf ungefähr 1800 mit über 36,000 Nonnen; die Anzahl der Klostergeistlichen erreicht nahe 6000. Vor der Revolution von 1798 gab es in ganz F. 488 Abteien u. 41 Domstifte mit 27,000 Mitgliedern; unter dem ersten Kaiserreiche, welches ihre Herstellung begann, über 12,000 Religiosen; nach der Restauration über 18,000; seitdem hat sich ihre Anzahl jährlich vermehrt. Für den katholischen Cultus sind im Budget von 1858 über 42 Millionen Franken ausgeworfen. Zur Reformirten Kirche (Calvinismns) bekennen sich über 480,000 Ew. od. ungefähr 1,4 Procent der Bevölkerung (namentlich im westlichen F.); sie hat 105 Consistorialbezirke mit 530 Geistlichen. Ihre theologische Facultät ist zu Montauban, zu derselben gehört ein Predigerseminar, welches vom Staate Stipendien bezieht. Zur Augsburgischen Confession (evangelisch-lutherisch) über 260,000 Ew. od. gegen 0,8 Procent der Bevölkerung (namentlich in den Rheindepartements); sie hat 44 Consistorialbezirke mit 253 Geistlichen. Ihre theologische Facultät mit einem ebenfalls vom Staate unterstützten Predigerseminar ist in Strasburg; ihr Oberconsistorium in Strasburg u. Consistorium in Paris. Für den Cultus der beiden protestantischen Bekenntnisse ist im Budget von 18581,390,936 Franken ausgeworfen. Der Mosaismus (Judenthum) zählt über 70,000 Bekenner od. ungefähr 0,2 Procent der Bevölkerung (überall zerstreut, am dichtesten in den nordöstlichen Departements); er hat 8 Consistorialbezirke mit 116 Oberrabbinern, Rabbinern u. Vorsängern. In Paris ein Centralconsistorium aus einem Oberrabbiner u. 8 Rabbinern bestehend. Rabbinerschule in Metz. Im Budget von 1858 sind für den israelitischen Cultus 164,000 Franken ausgeworfen. Außerdem trägt der Staat noch für den christlichen u. israelitischen Cultus in Algerien nach dem Budget von 1858 677,200 Franken bei. Die übrigen Einwohner F-s (ungefähr 0,6 Procent der Bevölkerung) gehören den nicht anerkannten Culten an. Was die Ehe betrifft, so ist dieselbe in F. nicht kirchlicher Natur, sondern ein rein bürgerlicher Vertrag (s. unten unter Civilrecht).

Staatsverfassung: F. ist gegenwärtig (1858) ein (der Form nach) constitutionelles Erbkaiserreich; in der That aber herrscht der Kaiser unumschränkt. Seine Regierung hat nach dem Attentat vom 14. Januar 1858 auch den Schein des Constitutionalismus fast ganz vernichtet u. den ausgesprochenen Charakter einer Militärherrschaft angenommen. Folge dieses Attentats war auch ein Regentschaftsgesetz, welches die Kaiserin, im Fall der Kaiser stirbt, ehe der Thronfolger volljährig ist, an die Spitze der Monarchie stellt. Die zur Zeit geltende Verfassung ist die Constitution vom 14. Jan. 1852 (ursprünglich republikanisch mit 10jähriger Präsidentur für Louis Napoleon Bonaparte), modificirt durch das Senatsconsult vom 7. Nov. 1852 (Wiederherstellung der Kaiserwürde, ratificirt durch das Plebiscit vom 21. u. 22. November 1852 [mit 7,824,189 gegen 253,145 Stimmen], proclamirt am 2. December 1852) u. das Senatsconsult vom 23 December 1852 (Aufhebung, resp. Modification der Paragraphen über die republikanische Regierungsform u. die Befugnisse, Macht etc. des Präsidenten). Die so modificirte Constitution anerkennt, bestätigt u. gewährleistet (Titel I.) die im Jahre 1789 proclamirten großen Grundsätze, welche die Grundlagen des öffentlichen Rechtes der Franzosen sind. Titel II. (modificirt durch das Senatsconsult vom 7. November 1852): die Kaiserwürde ist wieder hergestellt, Louis Napoleon Bonaparte wird Kaiser der Franzosen unter dem Namen Napoleon III. Titel III.: Die Kaiserwürde ist erblich in directer, natürlicher u. legitimer Nachkommenschaft desselben, in männlicher Linie, nach Ordnung der Erstgeburt, mit ewiger Ausschließung der weiblichen Nachkommenschaft u. deren Nachkommen. In Ermangelung natürlicher u. legitimer männlicher Erben kann der Kaiser einen der männlichen Nachkommen der Brüder Napoleons I. adoptiren. Der Kaiser ist oberster Befehlshaber der Land- u. Seemacht, erklärt Krieg, schließt Friedensverträge, Bündnisse u. Handelscontracte, deren Tarifstipulationen Gesetzeskraft haben, ernennt sämmtliche Beamte, erläßt alle Reglements u. zur Ausführung der Gesetze nöthigen Decrete. Die Justiz wird in seinem Namen geübt; er kann begnadigen u. amnestiren. Er allein hat die Initiative zu den Gesetzen. Er hat das Recht, den Belagerungszustand in einem od. mehreren Departements zu erklären, jedoch mit dem Vorbehalte, in kürzester Frist den Senat davon in Kenntniß zu setzen. Er hat das Recht, Concessionen für die größten von Privaten zu unternehmenden öffentlichen Arbeiten, Eisenbahnen u. dergl. zu ertheilen; beanspruchen dieselben eine Unterstützung von Seiten des Staates, so müssen sie durch ein Gesetz genehmigt werden. Die Minister sind nur dem Kaiser verantwortlich, u. zwar jeder nur für seine eigenen Amtshandlungen; es existirt durchaus keine Solidarität unter ihnen. Die Minister, die Mitglieder des Senats, des Gesetzgebenden Körpers u. des Staatsrathes, die Land- u. Seeoffiziere, die [500] Richter u. öffentlichen Beamten schwören den Eid: Ich schwöre Gehorsam der Constitution u. Treue dem Kaiser. Die Dotation der Krone u. der Civilliste des Kaisers werden für die ganze Dauer jeder Regierung durch einen speciellen Senatsbeschluß (Sénatus consulte) bestimmt. Die gegenwärtige Civilliste beträgt 25 Millionen Franken jährlich; die Dotation (Domaine de la couronne) besteht aus Schlössern, Gärten, Museen u. den kaiserlichen Manufacturen (Gobelins, Sèvres, Beauvais). Dem Kaiser stehen, außer den Ministerien, der Senat, der Gesetzgebende Körper u. der Staatsrath zur Seite. Die 10 Minister sind der Staats- u. kaiserliche Hausminister; Justiz u. Großsiegelbewahrer; für Auswärtige Angelegenheiten; Inneres (nach dem Attentat vom 14. Januar 1858 [laut Decret vom 8. Februar 1858] eine Zeit lang zugleich Minister der allgemeinen Sicherheit); Finanzen; Krieg; Marine (hiermit waren seither die Colonien verbunden); Cultus u. Unterricht; Handel, Ackerbau u. öffentliche Arbeiten; hierzu ist seit dem 24. Juni 1858 noch gekommen: Ministerium für Algerien u. Colonien, u. der Prinz Napoleon (s. Bonaparte 39) damit betraut worden. Titel IV.: Der Senat besteht a) aus den Cardinälen, Marschällen u. Admiralen; b) aus den vom Kaiser auf Lebenszeit ernannten, unabsetzbaren Mitgliedern, deren Zahl 150 nie übersteigen darf. Jeder Senator erhält eine Dotation von 30,000 Franken jährlich. Der Senat ist der Wächter des Fundamentalvertrages (Pacte fondamental) u. der öffentlichen Freiheiten. Kein Gesetz kann promulgirt werden, ohne ihnen vorgelegt worden zu sein. Er verweigert seine Genehmigung der Promulgation von Gesetzen, welche gegen die Constitution, die Religion, die Moral, die Religionsfreiheit, die persönliche Freiheit, die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, die Unverletzlichkeit des Eigenthums, die Unabsetzbarkeit der Richter verstoßen, od. die Vertheidigung des Landes gefährden könnten. Der Senat regelt durch ein Senatsconsult die Constitution der Colonien u. Algeriens; alles das, was nicht durch die allgemeine Constitution vorgesehen u. was zu ihrem Gange nöthig ist; den Sinn der Artikel der Constitution, welche zu verschiedenartiger Auffassung Veranlassung geben. Die Senatsconsulte werden dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt. Der Senat bestätigt od. erklärt für nichtig alle öffentlichen Acte, welche ihm die Regierung als verfassungswidrig vorlegt od. welche ihm durch Petitionen als solche bezeichnet werden. Er kann in einem Bericht an dem Kaiser Grundlagen zu Gesetzen von großem Nationalinteresse in Vorschlag bringen. Er kann Verfassungsabänderungen vorschlagen; nimmt der Kaiser den Vorschlag an, so entscheidet ein Senatsconsult; wird dadurch jedoch eine der wesentlichen Grundbestimmungen der Verfassung, wie sie in der Proclamation vom 2. December 1851 vorgeschlagen u. vom französischen Volke angenommen worden sind, abgeändert, so muß er der allgemeinen Volksabstimmung unterworfen werden. In Fall einer Auflösung des Gesetzgebenden Körpers u. bis zur Einberufung des neugewählten trifft der Senat auf den Antrag des Kaisers alle zum Gange der Regierung nöthigen Bestimmungen u. Maßregeln. Die Sitzungen des Senats sind nicht öffentlich. Titel V.: Der Gesetzgebende Körper (Corps législatif) besteht aus 261 auf 6 Jahr gewählten Deputirten (je einer auf 35,000 Wähler), die Deputirten werden durch allgemeines Stimmrecht ohne Listenscrutinium gewählt; Wähler ist jeder 21 Jahr alte Franzose, der seine bürgerlichen Rechte genießt; wählbar jeder 25 Jahr alte Franzose, der seine bürgerlichen Rechte genießt u. kein Amt bekleidet. Ein Beamter, der das Mandat eines Deputirten annimmt, wird als Demissionär betrachtet. Nur die Generale u. Offiziere, welche in den Kadern der Reserve eingetragen sind, können Mitglieder des Gesetzgebenden Körpers werden. Jeder Deputirte bezieht während der Dauer der ordentlichen u. außerordentlichen Sitzungsperioden eine Entschädigung von 2500 Franken monatlich. Die ordentlichen Sitzungen dauern jährlich 3 Monate, doch kann der Gesetzgebende Körper auch zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werden. Die Sitzungen sind öffentlich, außer wenn 5 Mitglieder das Gegentheil verlangen. Der Gesetzgebende Körper discutirt u. votirt das Budget u. die Gesetzesvorschläge, die ihm von der Regierung vorgelegt werden. Amendements müssen dem Staatsrath vorgelegt werden; nimmt dieser sie nicht an, so dürfen sie nicht zur Berathung des Gesetzgebenden Körpers kommen. Überhaupt können in den allgemeinen Sitzungen die Regierungsvorlangen nur berathen u. angenommen od. verworfen werden. Alle Sitzungsberichte müssen ausschließlich auf dem officiellen vom Präsidenten veröffentlichten Protokolle beruhen; kein Deputirter darf ohne Genehmigung der Versammlung seine Rede drucken lassen. Der Präsident u. die Vicepräsidenten werden jährlich vom Kaiser ernannt. Die Minister können nicht Mitglieder des Gesetzgebenden Körpers sein (wohl aber des Senats), auch haben sie mit Ausnahme des Staatsministers, wenn er Gesetzvorschläge überbringt, keinen Zutritt zu demselben; die Gesetzvorschläge werden von den Mitgliedern des Staatsraths vertheidigt. Petitionen dürfen nur an den Senat, nie aber an den Gesetzgebenden Körper gerichtet werden. Der Kaiser beruft den Gesetzgebenden Körper, prorogirt ihn, löst ihn auf. In letzterem Falle muß der neu gewählte binnen 6 Monaten zusammenberufen werden. Titel VI.: Der Staatsrath (Conseil d'état) hat alle Gesetze zu berathen, ehe dieselben dem Gesetzgebenden Körper vorgelegt werden, u. vertritt die Regierung vor dieser Versammlung. Er ist die höchste berathende Behörde; doch hat sich seinem Gutachten das Ministerium nicht zu unterwerfen. Auch fungirt derselbe als höchste Instanz in der Verwaltungsgerichtsordnung; wer sich durch einen Ministerialbeschluß in seinen Rechten verletzt glaubt, kann an den Staatsrath appelliren. Die Minister haben Rang, Sitz u. berathende Stimme im Staatsrath; der Präsident des Staatsraths hat Ministerrang. Die Mitglieder des Staatsrathes werden vom Kaiser ernannt u. können von ihm abgesetzt werden. Sie bestehen aus 40 bis 50 ordentlichen Staatsräthen (mit 50,000 Franken jährlichem Gehalt), 15 ordentlichen Mitgliedern u. 20 außerordentlichen Staatsräthen, aus 40 ordentlichen Requetenmeistern (Maîtres des requêtes [Unterstaatsräthen] mit 6000 bis 10,000 Franken jährlichem Gehalt), aus einer unbestimmten Anzahl außerordentlicher Requetenmeister u. 40 Auscultatoren (Auditeurs) in 2 Klassen (mit 2000 Franken u. ohne Gehalt). Der Staatsrath besteht[501] aus 6 Abtheilungen (Sections); 5 derselben ist ein bestimmter Zweig der Verwaltung zugewiesen: a) Krieg u. Marine; b) Justiz; c) öffeneliche Arbeiten, Ackerbau u. Handel; d) Inneres, öffentlicher Unterricht u. Cultus; e) Finanzen; die 6. Section (Section du contentieux) fungirt als oberster Verwaltungsgerichtshof. Titel VII.: Ein hoher Gerichtshof (Haute court de justice) richtet ohne Appell u. Recurs über alle Personen, die vor ihn verwiesen werden als angeklagt wegen Verbrechen, Angriffe od. Verschwörungen gegen den Kaiser, u. gegen die innere u. äußere Sicherheit des Staates. Die Geschworenen desselben werden unter den Mitgliedern der Generalräthe, u. die Richter unter den Räthen des Cassationshofes gewählt. Amtliche Gesetzsammlung ist seit 1794 das laufende Bulletin des lois; die Gesetze von 1789 bis dahin enthält die Collection des lois (Collection du Louvre), 23 Bde., u. Lois et actes du gouvernement etc., Par. 1808, 8 Bde., u. Galliset, Corps du droit français, ebd. 1828; die noch früheren das Récueil du Louvre, Par. 1722–1728, 18 Bde., Fol., begonnen von Laurière, fortgesetzt von Secousse, Villevault, de Lorequigni u. Pastoret, u. vollständig Récueil général des lois depuis 418 jusqu'en 1789, Par. 1820–31, 30 Bde., begonnen von Jourdan, fortgesetzt von Isambert, Decrusy u. Taillandier.

Eintheilung: Früher war F. in 17 Provinzen getheilt; diese Eintheilung wurde aber durch Beschluß der Nationalversammlung vom 15. Januar 1790 abgeändert u. dagegen die in 86 Departements (nach Gebirgen, Flüssen etc. genannt) angenommen:


Alte Provinzen. - Jetzige Departements.


I. Isle de France

1) Seine, 2) Seine-Oise, 3) Oise, 4) Aisne (mit Theilen von Champagne u. Picardie), 5) Seine-Marne (mit Theilen von Brie).

II. Picardie mit Artois.

6) Somme u. 7) Pas de Calais (Artois u. Theile der Picardie).

III. Champagne.

8) Ardennen, 9) Marne, 10) Haut-Marne (Obermarne), 11) Aube u. 12) Yonne (mit einem Theile von Burgund).

IV. Lyonnois mit Beaujolois, Forez, Auvergne, Bourbonois u. Marche.

13) Rhône (Lyonnois u. Beaujolois), 14) Loire (Forez), 15) Allier (Bourbonois), 16) Cantal (Oberauvergne), 17) Puy de Dôme (Niederauvergne), 18) Haute- (Ober-) Loire (Oberauvergne u. Velay) u. 19) Creuse (Marche).

V. Burgund (Bourgogne).

20) Côte d'ôr, 21) Saône-Loire u. 22) Ain.

VI. Dauphiné.

23) Isère, 24) Drôme u. 25) Hautes-Alpes (Oberalpen).

VII. Provence nebst Avignon u. Venaissin u. Orange.

26) Bouches du Rhône (Rhonemündungen), 27) Basses-Alpes (Niederalpen), 28) Var u. 29) Vaucluse (Avignon, Venaissin u. Orange.

VIII. Languedoc nebst Foix, Roussillon, Velay, Gevaudan u. Vivarois.

30) Ardèche (Vivarois), 31) Lozère (Gevaudan), 32) Gard, 33) Herault, 34) Tarn, 35) Haute- (Ober-) Garonne (mit einem Theile von Comminges), 36) Aude, 37) Pyrénées orientales (Ostpyrenäen, Roussillon) u. 38) Arriège (Foix).

IX. Guienne mit Saintonge, Angoumois, Bordelois, Périgord, Limousin, Agenois, Quercy u. Rovergue; Gascogne mit Condomois, Marsan, Chalosse, Landes, Armagnac u. Bigorre u. Navarra.

39) Charente (Angoumois u. Theile von Saintonge u. Limousin), 40) Gironde (Bordelois), 41) Landes (Marsan, Chalosse u. Landes), 42) Hautes-Pyrénées (Oberpyrenäen, Bigorre), 43) Gers (Armagnac u. Condomois), 44) Lot-Garonne (Condomois u. Agenois), 45) Dordogne (Périgord), 46) Lot (Quercy), 47) Tarn-Garonne (Quercy, Agenois u. Rovergue), 48) Aveyron (Rovergue), 49) Charente inférieur (Niedercharente, Saintonge), 50) Haute- (Ober-) Vienne (Lmousin u. Theile von Marche u. Poitou), 51) Corrèze (Limousin), 52) Basses-Pyrénées (Niederpyrenäen, Navarra u. Bearn).

X. Orleanois mit Nivernois, Berry, Perche, Maine, Anjou, Touraine u. Poitou.

53) Eure-Loire (Orleanois u. Perche), 54) Loire-Cher (Orleanois), 55) Loiret (Orleanois), 56) Mayenne (Maine u. Anjou), 57) Sarthe (Maine u. Anjou), 58) Indre-Loire (Touraine), 59) Indre (Berry u. Theile von Touraine u. Marche), 60) Maine-Loire (Anjou), 61) Vienne Poitou), 62 Vendée (Poitou), 63) Deux (beide) Sèvres (Poitou), 64) Cher (Berry) u. 65) Nièvre (Nivernois).

XI. Bretagne.

66) Finistère (Finisterre), 67) Côtes du Nord (Nordküsten), 68) Ille u. Vilaine, 69) Morbihan u. 70) Loire inférieure (Niederloire).

XII. Normandie.

71) Seine inférieure (Niederseine), 72) Eure, 73) Calvados, 74) La Manche u. 75) Orne (mit Theilen von Perche).

XIII. Französische Niederlande (Flandern).

76) Nord (Norden).

XIV. Franche-Comté nebst Mömpelgard.

77) Haute- (Ober-) Saône, 78) Jura, 79) Doubs.

XV. Lothringen (Lorraine) mit Barr, Metz, Toul u. Verbun.

80) Vosges (Vogesen), 81) Meurthe, 82) Moselle (Mosel), 83) Meuse (Maas).

XVI. Elsaß (Alsace) nebst dem Sundgau.

84) Bas-Rhin (Niederrhein, Niederelsaß), 85) Haut-Rhin (Oberrhein, Oberelsaß u. Sundgau).

XVII. Die Insel Corsica (Isle de Corse).

86) Corse (Corsica).


[502] Diese 86 Departements zerfallen wiederum in 363 Arrondissements, 2847 Cantone u. 36,826 Gemeinen (Communes). Die Hauptstadt des ganzen Landes, Residenz des Kaisers, Sitz der Centralbehörden etc. ist Paris. Außerdem ist F. seit dem Attentat vom 14. Jan. 1858 (s. Frankreich [Gesch.]) in 5 Marschallate (Kriegsbezirke) getheilt, mit je einem Marschall an der Spitze, welcher die Befugniß hat, bei etwaigen Unruhen sofort einzuschreiten u. Gewaltmaßregeln zu treffen, ohne daß es der Einholung eines speciellen Befehls des Kaisers bedarf.

Verwaltung: Das Ministerium des Innern steht an der Spitze der gesammten inneren Verwaltung; es zerfällt mit dem Minister als Chef außer dem Generalsecretär in die 4 Abtheilungen, der General- u. Departementalverwaltung, der Departemental- u. Communalverwaltung, Direction der allgemeinen Sicherheit u. Direction der Telegraphen. An der Spitze jeden Departements steht ein Präfect, dem ein Präfecturrath u. ein Generalrath (Conseil de préfecture, Conseil général) beigeordnet sind. Das Departement ist zugleich Landestheil u. selbständige Einheit (moralische Person), hat als solche eigene Interessen, kann daher besitzen, kaufen u. verkaufen. Der Präfect ist daher einerseits Regierungsorgan, andererseits Departementsrepräsentant; als ersteres muß er (in bes. vorgeschriebenen Fällen) das Gutachten des Präfecturrahs einholen, als letzter wird er vom Generalrath controlirt u. beschränkt. Der Generalrath besteht aus 3 od. 4 vom Kaiser ernannten besoldeten, adsetzbaren Räthen u. bildet eine das ganze Jahr fungirende (berathende) Behörde. Der Generalrath wird vom Volk auf neun Jahr gewählt u. hält jährlich eine zehntägige Sitzung; seine Mitglieder sind unbesoldet. Der Kaiser kann ein einzelnes Mitglied nicht absetzen, aber den ganzen Generalrath auflösen. Zur Befugniß des Generalraths gehört die Vertheilung der vom Gesetzgebenden Körper dem Departement zugewiesenen Steuern unter die einzelnen Arrondissements, er votirt die Departementalsteuern, berathet über Erwerb, Tausch, Verkauf, Processe, Vergleiche etc., die das Departement betreffen. Seine Beschlüsse bedürfen der Genehmigung der Regierung, die, wo sie das Departement allein betreffen, der Präfect ertheilt. Für die einzelnen Verwaltungszweige hat jedes Departement einen Domänendirector, Director der indirecten Abgaben, Generaleinnehmer, Inspector der Brücken u. Straßen etc. (vgl. Péchard, Dictionnaire de l'administration départementale, Par. 1823; Lépinois, Code administratif, Par. 1825). An der Spitze jedes Arrondissements steht ein Unterpräfect; seine Macht dem Arrondissement gegenüber ist geringer als die des Präfecten dem Departement gegenüber. Er handelt nur in seltenen Fällen selbständig, vollzieht meist nur die ihm zukommenden Befehle u. ist Mittelglied zwischen dem Präfecten u. den Maires. Das Arrondissement ist weder eine moralische Person, noch hat es sein eigenes Budget. Der Conseil d'arrondissement wird auf ähnliche Weise wie der Generalrath gewählt, er hat die Vorarbeiten für den Generalrath u. die Vertheilung der directen Steuern an die Gemeinden. Präfecten u. Unterpräfecten ernennt der Kaiser auf Vorschlag des Ministers des Innern. Der Gehalt eines Präfecten 1. Klasse ist jährlich 40,000 Franken. 2. Klasse 30,000 Franken, 3. Klasse 20,000 Franken; eines Unterpräfecten 8000 Franken, resp. 6000 u. 4500 Franken. Beide erhalten freie Wohnung, Beleuchtung, Heizung etc. Jeder Canton hat einen gemeinschaftlichen Friedensrichter (s. unten). Die Gemeinden (Communes) sind zu gleicher Zeit Landestheil u. selbständige Einheit (moralische Person). An der Spitze ihrer Verwaltung steht ein Maire (Bürgermeister) mit einem od. (wenn die Gemeinde mehr als 2500 Ew. hat) mehreren Adjuncten, ihm zur Seite ein Municipalrath (Conseil municipal); der Maire ist daher Regierungsorgan u. Gemeinderepräsentant; als ersteres hat er die ihm zukommenden Aufträge zu vollziehen, die Ausführung der Gesetze zu überwachen u. (mit Ausnahme von Departementshauptstädten über 40,000 Ew.) die allgemeine u. die Ortspolizei zu handhaben. In Städten über 3000 Ew. wird der Maire vom Kaiser, in den kleineren Gemeinden vom Präfecten ernannt. Als Gemeindevorstand liegt ihm die Verwaltung der Gemeindegüter ob, legt er der Gemeinde das Budget vor, repräsentirt dieselbe vor Gericht etc., hält die Geburts-, Tranungs- u. Sterbelisten u. vollzieht die Civiltranungen. Der Municipalrath wird von der Gemeinde auf 5 Jahr gewählt. Wähler ist jeder 21 jährige Franzose, der seine bürgerlichen Rechte genießt u. seit mindestens 6 Monaten in der Gemeinde wohnt; wählbar jeder Franzose, der seine bürgerlichen Rechte genießt, auch wenn er nicht in der Gemeinde wohnt. Der Municipalrath besteht aus mindestens 10 Mitgliedern; in den Gemeinden über 500 bis zu 1500 Ew. aus 12 Mitgliedern u. sofort steigend bis. zum Maximum von 36 Mitgliedern in Städten über 60,000 Ew. Der Municipalrath hat nach dem Gesetz vom 18. Juli 1837 folgende Befugnisse: a) er faßt endgültige Beschlüsse über die Verwaltung der Gemeindegüter, Bedingung der Pachtverträge etc. Die Beschlüsse müssen dem Präfecten u. der Gemeinde vorgelegt werden; ersterer hat das Recht, sie innerhalb der nächsten 30 Tage zu annulliren (aber nicht abzuändern), letztere kann an das Ministerium des Inneren appelliren; b) er berathet das Gemeindebudget, Kauf u. Verkauf von Gemeindegütern, Pächte über 9 Jahre, Annahme von Schenkungen u. Vermächtnissen, Straßenbauten etc. Die Beschlüsse werden theils vom Kaiser (Minister des Inneren), theils vom Präfecten genehmigt od. annullirt; c) er gibt sein Gutachten über Bezirkseintheilung in Cultusangelegenheiten, Annahme von Schenkungen für Wohlthätigkeitsanstalten, Gesuche, welche dieselben betreffen, Budget der Kirchenkassen, wenn die Gemeinden zum Cultus beisteuern. Außerdem steht ihm das Recht zu, gegen Steuerbeträge zu reclamiren. Seine Sitzungen sind nicht öffentlich, die ordentlichen Sitzungen finden jährlich einmal statt u. dauern 10 Tage. Außerordentliche Sitzungen können vom Maire mit Genehmigung des Unterpräfecten u. auf Verlangen von mindestens einem Drittel der Mitglieder mit Genehmigung des Präfecten einberufen werden. Der Präfect kann den Municipalrath suspendiren, der Kaiser denselben auflösen. Die französische Municipalverfassung beruht auf den Gesetzen vom 24. August 1790, vom 31. März 1831 u. 18. Juli 1837. Vgl. über die Departementalverfassung, Geueralräthe etc.: Depping in der Deutschen Vierteljahrsschrift 1840;[503] über die Municipalverfassung: Péchart, Eléments del'administration municipale, 4. Ausg. Par. 1822; Dupin, Histoire de l'admi nistration locale, ebd. 1828; Delacau, De la nature du pouvoir municipal, ebd. 1829; Bülau, in seinem Iahrbuch der Geschichte u. Politik 1841.

Recht u. Rechtspflege. Die gesammte Rechtspflege beruht auf dem Code Napoléon od. Les cinq Codes (s. Code), sowie auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit u. Mündlichkeit. Die Justiz wird im Namen des Kaisers durch von demselben ernannte, aber unabsetzbare Richter geübt. Niemnand kann seinem ordentlichen Richter entzogen werden. Das Civilrecht ist in dem Code civil, auch vorzugsweise Code Napoléon genannt (s. Code A), enthalten; nur wenige Artikel desselben sind durch das Gesetz vom 14. Juli 1819 abgeändert worden. Auf dem Römischen Rechte, den früheren Gesetzen u. Gewohnheiten beruhend, stellt dies Gesetzbuch das Civilrecht unter keine Religion, greift aber auch in das rein Kirchliche nicht ein. Die Ehe ist daher lediglich bürgerlicher Vertrag (Civilehe, s.d.); die rechtliche Giltigkeit derselben wird nur durch die bürgerliche Trauung bedingt, welche von einem Civilstaudsbeamten (Maire, in dessen Verhinderung Adjunct) vollzogen wird. Die kirchliche Trauung darf ohne Ausnahme erst nach der bürgerlichen erfolgen, ist jedoch zur rechtlichen Giltigkeit der Ehe durchaus nicht erforderlich. Die französische Civilehe beruht auf den Gesetzen vom 20. September 1792, vom 8. Nivose u. 4. Floréal des Jahres II., vom 24. Vendémiaire u. 15. Thermidor des Jahres III; auch war sie bereits in die Constitution von 1791 aufgenommen. Besonders scharfsinnig ist im Code civil die Gesetzgebung über die Ehe, die eheliche Gütergemeinschaft u. die Lehre von den Abwesenden; eigenthümlich der Civilstand, die Rechte des Familienraths u. das Pfandrecht. Anderwärts macht sich oft Mangel der Übereinstimmung, ungenaues Verständniß des Römischen Rechts u. mangelhafte Ordnung bemerkbar; am schwächsten ist die Einrichtung des Hypothekenwesens (Grenier, Traité des hypothéques, 3. Ausg., Par. 1828, 2 Bde.). Doch hat dasselbe in neuester Zeit einige Abänderungen erfahren (vgl. Grosse, Explication au point de vue practice de la loi du 23. mars 1855 sur la transcription en matière hypothécaire, Par. 1857). Vergl. außer den Bearbeitungen des Code (s.d. A) Delvincourt, Institutes du droit français, Par. 1824, 3 Bde.; Proudhon, Cours du droit, ebd. 1837, 21 Bde.; Frey, Lehrbuch des französischen Civilrechts, Manh. 1840, 3 Bde.; Dess., Französische Civil- u. Criminalverfassung, ebd. 1842; Thilo, Controversen des französischen Civilrechts, nach Boileux, Stuttg. 1841; Thibaut, Lehrbuch des französischen Civilrechts, Berl. 1841; Zachariä von Lingenthal, Handbuch des französischen Civilrechts, 5. Aufl., bearbeitet von Anschütz, Heidelb. 1852 f., 4 Bde. (auch französisch bearbeitet 1842). Die Civilproceßordnung beruht ursprünglich auf der Ordonnance civile Ludwigs XIV. von 1667, dem Décret sur l'organisation judiciaire vom 14. August 1790, der Ordonnance sur l'organisation des tribunaux vom 18. Mai 1800, namentlich aber auf dem Code de procédure civile (s. Code B), welcher letztere am 1. Januar 1807 in Kraft getreten ist u. nur 1810 u. 1820 einige wenige Abänderungen erfahren hat. Jeder Canton hat eine Vergleichsinstanz od. Friedensgericht (Bureau de conciliation). neu organisirt durch die Gesetze vom 25. Mai 1838 u. 2. Mai 1852. Das Friedensgericht besteht aus einem vom Kaiser ernannten, besoldeten u. durch ihn absetzbaren Richter Friedensrichter [Juge de paix], welcher nicht Jurist zu sein braucht) u. 2 unbesoldeten Stellvertretern (Juges suppléans). Der Friedensrichter ist zugleich Richter u. Vermittler. In ersterer Eigenschaft entscheidet er in letzter Instanz bis zum Werth von 100 Franken u. in erster Instanz bis zum Werth von 200 Franken; Appellation findet beim Kreisgericht statt. In letzter Eigenschaft wirkt er insofern. als kein Proceß beim Kreisgericht anhängig gemacht werden kann, ehe der Friedensrichter nicht die Parteien zu einem Vergleichsversuch berufen u. ihnen die Vergeblichkeit desselben bescheinigt hat. Das Kreisgericht (Tribunal d'arrondissement. bisweilen auch Tribunal erster Instanz [Tribunal de première instance] genannt), besteht je nach der Größe des Arrondissements aus 7 bis 12 wirklichen Richtern u. 4 bis 6 Stellvertretern. Die ersteren sind besoldet; die letzteren, welche aus den Advocaten gewählt werden u. nur zeitweilig für die Richter fungiren, unbesoldet. Zur Competenz des Kreisgerichts gehört in erster Instanz alles, was das Gesetz nicht ausdrücklich einem andern Gericht zuweist, in letzter Instanz bis zum Betrag von 1500 Franken, od. bei Grundstücken bis zum Werth von 60 Franken Rente. Der Appellhof (Cour d'appel) besteht je nach der Größe des betreffenden Gerichtsbezirks aus 24 bis 40 Räthen u. hat bei 24 Räthen 3 Kammern (1 für den Civilproceß, 1 für correctionelle Appellationen u. 1 für Versetzungen in Anklagezustand), bei 30, resp. 40 Räthen 4 resp. 5 Kammern (2, resp. 3 für den Civilproceß). In manchen Fällen wird von sämmtlichen Räthen in pleno geurtheilt. Der Appellhof ist in den meisten Fällen zweite, jedenfalls letzte Instanz für das Kreis-, Correctionell- u. Handelsgericht; nur in wenigen Fällen ist er einzige Instanz. Die Kreisrichter u. Appellationsräthe sind unabsetzbar. Über den Cassationshof s. weiter unten. Außer den Richtern, resp. Räthen ist jedem Gericht ein Staatsanwalt (Procureur impérial, s. unten), mehrere Greffiers u. Huissiers beigegeben u. deren Functionen durch die Decrete vom 31. März 1808 u. vom 14. Juni 1813 bestimmt. Vor den Civilgerichten bedient man sich der Anwälte (Avoués) u. Advocaten (Avocats), welche Letztere gewöhnlich nur plaidiren dürfen u. nach den Decreten vom 14. Decbr. 1810 u. 20. Novbr. 1822 einen eigenen Beamtenstand (Ordre) mit Disciplinarhof (Conseil de discipline) bilden, an dessen Spitze ein gewählter Bâtonnier steht (vgl. Advocat). Der ordentliche Civilproceß mit hauptsächlich schriftlichem Verfahren, dem gemeinen deutschen nicht unähnlich, ist langwierig u. kostspielig; die summarischen Processe führen schnell zur Entscheidung. Die freiwillige Gerichtsbarkeit wird durch Notare (Notaires) verwaltet. Vergl. außer den unt. Code B) genannten Übersetzungen u. Bearbeitungen noch Pansey, De l'autorité judiciaire, 3. Ausg., Par. 1827, 2 Bde.; Carré, Les lois de la procédure ci vile, ebd. 1826, 2 Bde.; Théorie de procédure civile, Poitiers 1828; Pigeau, La proc. civile, 4. Ausg., Par. 1824, 2 Bde.; Berriat St. Paix, Cours de proc. civ., 4. Ausg.,[504] ebd. 1821, 2 Bde.; Rauter, Cours de proc. civ., ebd. 1835; Schenck, Traité sur le ministère public, ebd. 1813; Vaulx, De l'indépendance du min. pu bl., Colmar 1830; Perrin, Sur le travail des greftiers, Par. 1823; Dumont, Manuel des huissiers, ebd. 1824; Delaporte, Le parfait huiss., ebd. 1811, 2 Bde.; Légilge, Répertoire etc. des huiss., 2. Ausg., ebd. 1828, 5 Bde.; Foulon, Code des huissiers, ebd. 1828; Le parfait notaire, ebd. 1813, 3 Bde.; Pansey, De la compétence des juges de paix, 7. Ausg., ebd. 1825 (deutsch von Hoffmann, Zweibr. 1834); Levasseur, Manuel des justices de paix, Par. 1827; Carré, Le droit franç. dans ses rapports avec la jurisdiction des juges de paix, ebd. 1830, 4 Bde.; Lavaux, Man. du trib. de cassat., ebd. 1827; Garnier, Répertoire général. La loi civile et la loi de l'enregistrement comparées, doctrine et jurisprudence, 4. Ausg., ebd. 1857. Die Handelsgerichtsbarkeit beruht auf dem Code de commerce (s. Code C) u. wird von den Handelsgerichten (Tribunaux de commerce) u. den Schiedsrichtern (Prud' hommes) verwaltet. Die Mitglieder des ersteren werden von den Kaufleuten u. Fabrikanten unter sich auf 2 Jahre gewählt u. vom Kaiser bestätigt, die letzteren von den Fabrikanten, Meistern u. Gesellen (zur einen Hälfte aus Meistern, zur andern aus Gesellen bestehend) ebenfalls unter sich gewählt. Vor den Handelsgerichten kann man sich weder eines Anwalts noch eines Advocaten bedienen. Der Code de commerce hat durch das Gesetz vom 8. Juni 1838 über Fallimente eine wesentliche Abänderung erfahren, vgl. außer den bei Code C) genannten Übersetzungen, Commentaren etc. noch Pardessus, Bibliothèque de droit commercial, Par. 1821; Commentare über den Code, s.d.; Savary, Le parfait négotiant, 3. Ausg., Par. 1752, Fol.; Pardessus, Cours de droit commercial, 3. Ausg., ebd. 1826, 5 Bde. (deutsch von Schiebe, Lpz. 1838); Boulay-Paty, Cours de droit comm., Par 1821, 4 Bde.; Vincent, Législation commerciale, ebd. 1821, 3 Bde.; Horson, Questions sur le Code de comm., ebd. 1829; Frémery, Etudes de droit comm., ebd. 1833; Persil, Des sociétés comm., ebd. 1833; Ders., Des commissionnairs et des achats, ebd. 1836; Bravard-Veyrières, Manuel de droit comm., ebd. 1838; Journal le jurisprud. commerciale et maritime, herausgegeben von Girod u. Clariond. Die Criminalproceßordnung u. das Criminalrecht sind in dem Code d'instruction criminelle u. dem Code pénal (s. Code D) u. E) enthalten. Der Criminalproceß beruht auf den Grundsätzen der Anklageschaft, der Öffentlichkeit u. Mündlichkeit u. der Freiheit der Vertheidigung; kein Verhafteter soll über 21 Stunden unverhört bleiben. Dem Anklageproceß geht eine geheime Voruntersuchung voraus. Das Criminalrecht unterscheidet 3 Grade von Gesetzesübertretungen (Infractions): Polizeivergehen (Contraventions), Vergehen (Délits) u. Verbrechen (Crimes) Über die ersteren urtheilt das Polizeigericht, über die zweiten das Zuchtpolizeigericht (Tribunal de police correctionelle), über die dritten der Assisenhof (Cour d'assises). Das Polizeigericht (das Friedensgericht in jeder Cantonshauptstadt), bei welchem der Polizeicommissär die Staatsanwaltschaft vertritt, erkennt bis zu 15 Franken Geldstrafe od. 5 Tage Gefängniß. Man appellirt von demselben an das Zuchtpolizeigericht. Dies ist ein Theil des Kreisgerichts, besteht aus 3 Richtern u. urtheilt über alle Gesetzesübertretungen, welche mit einer höheren als Polizeistrafe bedroht sind, ohne Verbrechen zu sein. Man appellirt vom Zuchtpolizeigericht der Arrondissements- an das der Departementshauptstadt, u. von diesem an das einer anderen Departementshauptstadt desselben Appellationsgerichtsbezirks, am Sitz eines Appellhofs an diesen selbst. Die Verbrechen werden von der Anklagekammer des Appellhofs an den Assisenhof verwiesen; dieser tritt aller 3 Monate in der Departementshauptstadt zusammen u. besteht aus 12 Geschwornen, welche mit Stimmenmehrheit über den Thatbestand urtheilen, u. den Richtern, welche die Strafe erkennen (s. Geschwornengericht). Außer den Verbrechen urtheilen die Assisenhöfe auch noch über Preßvergehen jeder Art (vergl. Hellie, Du jury appliqué aux délits de la presse, Par. 1834; Chassan, Traité des délits et contraventions de la parole, de l'écriture et de la presse, ebd. 1837–39, 3 Bde.) u. über politische Vergehen u. Verbrechen (mit Ausnahme des Hochverraths). Vor den Zuchtpolizeigerichten u. Assisenhöfen wird die Staatsanwaltschaft durch den Procureur impérial vertreten. Von einem Urtheil des Assisenhofes findet eine Appellation nicht statt; nur bei Cassation des Urtheils (Pourvoi en cassation) wird die Anklage vor ein neues Geschwornengericht verwiesen, Vergl. außer den bei Code D) u. E) genannten Übersetzungen, Commentaren etc. noch Dufour, Code criminel, Par. 1810, 2 Bde.; Pigeau, Cours élémentaire, ebd. 1818; Beriat St. Prix, Cours de droit crim., Grenoble 1822; Carnot, Instruction criminelle, Par. 1817, 3 Bde.; Dupin, Observations, ebd. 1821; Bavoux, Leçons préliminaires, ebd. 1824; Marcel de Serres, Manuel de cours d'assises, ebd. 1823, 3 Bde.; Bourguignon, Jurispr. des codes crim., ebd. 1825, 3 Bde.; Rauter, Traité du droit crim., ebd. 1836, 2 Bde.; Boitard, Leçons de droit crim., ebd. 1836; Mittermaier, Das deutsche Strafverfahren in Vergleichung mit dem französischen, 3. Ausg, Heidelb. 1838. Für Hochverrath etc besteht noch ein besonderer hoher Gerichtshof (s. oben, Staatsverfassung). Obgleich es einer der ersten Grundsätze des französischen Rechtes ist, daß Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werden kann, steht es doch nach dem sogenannten Sicherheitsgesetz vom 2. März 1858 der Executivgewalt zu, jeden ihr Mißliebigen zu jeder Zeit ohne richterliches Urtheil nach Algerien zu transportiren od. in irgend einem Departement zu interniren. Der Cassationshof (Cour de cassation) hat nie über den streitigen Punkt selbst, sondern nur über die richtige Anwendung des Gesetzes u. über die Befolgung des vorgeschriebenen, im Interesse des Angeklagten bestehenden, Verfahrens zu entscheiden (Gesetz vom 27. Novbr. 1790). Er besteht aus 1 Präsidenten u. 48 Mitgliedern, welche in 3 Kammern zerfallen, die Requetenkammer (Chambre des réq uêtes), die Civilkammer (Chambre civile) u. die Criminalkammer (Chambre crimi nelle). Keine Kammer kann ein Erkenntniß sprechen, wenn nicht 11 Räthe zugegen sind; bei zum zweiten Mal eingereichten Cassationsgesuchen entscheidet das Plenum. Die Requetenkammer hat in Civilsachen die Vorunter[505] suchung; ist das Gesuch begründet, so verweist sie die Sache an die Civilkammer; andernfalls weist sie das Gesuch durch ein motivirtes Erkenntniß zurück. Bei Criminalsachen erkennt die Criminalkammer direct ohne Vorbescheid. Sobald der Cassationshof ein Urtheil für nichtig erklärt (cassirt) hat, so wird der Proceß vor einen neuen Appellhof (resp. Geschwornengericht) verwiesen; spricht dieser das nämliche Urtheil, u. wird zum zweiten Mal um Cassation eingekommen, so spricht der Cassationshof in pleno (toutes chambres réunies), u. seine Rechtsansicht ist dann bindend für den Appellhof, dem die Sache zum endgiltigen Urtheil überwiesen wird (Gesetz vom 1. April 1837), vergl. Cassationshof. Besondere von den Gesetzen eigens vorgesehene Gerichte sind noch die administrativen Gerichte, die Kriegsgerichte (s. unten, Militärgerichtshöfe), Seegerichte, Disciplinarkammern der Nationalgarde, der Notare, Advocaten etc. u. für das Unterrichtswesen die vom Präfecten präsidirten Departementsräthe (Conseils departementaux) u. der vom Cultusminister präsidirte kaiserliche Rath (Conseil impérial de l'instruction publique). Die Advocaten am Staatsrath, die Notare, Anwälte, Gerichtsschreiber, Gerichtsvollzieher, Wechselagenten, Mäkler u. Auctionstaxatoren können nach dem Gesetz vom 28. April 1816, Art. 91. ihre Nachfolger präsentiren u. mit Genehmigung der Regierung ihre Stellen an dieselben verkaufen.

Finanzen u. Besteuerungswesen. Nach dem Budget für 1859 betragen die gesammten Staatseinnahmen 1,773,919,114 Franken, die gesammten Staatsausgaben 1,766,080,877 Franken, also Überschuß der Einnahmen 7,838,237 Franken. Am 1. Januar 1857 betrug die schwebende Staatsschuld 852,937,400 Fr., die consolidirte Staatsschuld (41/2 0/0 vom J. 1825_: 19,656,889 Fr.; 41/2 0/0 vom J. 1852_: 3,817,081,511 Fr.; 40/0: 58,839,200 F.; 30/0 4,136,414,866 Fr.) zusammen 8,031,992,466 Fr., wofür die Jahresrente von 299,099,242 Fr. zu zahlen. Die Staatseinnahmen bestehen in: directen Steuern (Grund-, Thür- u. Fenster-, Personal-, Mobiliar- u. Patentsteuer), zusammen jährlich ungefähr 500 Millionen Fr.; indirecten Steuern (Tranksteuer von Wein, Bier u. Branntwein, inländischem Zucker, Tabaksmonopol etc.) zusammen jährlich ungefähr über 400 Mill. Fr.; Einregistrirung verkaufter Grundstücke, Stempel etc. jährlich ungefähr 360 Mill. Fr.; Zoll u. Salzsteuer jährlich ungefähr 230 Mill. Fr.; Post jährlich ungefähr 60 Mill. Fr.; andere Einnahmen Holzverkauf aus den Staatswaldungen, Süßwasserfischerei, Paßgebühren, Geldbußen, Flußschifffahrt etc.) jährlich ungefähr 225 Mill. Fr. An der Spitze des gesammten Finanzwesens steht der Finanzminister. Jedes Departement hat einen Generaleinnehmer, einen Director der directen u. einen Director der indirecten Steuern, u. jedes Arrondissement einen Kreiseinnehmer, unter diesem wieder die verschiedenen Untereinnehmer. Von den Ausgaben kommen über 532 Mill. Fr. auf die Interessen der schwebenden u. consolidirten Staatsschuld; ungefähr 40 Mill. Fr. anf die Dotationen (25 Mill. allein die Civilliste); über 1200 Mill. auf die verschiedenen Ministerien (darunter 354 Mill. für das Kriegs-, 140 Mill. für das Marineministerium, 150 Mill. für das Ministerium des Innern, 98 Mill. Handel u. öffentliche Arbeiten, 68 Mill. Cultus u. Unterricht, 28 Mill. Justiz, 12 Mill. Staats- u. kaiserliches Hausministerium, 10 Mill. Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten u. über 300 Mill. auf das Finanzministerium).

Wissenschaftliche Bildung u. Unterricht. Fast das gesammte höhere Unterrichtswesen, ausgenommen die Kunst-, Ingenieur-, Militär-, Navigations-, Veterinär- u. Bergwerksschulen, steht unter der Universität zu Paris, die nicht sowohl eine Unterrichtsanstalt ist, als vielmehr die oberste (Central-) Aufsichtsbehörde über das Unterrichtswesen des ganzen Staates bildet, an deren Spitze der Cultusminister steht; sämmtliche vom Staat angstellte Professoren, Lehrer etc. sind Mitglieder der Universität, welche bis zum Gesetz von 1850 ausschließlich den Unterricht leitete. Seitdem gibt es eine Anzahl meist von Geistlichen geleiteter Unterrichtsanstalten, die jedoch ebenfalls unter Aufsicht des Staates stehen. Der öffentliche Unterricht zerfällt in Primär- (od. Elementar-) Unterricht, Secundär- (od. mittleren) Unterricht u. höheren (od. Facultäts-) Unterricht. Der erstere wird theils von Laien beiderlei Geschlechts, theils von den Frères de la doctrine chrétienne (die sich durch ein fünfjähriges Gelübde dazu verpflichten) ertheilt. Derartige Elementarschulen (einschließlich der Privatschulen) gibt es gegen 60,000 mit ungefähr 40,000 Lehrern u. 23,000 Lehrerinnen, worin über 31/2 Mill. Kinder Unterricht erhalten. Ungefähr 1/5 dieses Lehrerpersonals gehört geistlichen Orden an, zur Bildung desselben bestehen 81 (darunter 3 protestantische) Lehrerseminare; die Elementarlehrer sind sehr schlecht besoldet. Im Budget von 1858 waren für den Primärunterricht insgesammt 12 Mill. Fr. ausgeworfen. Derselbe steht noch auf einer sehr niederen Stufe; in vielen Gemeinden (namentlich in den südlichen u. westlichen Departements) gibt es gar keine Schulen, so daß im Gesammtdurchschnitt 44 Procent von den schulpflichtigen Kindern beiderlei Geschlechts ohne allen Unterricht aufwachsen. Für den mittleren Unterricht (Enseignement secondaire) bestehen 58 vom Staat gegründete Lycées (Gymnasien), 246 von Gemeinden aus eigenen Mitteln unterhaltene Collèges communaux (Progymnasien), 1100 Privatinstitute u. 126 sogenannte kleine Seminare. Die Lyceen u. Collegien zählen ungefähr 20,000, die Privatinstitute gegen 40,000, die kleinen Seminare gegen 20,000 Schüler. Im Budget von 1858 waren für den Secundärunterricht 21/2 Mill. Fr. ausgeworfen. Was den höheren Unterricht anbetrifft, so gibt es an Universitäten (Anstalten mit sämmtlichen Facultäten) nur zwei (Paris u. Strasburg), doch sind auch dies keineswegs Universitäten deutscher Art, da jede Facultät vereinzelt dasteht, u. weder ein gemeinsamer Rector noch Senat dieselben zu einem Ganzen vereinigen. Das höhere Unterrichtswesen kennt 5 Facultäten (Academies): Théologie, Droit (Recht), Médecine, Lettres (Literatur, Philosophie, Philologie, Geschichte), Sciences (exacte Wissenschaften: Mathematik, Physik, Chemie, Naturgeschichte). Solcher Facultäten besitzt F. für die Theologie 8 (u. zwar 6 katholische: Paris, Lyon, Aix, Bordeaux, Rouen u. Toulouse, 1 reformirte zu Montauban, 1 lutherische zu Strasburg), für die Jurisprudenz 9 (Paris, Aix, Dijon, Grenoble, Caen, Poitiers, Rennes, Strasburg u. Toulouse), für die Medicin 3 (Paris, Montpellier u. Stras[506] burg), für die Literatur etc. 17 (die bedeutendsten zu Paris, Toulouse, Strasburg, Dijon u. Befançon), für die exacten Wissenschaften 16 (die bedeutendsten in Paris, Caen, Dijon, Grenoble, Toulouse u. Strasburg), ferner noch 3 pharmaceutische Institute u. 21 medicinische Vorbereitungsschulen. Vom Staate erhält die Universität nur 800,000 Fr. jährlichen Zuschuß; der größte Theil der Ausgaben wird von den in einem besonderen Budget aufgeführten Einnahmen der Facultäten (Immatriculations-, Promotions- u.a. Gebühren, im Jahre 1857 zusammen 2,963,500 Fr.) bestritten. Außer den Facultäten besteht noch für das höhere Unterrichtswesen sowohl zu Paris, wie in den Provinzen eine Anzahl von Instituten für verschiedene Zweige der Kunst u. Wissenschaft; die bedeutendsten sind das Collège de France, 1530 gegründet mit 27 Lehrstühlen für fast alle Zweige der Literatur u. Wissenschaft, das Naturhistorische Museum mit 15 Lehrstühlen, die Schule der lebenden Orientalischen Sprachen mit 9 Lehrstühlen, die Ecole des Charles, der Cours d'archéologie u. der mit dem Bureau des longitudes verbundene Cours d'astronomie; in den meisten von ihnen wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt. Ferner für specielle Zwecke die Ecole polytechnique zu Paris, die Militärschulen zu Paris, St. Cyr, La Flèche, Saumur u. Metz, die Marineschule zu Brest, die Weg- u. Brückenbauschule (École des ponts et chaussées) zu Paris, die Bergwerksschulen zu Paris u. St. Etienne, die Forstakademie zu Nancy, das Conservatoire des arts et métiers zu Paris, die Écoles des arts et métiers zu Chalons, Angers u. Aix, die Handelsschule zu Paris, die Landwirthschaftsschulen zu Roville u. Grignon, Thierarzneischulen zu Alfort, Lyon u. Toulouse, die Malerschulen zu Lyon u. Dijon, ferner Zeichnen-, Musik-, Declamations- u. andere, den Schönen Künsten gewidmete Schulen zu Paris u. an anderen Orten. In Bezug auf das Unterrichtswesen ist ganz F. in 16 Bezirke getheilt, deren Lehrerpersonal eine Abtheilung (Akademie) der allgemeinen Universität bildet (Aix, Besançon, Bordeaux, Caen, Clermont, Dijon, Donai, Grenoble, Lyon, Montpellier, Nancy, Paris, Poitiers, Rennes, Strasburg u. Toulouse). An der Spitze jeder Akademie steht ein Rector, welcher direct dem Cultusminister untergeordnet ist, den höheren u. mittleren Unterricht leitet u. den Elementarunterricht überwacht, dessen letztere Leitung den von dem Präfecten präsidirten Departementsräthen (Conseils départementaux) obliegt. Gelehrte Gesellschaften zur Beförderung der Wissenschaften gibt es in F. in großer Anzahl. Die bedeutendste ist das Institut Impérial de France zu Paris (s. Akademie II. c); ferner die Société Asiatique, S. botanique, S. de géographie, S. d'encouragement pour l'indu strie nationale, S. des gens de lettres, des auteurs dramatiques, S. Française de statistique universelle, S. géologique, S. Impériale d'horticulture, S. Linnéenne, S. météorologique, S. nationale et centrale d'agriculture, S. zoologique d'acclimatisation, die Gesellschaft der deutschen Ärzte etc., sämmtlich zu Paris. Über die Gelehrten Gesellschaften in den Provinzen s.u. Akademie II. D) u. Gelehrte Gesellschaften. Im Ganzen mag es deren in F. zwischen 250 u. 260 geben, sie stehen in Bezug auf Leistungen hinter denen der Hauptstadt zurück. Gleiches gilt von den Sammlungen, denn während in Paris im Louvre, im Luxembourg (Gemäldegallerien), dem Jardin des plantes, Musée de l'histoire naturelle etc., sowie im Schloß zu Versailles die großartigsten Kunst- u. wissenschaftlichen Sammlungen angehäuft werden, geschieht in den Provinzen dafür verhältnißmäßig nur wenig, u. nur in den größeren Städten u. wo Akademien u. Gelehrte Gesellschaften sind, findet man derartige Sammlungen. An Bibliotheken besitzt F. 240 öffentliche, die bedeutendste ist die Bibliothèque Impérial zu Paris (600,000 Bände, eben so viel Brochüren u. Flugschriften, 85,000 Manuscripte, ungefähr 1 Million Urkunden u. andere historische Documente; überhaupt die reichste Bibliothek der Welt), die B. Sainte-Geneviève (250,000 Bde., 30,000 Manuscripte), B. d'Arsénal (180,000 Bde., 6300 Manuscripte), B. Mazarine, B. des Instituts u.a., sämmtlich zu Paris; im übrigen F. zu Lyon, Bordeaux, Aix, Strasburg, Grenoble, Marseille, Besançon, Versailles, Amiens, Mans, Montpellier, Toulouse u.a. (vgl. Bibliothek B) a). Theater gibt es in F. 320 (wovon allein 23 in Paris); 28 Städte haben permanente Truppen; am besten ist das Lustspiel vertreten.

An Wohlthätigkeitsanstalten besitzt F. 1338 Spitäler (Hôpitaux), welche von besonderen Commissionen verwaltet werden. Die jährlichen Gesammteinkünfte derselben betragen ungefähr 57 Millionen, u. die jährlichen Vermächtnisse im Durchschnitt 2–3 Mill. Frcs. In demselben werden jährlich über 500,000 Kranke verpflegt, wovon ungefähr 59,000 (11,8 Proc.) sterben. Ebenso gibt es eine sehr große Anzahl Verpflegungshäuser für arme Alte (Hospices). Findelhäuser (Maisons des enfants trou vés) gibt es in ganz F. 144, worin über 123,000 Kinder bis zu 12 Jahren verpflegt werden; die Kosten (jährlich über 12 Mill. Frcs.) fallen den Departements zur Last; das größte ist das in Paris (s. Findelhäuser). In vielen größern u. kleinern Orten noch eine Anzahl von Kleinkinderbewahranstalten (Crêches), Krippen, s.d., u. Kleinkinderschulen (Salles d'asile). Irrenheilanstalten verschiedener Art 35, mit über 20,000 Geisteskranken u. mit über 6 Mill. Frcs. Kosten für die Departements. Von den Blindeninstituten ist das von Quinze-Vingts in Paris das bedeutendste (im Jahre 1851 gab es 37,662 Blinde in ganz F.). Von den 41 Taubstummeninstituten werden 23 vom Staat unterhalten od. unterstützt (29,512 Taubstumme insgesammt). Öffentliche Armenanstalten (Bureaux de bienfaisance) in ganz F. 8000 mit 14 Mill. Frcs. jährlichen Einkünften, außerdem noch zahlreiche Privatunterstützungsvereine. Öffentliche Leihhäuser (Monts-de-piété) 48; Sparkassen (Caisses d'épargne) in ganz F. 386, worunter 85 in den Departementshauptstädten, die übrigen in den kleinern Orten u. Dörfern mit (am 1. Jan. 1856) Gesammtdotation von 4,600,000 Frcs. u. 2,560,000 Frcs. Reservefonds, 865,952 Sparkassenbücher u. 271,401,908 Frcs. Gesammtsumme der eingezahlten Gelder. Die Vereine zur gegenseitigen Unterstützung (Sociétés de secours mutuels), welche unter den Arbeitern bestehen (für monatliche Beiträge Unterstützung bei Krankheiten), werden von der gegen[507] wärtigen Regierung sehr begünstigt. 1856 gab es deren 3123 mit 345,128 wirklichen Mitgliedern u. 41,434 Ehrenmitgledern (blos bezahlende) einer Gesammteinnahme von über 6 Mill. Frcs. u. 5 Mill. Frcs. Ausgabe. Die Pensionskasse für Greise, (Caisse de retraite pour la vieillesse) wurde 1850 vom Staate gegründet u. am 11. Mai 1851 eröffnet. Der Arbeiterstand legt seine Ersparnisse dort an, um sich ein sorgenfreies Alter zu sichern; die B. iträge werden jährlich od. monatlich eingezahlt bis zu einem Maximum von 750 Frcs. jährlicher Rente. Ende 1855 zählte diese Casse gegen 43,000 Theilnehmer, von denen bis dahin über 42 Mill. Frcs. eingezahlt worden waren.

Heerwesen, Militärversassung u. Festungen. Den Oberbefehl über das gesammte französische Heer führt der Kaiser; an der Spitze der Verwaltung u. Verpflegung desselben steht der Kriegsminister. Die französische Armee hatte 1857 eine Stärke von 366,064 Mann u. zwar: A) Infanterie: 220,268 M. in 117 Regimentern (379 Bataillonen, 3014 Compagnien); a) Kaisergarde: 1 Regim. Gensdarmerie zu Fuß (2 Bataill), 3 Regim. Grenadiere (12 Bataill.), 4 Regim. Voltigeurs (16 Bataill.), 1 Bataill. Jäger zu Fuß (10 Comp.), 1 Regim. Zuaven (2 Batall.), zusammen 9 Regim. u. 1 Bataill.; b) Linie: 100 Linieninfanterieregimenter (300 Bataill à 8 Comp.), 20 Bataill. Jäger zu Fuß (à 10 Comp.), 3 Regim. Zuaven (9 Bataill), 3 Bataill. leichte afrikanische Infanterie (à 7 Comp.), 8 Disc iplinarcomp., 2 Fremdenregim. (6 Bataill.), 3 Reg. Algierische Schützen (9 Bataill.), zusammen 108 Regim. u. 23 Bataill.; außerdem noch 5 Comp. Veteranen u. 117 Comp. u. 24 Sectionen hors rang. B) Cavallerie: 62,988 M. in 58 Regim. (348 Schwadronen); a) Kaisergarde: 1 Schwadron Hundert-Garden, 1 Schwadr. berittener Gensdarmerie, 2 Regim. Kürassiere, 1 Regim. Dragoner, genannt Kaiserindragoner, 1 Regim. Lanciers (Uhlanen), 1 Regim. Chasseurs, 1 Regim. Guiden (jedes derselben zu 6 Schwadr.), zusammen 6 Regim. u. 2 Schwadr.; b) Linie: 2 Reg. Carabiniers, 10 Regim. Kürassiere, 12 Regim. Dragoner, 8 Regim. Lanciers, 12 Regim. Chasseurs, 8 Regim. Husaren, 3 Regim. Chasseurs d'Afrique, 3 Regim. Spahis (jedes dieser Regim. zu 6 Schwadr.), zusammen 58 Regim.; außerdem noch 64 Pelotons hors rang. C) Artillerie: 34,282 M. in 19 Regim. (245 Batterien à 6 Geschützen) mit 49 Depotcompagnien 1470 Geschützen; a) Kaisergarde: 1 Regim. zu Fuß (12 Batterien) mit 1 Depotcomp., 1 Regim. Reitende Artillerie (6 Batterien) mit 1 Depotcomp., zusammen 2 Regim. (18 Batterien) mit 2 Depotcomp. u. 108 Geschützen; b) Linie: 5 Regim. zu Fuß (90 Batterien) mit 5 Depotcomp., 4 Regim. reitende Artillerie (32 Batterien) mit 4 Depotcomp. 7 Regim. fahrende Artillerie (105 Batterien) mit 7 Depotcomp., 1 Regim. Pontoniers mit 17 Depotcomp., 12 Handwerksdepot-Comp., 2 Depotcomp. Waffenschmiede, zusammen 17 Regim. (227 Batterien) mit 47 Depotcomp. u. 1362 Geschützen; außerdem noch 19 Pelotons hors rang. D) Geniecorps: 9068 M. in 3 Regim. (à 2 Bataill.) u. 4 Comp; a) Kaisergarde: 1 Division (2 Comp.); b) Linie: 3 Regim. (6 Bataillone) Genietruppen, 2 Comp. Arbeiter; außerdem noch 3 Comp. hors rang. E) Gensdarmerie: 22,712 M. u. zwar: a) Kaisergarde 1 Reg. Gensdarmerie zu Fuß u. 1 Schwadron zu Pferd; b) 25 Legionen in den Departements, 1 Legion in Algier, die Garde de Paris, 4 Comp. in den Colonien u. 3 Detachements zu Taiti, Nukahiwa u. Miguelon, zusammen 144 Comp. resp. Schwadronen. F) Generalstab. a) Generalität: 10 Marschälle, 91 Divisionsgenerale u. 159 Brigadegenerale in Activität od. Disponibilität, u. 76 Divisions- u. 171 Brigadegenerale in Reserve; b) der eigentliche Generalstab: 32 Obersten, 31 Obristlieutenants, 102 Chefs d'Escadron, 281 Capitäns u. 124 Lieutenants, zusammen 4345 M. G) Train: 4971 M. H) Veteranencorps: 1135 M. I) Intendantur mit allem dazu gehörigen 6295 M. Hierzu kommen noch: Fremdenlegion in Algier: 6110 M. u. Tiralleur- u. Cavalleriecorps der Eingebornen 6737 M., also alles insgesammt: 378,911 M. Im Jahre 1855 (während des Krimfeldzugs) bestand die französische active Armee aus 555,289 M., u. zwar: im Innern 375,231 M., in Afrika (Algerien), 64,893 M., im Orient (Krim etc.) 104,692 M., in Italien 10,473 M.; hierzu an Reserve 39,439 M., also zusammen 594,728 M.; im Jahre 1858 sollte dieselbe bestehen aus 392,400 M. (322,879 im Innern u. Italien, 69,521 M. in Algier) u. 82,500 Pferden, u. zwar: A) Garde aller Waffen 30,042 M. (mit 1381 Offizieren. B) Linie: a) Infanterie 214,180 M. (mit 10,156 Offizieren); b) Cavallerie 55,310 M. (mit 3627 Offizieren); c) Artillerie 30,099 M. (mit 1452 Offizieren); d) Genie 6300 M. (mit 260 Offizieren); e) Gensdarmen 20,201 M. (mit 642 Offizieren). Uniform: Infanterie blaue Waffenröcke mit rothem Kragen u. krapprothem Aufschlag (bei den Voltgeurs gelb), die Grenadiere scharlachrothe, die Voltigeurs gelbe, das Centrum grüne Epauletten; Beinkleider krapproth, Lederzeug weiß um den Leib geschnallt, Patrontasche vorn befestigt, Kopfbedeckung: niedriger Kept, bei den Gardegrenadieren Bärmützen. Die Jäger haben blauen Rock mit gelb, grüne Epauletts u. graue Pantalons. Die Offiziere goldene Epauletten u. zwar der Secondelieutenant ein Epaulette mit Fransen auf der linken, ein Contreepauletts auf der rechten Schulter, Lieutenant dieselben Abzeichen, aber umgekehrt, Capitän 2 Epauletten mit Fransen, Major volles Epaulette mit Bouillons auf der linken, Obristlieutenant auf der rechten Schulter, Obrist 2 volle Epauletten mit Bouillons. Die Uniform der Zuaven ist blau u. krapproth, der orientalischen Tracht nachgebildet etc. Die Uniform der Cavallerie, Kürassiere u. Karabiniers blaue Collets mit Helm u. blankem Brust- u. Rückenharnisch; Dragoner grün, ebenfalls Helme; Lanziers hellblau mit rothem Kragen u. dergl. Czapkas; Chasseurs grün mit gelbem Kragen; Husaren Pelz u. Dolmans von verschiedenen Farben; Beinkleider fast bei sämmtlicher Cavallerie krapproth. Artillerie dunkelblaue Waffenröcke, roth vorgestoßen, gelbe Knöpfe, auf dem Kept 2 übereinander liegende Kanonenröhre, rothe Federbüsche, dunkelblaugraue Beinkleider. Gen iecorps dunkelblaue Waffenröcke, schwarz aufgeschlagen, roth vorgestoßen, weiße Knöpfe, dunkelblaugraue Beinkleider. Die Armee in F. ist in 5 Militärrobercommandos (Decrete vom 28. Januar u. 13. Februar 1858) getheilt, welche in 21 Militärdivisionen u. 88 Subdivisionen zerfallen. An der Spitze jedes Militärober[508] commandos steht ein Marschall von Frankreich, an der Spitze der Militärdivisionen ein Divisionsgeneral. Die Militärdivisionen sind: Paris, Rouen, Lille, Chalons sur Marne, Metz, Strasburg, Befançon, Lyon, Marseille, Montpellier, Perpignan, Toulouse, Bayonne, Bordeaux, Nantes, Rennes, Bastia (Corsica), Tours, Bourges, Clermont, Limoges. Das 1. Commando umfaßt die Militärdivisionen des Nordens, nämlich: 1., 2. u. 3. (Hauptquartier: Paris, Obercommandant: Marschall Magnan); das 2. Commando die Militärdivisionen des Ostens, nämlich: 4., 5., 6. u. 7. (Hauptquartier: Nancy, Obercommandant: Marschall Canrobert); das 3. Commando die Militärdivisionen des Südostens (einschließlich Corsica's), nämlich: 8., 9., 10., 17. u. 20. (Hauptquartier: Lyon, Obercommandant: Marschall Castellane); das 4. Commando die Militärdivisionen des Südwestens, nämlich: 11., 12., 13. u. 14. (Hauptquartier: Toulouse, Obercommandant: Marschall Bosquet); das 5. Commando die Militärdivisionen des Westens, nämlich: 15., 16,18., 19. u. 21. (Hauptquartier: Tours, Obercommandant: Marschall Baraguay d'Hilliers). Die französische Armee ergänzt sich durch freiwilligen Eintritt (der freiwillig Eintretende muß das 18. Jahr zurückgelegt haben u. einen Erlaubnißschein der Eltern beibringen) u. durch Conscription. Militärpflichtig ist jeder 20 jährige Franzose, der die hinreichende Größe hat u. gesund (militärtüchtig) ist; ausgeschlossen vom Militärdienste derjenige, welcher eines Verbrechens halber bestraft worden ist; befreit davon ist der älteste Bruder von vater- u. mutterlosen Waisen, der einzige od. älteste Sohn (beziehentlich Enkel) einer Wittwe od. eines blinden od. 70jährigen Vaters (beziehentlich Großvaters), der jüngere von 2 Brüdern, welche in demselben Jahre militärpflichtig werden, der Bruder eines unter der Fahne weilenden, od. im Dienste verstorbenen Soldaten, die jungen Seelente, die Schüler der Polytechnischen Schule, welche sich verbindlich machen, während ihrer militärpflichtigen Jahre im Staatsdienst zu bleiben, junge Leute, die sich dem Lehrfache widmen u. sich verpflichten, demselben mindestens 10 Jahre anzugehören, die Studenten der Theologie, die Schüler der geistlichen Seminarien, die Candidaten des Predigtamtes, die jungen Leute, die beim Institut od. der Universität einen großen Preis zuerkannt erhalten haben, endlich auch solche, die ihrer Familie erwiesenermaßen unentbehrlich sind. Unter den für tüchtig befundenen entscheidet das Loos über ihren Eintritt in die Armee; bis zum Gesetz vom 26. April 1855 stand es jedem Conscribirten frei, einen Stellvertreter (Remplaçant) zu kaufen u. für sich einzustellen; seitdem bestimmt die Militärverwaltung den Kaufpreis, zieht denselben ein u. stellt den Remplaçant (gewöhnlich einen gedienten Mann). Verwandte können direct für einander eintreten, junge Leute desselben Ortes ihre Loose vertauschen. Die Dienstzeit währt 7 Jahre, die Präsentzeit gewöhnlich nur 4 bis 5 Jahre. Jedem Soldaten steht das Avancement bis zum höchsten Range offen; die Offiziergrade sind: Unter- (Seconde-) Lieutenant, Lieutenant, Capitän, Bataillons- u. Schwadronschef (Major, häufig auch Commandant genannt), Obristlieutenant, Obrist, Brigadegeneral, Divisionsgeneral, Marschall von Frankreich (Maréchal de France). Das Avancement geschieht bei den Subalternoffizieren (bis einschließlich zum Capitän) theils nach Verdienst (au choix), theils nach dem Dienstalter (à l'ancienneté); bei den Stabsoffizieren (vom Major an) nur nach Verdienst. Die Offiziere werden zum Theil auf den Militärschulen gebildet, zum Theil (meistens 1/3) aus dem Unteroffizierstande entnommen; letztere rücken seltenhöher als zum Capitän auf. Was das Avancement zum Corps des Großen Generalstabs der Armee anbetrifft, so kann sich für dasselbe jeder Offizier melden, muß jedoch bereits 1 Jahr bei einem Regiment gedient haben, sich einem sehr strengen Examen unterwerfen, um seine wissenschaftliche Befähigung zu erweisen, u. dann noch 2 Jahre als Lieutenant bei der entgegengesetzten Waffengattung (nämlich 1 Jahr Infanterie bei Cavallerie, od. Cavallerie bei Infanterie, 1 Jahr bei Artillerie u. Geniecorps) dienen. Diejenigen, welche dann ein nochmaliges Examen bestehen, treten in ihr Corps zurück, werden zu Capitäns befördert u. treten später in den Großen Generalstab über, aus dem die meisten Generale hervorgehen. Jede Division hat einen Militärgerichtshof od. Kriegsgericht, von denen jeder aus 1 od. 2 permanenten Kriegsräthen (Co nseils de guerre) als erste Instanz besteht; die zweite Instanz bilden die Revisionsräthe (Conseils de revision), deren 8 permanent sind; jeder der ersteren ist zusammengesetzt aus 1 Obristen, 1 Major, 2 Capitäns, 2 Lieutenants u. 1 Unteroffizier; der letztere wird gebildet aus 1 General, 1 Obrist, 1 Major u. 2 Capitäns. Die Miglieder ernennt der Divisionsgeneral (Vergl. Fouchér, Über Gesetzgeb. für die Militärgerichtshöfe in Kritische Zeitschrift VII. Nr. 20. p. 931 u. Mittermaier, ebd. VIII. Nr. 8. p. 171.) Von Militärschulen gibt es außer den bereits oben (bei Unterricht) erwähnten noch 8 Militärgymnasien u. die Regimentsschulen von allen Waffengattungen, eine Schießschule zu Vincennes u. eine gymnastische Lehranstalt nahe dabei. Ein großer Theil der Offiziere wird auch in der Polytechnischen Schule in Paris gebildet. Die Enfants de troupe sind Kinder von Soldaten u. Unteroffizieren, welche (wenn der Vater noch lebt, im 2., andrenfalls im 8. Lebensjahre) zum Regiment gebracht, in die Uniform desselben eingekleidet, in der Kaserne unterhalten u. dort zu Tambours u. Soldaten erzogen werden. Für den Sanitätsdienst sollen nach einem Decret von 4. Aug. 1855 1577 Ärzte u. 322 Apotheker (zur Zeit jedoch nicht vollzählig) in der Armee angestellt sein, 358 Thierärzte sorgen für die Pferde. Die Truppenverwaltung ist in 2 Sectionen getheilt, von denen die erste die 14 Arbeiterabtheilungen, die zweite die Centraldirection der Parks umfaßt. Militärgefängnisse finden sich 40 in F., 12 in Algier, zu Lambässa in Algier ist ein Disciplinäretablissement, die Werkstätten für die zu öffentlichen Arbeiten Verurtheilten sind sämmtlich in Algier u. zwar zu Algier, Tenez, Oran, Bône, Mers-el-Kébir, La Calle u. Cherchell. Für den Verkehr mit den Beduinen sind der Armee von Algier 40 Dollmetscher beigegeben. Im Allgemeinen gilt die französische Armee als eine der bestgeschulten, bestorganisirten u. trefflichst ausgerüsteten. Die fortwährenden Kämpfe in Algier sind für sie eine vortreffliche Schule. F. besitzt 116 Festungen u. 64 zum Theil befestigte Militärposten, außerdem Paris, das durch eine Anzahl Forts geschützt, ein verschanztes Lager in großartigstem Style bildet. Von diesen 116 [509] Festungen sind 7 Plätze 1. Ranges: Metz, Strasburg, Toulon, Cherbourg, Brest, Lille, Gravelines; 102. Ranges: Mézières, Givet, Charlemont, Thionville, Besançon, Perpignan, Bayonne, Rochefort, Valenciennes, Calais; 24 vom 3. Range: Vincennes, Briançon, Grenoble, Antibes, Mont Louis, Ré, Oléron, Rochelle, Belle Isle, l'Orient, St. Malo, Havre, Amiens, Peronne, Dünkirchen, Cambray, Maubeuge, Douai, Bitsch, Arras, Boulogne, St. Omer, Bastia u. Ajaccio; 75 vom 4. Range: Condé, Landrecies, le Quesnoy, Bellegarde, Bergues, Aire, Bethune, Bouchain, Avesnes, Rocroy, Ardres, Montreuil, Hesdin, Doulens, Bapaume, Guise, Abbeville, la Fere, Ham, Soissons, Laon, Sedan, Verdun, Longwy, Montmedy, Toul, Pfalzburg, Luneville, Lichtenberg, Schlettstadt, Neu-Breisach, Belfort, Dijon, Fort Ecluse, Fort Barraux, Blianson, Mont Dauphin, Embrun, St. Tropez, Cette, Prats de Molo, Villefranche, Lourdes, Navarreins, St. Juan Pied de Port, Andage, la Rochelle, Port Louis, St. Malo, Dieppe, Calvi etc. Von denselben decken 24 die ziemlich offne Nordgrenze von der Küste bis zur Maas (die bedeutendsten darunter: Boulogne, Calais, Gravelines, Lille, Valenciennes); 6 die Nordgrenze zwischen Maas u. Rhein, hinter denen 8 eine innere 2. Reihe bilden (die bedeutendsten darunter sind: Charlemont, Givet, Mézières, Sedan, Metz, Thionville), 11 die Ostgrenze gegen Rhein u. Jura (die bedeutendsten Strasburg, Schlettstadt, Belfort, Besançon), 16 die südliche Ostgrenze gegen die Alpen (die bedeutendsten Briançon, Mont Dauphin), 18 die Südgrenze (u. zwar 5 am Mitteleer [die bedeutendsten: Antibes, Toulon, Cette, Narbonne] u. 13 an den Pyrenäen, wovon Perpignan, Bellegarde, Lourdes u. Bayonne die bedeutendsten), 14 die Westküste gegen den Atlantischen Ocean (die bedeutendsten: Rochefort, la Rochelle, l'Orient, Brest), 9 die Nordküste gegen den Kanal la Manche (die bedeutendsten: St. Malo, Cherbourg, Havre); unter den 5 Festungen im Innern ist Paris die bedeutendste. von den 6 auf der Insel Corsica: Ajaccio u. Bastia. Die Gesammtausgaben für das französische Heer u. Vertheidigungswesen (Budget des Kriegsministeriums für 1859) betragen 354,042,020 Franken Die Nationalgarde, zu deren Dienst früher jeder selbständige Staatsbürger verpflichtet war, ist unter der gegenwärtigen Regierung in den meisten Städten suspendirt; in Paris mag sie sich auf 60,000 M. belaufen.

Marine. Den Oberbefehl über die gesammte Seemacht führt der Kaiser; an der Spitze der Verwaltung derselben steht der Marineminister. Die französische Kriegsflotte bestand im Jahre 1857 aus 40 Linienschiffen mit zusammen 3950 Geschützen (u. zwar 10 ersten Ranges zu 120 Geschützen, 10 zweiten Ranges zu 100 Geschützen, 15 dritten Ranges zu 90 u. 5 vierten Ranges zu 80 Geschützen), 40 Fregatten mit zusammen 2510 Geschützen (u. zwar 12 ersten Ranges zu 60 Geschützen, 17 zweiten Rauges zu 50 u. 16 dritten Ranges zu 40 Geschützen), 20 Corvetten mit zusammen 528 Geschützen (u. zwar 8 zu 30 u. 12 zu 24 Geschützen), 30 Briggs zu 20 Geschützen, 10 Avisocorvetten zu 16 Geschützen, 20 Avisobriggs zu 16 Geschützen, 10 leichte Briggs zu 4 Geschützen, 40 Goëlelten u. Kutter von 4–10 Geschützen, 20 Lastcorvetten zu 800 Tonnen, 30 Gabarren zu 380 Tonnen, 3 Dampffregatten zu 540 Pferdekraft, 1 Dampffregatte zu 320 Pferdekraft, 40 Dampfcorvetten zu 250 Pferdekraft, 6 Dampfcorvetten zu 220 Pferdekraft, 33 Avisodampfer bis zu 100 Pferdekraft; im Ganzen 353 Kriegsfahrzeuge. Außerdem liegen noch auf den Werften 13 Linienschiffe verschiedenen Ranges mit zusammen 1146 Geschützen, 18 Fregatten mit zusammen 1445 Geschützen, 19 Corvetten mit zusammen 340 Geschützen u. 4 Briggs, so daß die gesammte französische Marine 407 Fahrzeuge mit nahe an 12,000 Geschützen umfassen würde. Ein Theil der Linienschiffe u. Fregatten sind in neuester Zeit mit Schrauben versehen worden, so daß sie je nach Umständen mit Segel- od. Dampfkraft fahren können (Navires mixtes). Im Laufe der nächsten 10 Jahre sollen noch 150 neue Fahrzeuge u. 73 Transportdampfer gebaut werden. Die Bemannung der gesammten Flotte zählt 56,616 Matrosen etc. (zur vollständigen Bemannung aller seiner Kriegsfahrzeuge würde Füber 130,006 Mann bedürfen); das Corps der Marinesoldaten (Infanterie u. Artillerie) 19,987 Mann, getheilt in 4 Regimenter u. 124 Compagnien. Der Effectivbestand der Marineoffiziere zählte im Jahre 1857_: 2 Admirale (mit Marschallsrang), 13 Viceadmirale (Divisionsgeneralsrang), 22 Contreadmirale (Brigadegeneralsrang), 111 Linienschiffscapitäne (Obristenrang), 229 Fregattencapitäne (Obristlieutenantsrang), 673 Schiffslieutenants (Infanteriehauptmannsrang), 493 Schiffsfähnriche (Enseignes, Infanterielieutenantsrang), 139 Seecadetten (Aspirants de marine). Die Seedienstpflichtigkeit ist durch das Gesetz vom 3 Brumaire des Jahres IV. geordnet; die Mannschaft wird durch die Inscription maritime, in deren Listen alle 20–25jährigen Schiffer u. Matrosen eingetragen sind, recrutirt; die Dienstpflicht währt 3 Jahre. Jedem Seemann werden 3 Proc. seines Soldes jährlich abgezogen, wofür ihm die Caisse des in valides de la mer einen Halbsold sichert. In gleichem Grade wie die Stärke hat sich auch die Tüchtigkeit der französischen Marine in neuester Zeit gehoben Die französische Seemacht u. das dazu gehörige Corps des équipages de ligne ist in 5 Divisionen getheilt. von denen je eine den 5 großen französischen Kriegshäfen zugehört. Diese 5 Flottenstationen (zugleich Sitze der Seepräsecturen) sind: Cherbourg (mit den am 7. Aug. 1858 eröffneten großartigen neuen Bassius der bedeutendste Kriegshafen F-s; diese Flottenstation umfaßt außerdem noch die Kriegshäfen von Havre u. Dünkirchen); Brest (mit St. Servan); L'Orient (mit Nantes); Rochefort (mit Bordeaux u. Bayonne); Toulon (mit Marseille u. Bastia); außerdem noch Kriegshäfen zu Boulogne, auf den Inseln Ré u. Oléron, zu La Rochelle, St. Tropez u. Antibes. Die Gesammtausgaben für das französische Seewesen (einschließlich der bis dahin unter dem Marineministerium stehenden Colonialverwaltung) betragen nach dem Budget für 1859_: 140,548,538 Franken. Seit dem 24. Juni 1858 besteht jedoch für Algerien u. die Colonien ein eigenes Ministerium (s. unten die Französischen Colonien).

Der Ackerbau ist frei; die Erbtheilungs-, Erwerbs- u. Besitzesfreiheit ist ungehindert. Dessenungeachtet u. trotz der vielseitigen Unterstützung von Seiten der Regierung (Gründung von Ackerbauschule, Veranstaltung öffentlicher Thierschauen[510] u. landwirthschaftlicher Ausstellungen, Unterstützung der Drainage, wozu 1856 100 Millionen Frcs. bewilligt wurden), steht derselbe keineswegs auf der hohen Stufe wie in England, Deutschland u. einigen Staaten Nordamerikas; trotzdem daß an 56 Proc. (über 20 Millionen Seelen) der Gesammtbevölkerung dem Bauernstande angehören, sind doch nur etwa 46 Proc. (über 25 Millionen Hectaren, 1 Hectare =3,9 preußische Morgen) der Gesammtoberfläche dem eigentlichen Ackerbau gewidmet; mehr als 1/3 davon (nahe an 9 Millionen Hectaren) gehört noch dem großen Grundbesitz an, aber selbst von diesem wird (ausgenommen in der Nähe von Paris) der Boden nicht so angebaut u. ausgenutzt wie in den genannten Ländern; dem kleinen Grundbesitz fehlt es dazu an Intelligenz u. Capital. Gleichwohl erbaut F. bei der Güte u. Fruchtbarkeit seines Bodens selbst in Mitteljahren den Bedarf für das ganze Land. Der capitalisirte Werth des Grundbesitzes in F. ist seit den letzten 30 Jahren von 40 auf 84 Milliarden Frcs. gestiegen, wovon durchschnittlich dem kleinen Grundbesitz mehr als dem großen zu Gute gekommen ist. Die 54,452,600 Hectaren der Bodenoberfläche F-s vertheilen sich folgendermaßen: über 25 Millionen Hectaren Ackerland, über 5 Millionen Hectaren Wiesen, über 2 Millionen Hectaren Weinberge, über 8 Millionen Hectgren Waldungen, über 630,000 Hectaren besteuerte Obst-, Gemüse- u. dgl. Gärten, über 110,000 Hectgren Oliven-, Mandel- u. Maulbeerbaumpflanzungen, über 560,000 Hectaren Kastanienwaldungen, über 7 Millionen Hectaren unbebaute Flächen (Haiden etc.), über 2 Millionen Hectaren Straßen, Gebäude, Gewässer, Eisenbahnen etc. Im N. u. O. findet sich namentlich fetter Kornboden, daher werden dort vorzugsweise gebaut: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Runkelrüben (zu Zucker), Öl- u. Hülsenfrüchte, Flachs etc.; im W. namentlich fetter Grasboden, daher bedeutende Viehzucht; im S. Getreide, vorzugsweise Mais, ferner Wein, Maulbeerbäume, Südfrüchte etc. Die vorherrschende Brodfrucht ist im nördlichen u. mittlern F. der Weizen, im südlichen der Mais. Der Gesammtwerth der Cerealien einer mittleren Jahresernte beträgt über 3 Milliarden Frcs. Der Weinbau ist eine der wichtigsten Hülfsquellen F-s u. wird mit Ausnahme von 8 nördlich gelegenen Departements im ganzen Lande betrieben; er beschäftigt ungefähr 3 Millionen Menschen u. nimmt ungefähr 4 Proc. (über 2 Millionen Hectaren Weinberge) der Bodenoberfläche des Landes ein. Die 3 Hauptsorten sind die Bordeaux-, Burgunder- u. Champagnerweine (s.d. a.). In mittleren Jahren rechnet man den Gesammtertrag zu 60 Millionen Hectoliter Wein, wovon ungefähr 20 Millionen Hectoliter von den Producenten selbst getrunken werden u. 40 Millionen Hectoliter zur Versteuerung kommen; der Durchschnittspreis stellt sich in solchen Jahrgängen auf 12 Frcs. pro Hectoliter heraus; aus den geringeren Sor ten, namentlich an der Loire u. Charente, wird Branntwein (Cognac) bereitet. In den nördlichen Gegenden, bes. in der Normandie u. Picardie, ersetzt der Obstbau den Wein; namentlich aus den Äpfeln wird Cider bereitet (jährlich im Durchschnitt für 84 Millionen Franken). Die Forstcultur steht in F. auf niederer Stufe; große Waldungen sind selten. Vor 1789 besaß F. über 17 Millionen, jetzt nur noch über 81/2 Millionen Hectaren Waldungen, deren Ertrag sich auf jährlich 36 Millionen Stères (Kubikmeter) Holz im Gesammtwerth von ungefähr 200 Millionen Franken beläuft. Die Viehzucht ist ebenfalls nicht hinreichend cultivirt, u. namentlich wird die Pferdezucht (obwohl die normannischen u. limousiner Pferde ausgezeichnet sind) sehr vernachlässigt; an schönen starken Pferden ist trotz der 27 Gestüte, welche der Staat unterhält, großer Mangel, u. die Remonte muß deshalb theilweis aus dem Auslande bezogen werden; den Gesammtbestand rechnet man in ganz F. auf etwas über 3 Millionen Stück. Auch die Rindviehzucht ist nicht ausreichend, das beste zieht man noch in der Normandie u. der Auvergne; Ost-F. ist auf die Schlachtvieheinfuhr aus Deutschland u. der Schweiz angewiesen. Schafe sind durch spanische u. deutsche veredelt worden, doch bezieht man noch immer einen großen Theil der Wolle vom Auslande. Schweinezucht ist namentlich in der Auvergne, Bretagne u. der Umgegend von Bayonne sehr bedeutend. Ziegen sind durch Angoraziegen u. durch tibetanische veredelt worden; ihre Haare werden zu Zeugen verarbeitet. Esel sind das gewöhnliche Lastthier in F., im S. auch Maulthiere. Die Viehproduction bringt jährlich in ganz F. gegen 11/2 Milliarden Frcs. ein. Die Fischerei ist ebenfalls sehr einträglich; der Wallfischfang liefert jährlich 14,000 metrische Ctr. Thran u. Fischbein; der Stockfischfang beschäftigt gegen 400 Schiffe u. nahe an 1300 Menschen u. bringt jährlich 270 metrische Centner Waare. Der Seidenbau wird namentlich in den im Rhônegebiet gelegenen Departements betrieben u. beschäftigt während der ersten 2 Sommermonate Tausende von Familien; 90 Proc. der gesammten in F. erbauten Seide werden dort erzielt.

Die Industrie steht in F. auf einer hohen Stufe der Vollkommenheit; ihre Hauptvorzüge sind Wohlfeilheit, Eleganz (in Bezug sowohl auf Form als Farbe) u. verfeinerter Geschmack. Ju F. besteht vollkommene Gewerbefreiheit; die Zünfte sind durch die Revolution aufgehoben worden; jeder kann jedes Handwerk od. auch mehrere zugleich treiben, ohne sich besonderen Bedingungen (Prüfungen etc.) unterwerfen od. um Concession nachsuchen zu müssen; nur die Zahl der Bäcker u. Fleischer ist in manchen Gemeinden beschränkt. Der Gesundheit u. nachtheilige od. ruhestörende Fabriken u. Etablissements bedürfen einer besonderen Erlaubniß. Die Baumwollenindustrie ist namentlich in der Normandie, der Picardie u. dem Elsaß vertreten. Ganz F. beschäftigt in mehr als 2500 Fabriken ungefähr 250,000 Arbeiter, die jährlich an 150 Mill. Kilogramme Baumwolle verarbeiten u. für mehr als 600 Millionen Franken Waare liefern. Die Leinenindustrie beschäftigt über 60,000 Arbeiter, welche jährlich an 125 Millionen Kilogr. Hanf u. Flachs verarbeiten u. für ungefähr 500 Millionen Frcs. Waare (Leinwand, Batist, Spitzen etc.) liefern. Die Wollenindustrie 2600 Fabriken mit ungefähr 150,000 Arbeitern, jährlich 92 Millionen Kilogramme Wolle (worunter 58 Millionen Kilogramme inländische) verarbeitend u. für 700 Mill. Frcs. Waaren liefernd (die besten Tuche in Sedan, Elboeuf u. Louviers, ferner auch Tuch in Abbeville, Rouen, Lisieux, Limoges, Roubaix, in zahlreichen anderen Orten: Flanelle, Merinos, Shawls, Teppiche, Strümpfe etc.). Die Seidenindustrie[511] F-s zählt die besten Fabriken der Welt; sie ist namentlich vertreten in Lyon, Paris, Nismes, Valence u. St. Etienne, u. liefert jährlich an seidenen Waaren, Bändern etc. für mehr als 450 Millionen Frcs. an Werth. Lederindustrie (Schuhmacher, Handschuhmacher [namentlich in Paris, Grenoble, Luneville u. Chaumont], Sattler etc.) an 300 Mill. Frcs. Papierfabrikation (über 200 Fabriken) liefert 30 Millionen Kilogramme (über 4 Millionen Ries) Papier; die gesammten Druckereien bringen gegen 40 Millionen Frcs. ein; Möbelfabrikation 50 Millionen Frcs., Seife, Parfümerien etc. gegen 70 Millionen Frcs., Uhrmacherei (namentlich in den Departements Jura, Doubs, Ain u. Yonne) über 40 Mill. Frcs., Gold-, Silber- u. Bronzewaaren gegen 90 Millionen Frcs., Glaswaaren, Spiegel etc. gegen 50 Millionen Frcs., Porzellan, Fayence (namentlich zu Paris, Sèvres, Limoges, Moustine u. Rouen) etc. ungefähr 22 Millionen Frcs., Töpferwaaren 30 Millionen Frcs.; die sogenannten Pariser Artikel (Luxusgegenstände aller Art, die sich namentlich durch Eleganz der Form, Geschmack in der Farbewahl etc. auszeichnen) zusammen über 150 Millionen Frcs., außerdem noch zahlreiche Eisen-, Stahl-, Kupfer-, Messing-, Zinn-, Holz-, chemische u.a. Waaren. Der Gesammtertrag der französischen Industrie in den genannten Fächern beläuft sich jährlich auf mehr als 3 Milliarden Frcs. Die Runkelrübenzuckerfabrikation beläuft sich jährlich auf 50 Millionen nern Runkelrüben). Zur Förderung der Industrie tragen die jährlich zu Paris stattfindende Kunstausstellung u. die Société d'encoura gement pour l'industrie nationale, sowie ähnliche Gesellschaften viel bei Bergbau- u. Hüttenwesen: in F. bedarf es zur Gewinnung der zu Tage liegenden Erze keiner Concession, was die nicht zu Tage liegenden Erze anbelangt, so erklärt zwar das Gesetz vom 21. April 1810, gleich dem Code Napoleon, das Eigenthum des Untergrundes für identisch mit der Oberfläche, behält aber der Regierung das Recht vor, die Concession zur Ausbeute der Erzlager solchen zu verleihen, die sich durch Intelligenz u. Capital am besten dazu eignen; der Eigenthümer erhält dafür eine Rente. Die höheren Bergbeamten (Ingenieurs des mines) werden auf der École des mines zu Paris, die Unterbeamten (Conducteurs des mines) auf der Bergwerksschule zu St. Etienne gebildet. 1852 beschäftigten die Steinkohlenwerke 35,381 Arbeiter (an 20 Millionen Frcs. jährlichen Gehalt) u. 460 Dampfmaschinen (mit zusammen 12,880 Pferdekraft) u. producirten 49,039,259 metrische Centner (à 100 Kilogramme od. 2 Zollcentner) Kohlen im Werthe von 46,751,806 Frcs. (doch mußten noch über 30 Mill. Centner aus dem Auslande eingeführt werden). 2153 Torf- u. Braunkohlengruben producirten 4,333,272 metrische Centner im Werthe von 4,668,223 Franken. An Eisenerz: 88 Gruben (Mines) u. 864 Lager (Minières), mit zusammen 11,601 Arbeitern, producirten 20,806,334 metrische Centner. An anderen Erzen (24 Gruben mit 2103 Arbeitern u. 686,500 Frcs. Gehalt), wurde producirt Kupfer (im Rhônedepartement) 92,849 metrische Centner für 121,991 Frcs.; Blei (namentlich in den Departements Puy de Dome u. Hautes-Alpes) 35,943 metrische Centner für 135,805 Frcs.; Blei mit Silber 78,164 metrische Centner für 968,532 Frcs.; Antimon 21,799 metrische Centner für 164,743 Frcs.; Zinn 31 metrische Centner für 4185 Frcs. an Werth. Die Salzproduction belief sich auf 4,280,376 metrische Centner für 7,833,099 Frcs. an Werth. Die Hüttenwerke lieferten an rohem Gußeisen mit vegetabilischen Brennstoffen 2,633,400 metrische Centner für 42,709,682 Frcs., mit mineralischen 2,593,034 metrische Centner für 32,276,415 Frcs.; Eisenguß nach zweiter Schmelzung 900,886 metrische Centner für 28,661,310 Frcs.; an Stabeisen, Stangen, Eisenblech etc. mit vegetabilischen Brennstoffen 860,427 metrische Ctr. für 38,385,456 Frcs., mit mineralischen 3,959,351 metrische Ctr. für 122,116,620 Frcs.; an Eisenbahnschienen 604,616 metrische Ctr. für 16,401,490 Frcs.; an Stahl 180,981 metrische Centner für 15,388,235 Frcs.; an Blei 23,403 metrische Ctr. für 1,036,179 Frcs.; an Kupfer 19,192 metrische Centner für 5,107,338 Frcs.; an Gold 18,312 Grammes für 62,261 Frcs; an Silber 6286 Kilogramme für 1,354,012 Frcs. an Werth.

Der Handel F-s ist von großer Bedeutung u. steht nur hinter dem Großbritanniens u. Gesammtdeutschlands (Hansestädte, Zollverband u. Österreich) zurück; er wird im Innern durch monopolistische Beschränkungen, nach außen durch die verschiedenartigsten Hemmnisse an seiner freien Entfaltung gehemmt. Der französische Handel (mit dem Ausland) umfaßt über 14 Proc. des gesammten europäischen Handels. Die jährlich vom Finanzministerium publicirten Tableaux de douanes geben eine Übersicht über den Umfang des speciellen u. des sogenannten allgemeinen Handels; erster umfaßt in der Einfuhr blos die für den inneren Verbrauch verzollten Waaren u. in der Ausfuhr nur die inländischen Producte; letzter außerdem noch den Transit und die in den Entrepots niedergelegten Waaren. Ferner enthalten diese Tableaux die Preisangaben nach dem officiellen Werth (Valeur officielle) und dem jetzigen od. wirklichen Werth (Valeur actuelle); erster ist der Preis wie er 1826 für alle Waaren festgesetzt wurde, letzter der wie er (seit 1847) für alle Waaren jährl ich aufs neue bestimmt wird. Im Jahre 1855 betrug die Einfuhr des allgemeinen Handels nach officiellem Werth 1952 Millionen Franken, nach wirklichem Werth 2160 Mill. Frcs. davon für den speciellen Handel 1366 resp. 1594 Mill. Frcs.; hiervon wurden (nach officiellen Werth) für 1276 Mill. Frcs. zur See und für 676 Mill. Frcs. zu Lande eingeführt. Von den 1366 Mill. Frcs. (officieller Werth) resp. 1594 Mill Frcs. (wirklicher Werth) des speciellen Handels kommen auf England und dessen Colonien 249 (resp 285) Mill. Frcs.; Vereinigte Staaten von Nordamerika 205 (resp. 176) Mill. Frcs.; Belgien 145 (resp. 197) Mill. Frcs; Sardinien 102 (resp. 114) Mill. Frcs; französische Colonien 89 (resp. 99) Mill. Frcs.; Zollverein 77 (r esp. 108) Mill. Frcs.; Spanien 66 (resp. 96) Mill. Frcs.; Britisch Indien 52 (resp. 51) Mill. Frcs; Türkei und Ägypten 72 (resp. 82) Mill. Frcs. etc. Die bedeutendsten Einfuhrartikel waren: Rohe Seide für 153 (resp. 176) Mill Frcs.; rohe Baumwolle 135 (resp. 121) Mill. Frcs.; Getreide 75 resp. 122) Mill. Frcs; rohe Wolle 69 (resp. 69) Mill. Frcs.; Rohrzucker 59 (resp. 62) Mill. Frcs.; [512] Tabak 58 (resp 27.) Mill. Frcs.;Steinkohlen 57 (resp. 89) Mill. Frcs.; ferner Ölsamen, Holz, rohe Häute, Vieh, Zucker, Kaffee, Indigo etc. Die 1276 Mill. Frcs. (officieller Werth) betragende Einfuhr zur See wurde vermittelt durch 22,987 Schiffe mit einem Gesammtgehalt von 3,302,568 Tonnen (à 1000 Kilogr.), wovon 9587 französische Schiffe (1,248,086 Tonnen u. 568 Mill. Frcs.) u. 13,400 fremde Schiffe (2,054,482 Tonnen u. 708 Mill. Frcs.). Die Ausfuhr des allgemeinen Handels betrug im Jahre 1855 nach officiellem Werthe 2027 Mill. Frcs., nach wirklichem Werth 2167 Mill. Frcs. (davon für den speciellen Handel 1444 resp. 1558 Mill. Frcs.); hiervon wurden (nach officiellem Werth) für 1582 Mill. Frcs. zur See, u. für 445 Mill. Frcs. zu Lande ausgeführt. Von den 1444 Mill. Frcs. (officieller Werth) resp. 1558 Mill. Frcs. (wirklicher Werth) des speciellen Handels kommen auf England u. dessen Colonien 257 (resp. 317) Mill. Frcs.; Vereinigte Staaten von Nordamerika 203 (resp. 247) Mill. Frcs.; Belgien 131 (resp. 151) Mill. Frcs.; Algerien 155 (resp. 104) Mill. Frcs.; Spanien 93 (resp. 82) Mill. Frcs; Schweiz 65 (resp. 70) Mill. Frcs.; Türkei mit Ägypten 70 (resp. 86) Mill. Frcs.; Zollverein 61 (resp. 66) Mill. Frcs.; Sardinien 57 (resp. 64) Mill. Frcs. etc. Die bedeutendsten Ausfuhrartikel waren: Seidenwaaren (Gewebe, Bänder etc.) für 307 (resp. 358) Mill. Frcs.; Baumwollenwaaren 196 (resp. 74) Mill. Frcs.; Wollenwaaren 171 (resp. 160) Mill. Frcs.; Kurze Waaren 57 (resp. 87) Mill. Frcs.; Wein 55 (resp. 160) Mill. Frcs.; ferner verarbeitete Felle, Leinwand u. Leinenzeuge, raffinirter Zucker, Töpfer- u. Glaswaaren, Papier, rohe Seide, Metall- u. Lederwaaren, Krapp, Farben, Branntwein, Parfümerien, Gold- u. Silberwaaren etc. Die 1582 Mill. Fres. (officieller Werth) betragende Ausfuhr zur See wurde vermittelt durch 13,770 Schiffe mit einem Gesammtgehalt von 2,030,698 Tonnen (à 1000 Kilogr.), wovon 5768 französische Schiffe (933,948 Tonnen u. 672 Mill. Frcs.) u. 8002 fremde Schiffe (1,096,750 Tonnen u. 910 Mill. Frcs.). Der gesammte auswärtige französische Handel betrug demnach im Jahre 1855 nach officiellem Werth 3979 Mill. Frcs., nach wirklichem Werth 4327 Mill Frcs. Der Binnenhandel übersteigt den zehnfachen Betrag des auswärtigen, doch lassen sich über denselben keine genauen Zahlen aufstellen, da authentische Angaben darüber fehlen. Die Küstenschifffahrt betrug im Jahre 1855_: 2,231,724 Tonnen, wovon 1,597,916 Tonnen auf die Häfen des Atlantischen Oceans u. des Kanals (La Manche), u. 633,808 Tounen auf die des Mittelmeeres kamen. Abgesandt für die Küstenschifffahrt wurde am meisten in Marseille, Havre, Nantes, Bordeaux; am meisten eingelaufen in Rouen, Marseille, Bordeaux, Havre, Toulon, Dünkirchen und Nantes. Die wichtigsten Plätze für den Landhandel sind Paris u. Lyon, darauf folgen Strasburg, Nismes, Beaucaire, Montpellier, Toulouse, Rennes, Lille. Jahrmärkte u. Messen zählt man in F. jährlich 25,378, worunter die von Beaucaire (Magdalenenmesse, 22.–28. Juli) die berühmteste. Über das französische Bankwesen vgl. den Art. Bank II. D) d). Der Betrag der bei der Bank von Frankreich (zu Paris) discontirten Papiere belief sich im Jahre 1856 auf 4674 Mill. Frcs. (eine Zunahme von 912 Mill. Frcs. gegen 1855); außerdem noch 814,000 baar eincassirte Sichtwechsel im Werthe von 1121 Mill. Frcs. Die Vorschüsse auf Staatsrenten, Eisenbahnactien etc. betrugen in dem genannten Jahre 882 Mill. Frcs. Die Circulation der Bankscheine schwankte zwischen 585 u. 667 Mill. Frcs., der Baarvorrath zwischen 159 u. 294 Mill. Frcs. Die von der Pariser Hauptbank auf die 38 Zweigbanken u. vice versa gezogenen Wechsel betrugen 513 Mill. Frcs. (137 Mill. mehr als im Jahre 1855.) Sämmtliche Operationen der Bank beliefen sich auf nahe an 36 Milliarden. Von den Creditanstalten sind die bedeutendsten der Crédit foncier de France u. die Société générale de Crédit mobilier, beide zu Paris (vgl. Creditanstalt 2) u. 3); von erster waren Ende 1855_: 210,473 Obligationen im Werth von 61,148,250 Fres. im Umlauf; ferner das Comptoire d'escompte zu Paris (1848 gegründet, da die Bank von Frankreich nur Wechsel discontirt, welche mit 3 Unterschriften versehen sind); die Operationen desselben sind jährlich in bedeutendem Zunehmen; sie betrugen im Jahre 1855 nahe an 677 Mill., 1856 über 735 Mill. Frcs. Überhaupt hat sich das Associationswesen in F. während der letzten Jahre außerordentlich vermehrt. Ende 1855 gab es in ganz F. 18 anonyme Gesellschaften, 387 Actiengesellschaften, 489 Commanditen, 2816 einfache Compagnien (en nom collectif). Von den Assecuranzen sind die bedeutendsten gegen Seegefahr: die Compagnie d'assurance générale maritime, die Chambre d'ass. marit., Salamandre (auch Feuer- u. Lebens-Assecuranz), Lloyd Français, sämmtlich zu Paris; die Comp. commune d'ass. marit. zu Havre, die Comp. Bretonne d'ass. marit. zu Nantes; für die Flußschifffahrt: L'Alliance (auch Feuer-Assecuranz) zu Paris; gegen Feuersgefahr: Compagnie d'alliance, Comp. Lyonnaise d'ass., Comp. Impériale d'ass., La France, L'Immortelle, Phénix, Salamandre u.m.a. mit zusammen 82 Mill. Frcs.; Lebensversicherungs-Anstalten: L'Alliance, Ass. générales, Comp. Impériale d'ass. sur la vie, Salamandre u.m.a.; Kinderausstattungs-Versicherung: Caisse paternelle zu Paris. (Vgl. Assecuranz II. A)–D).

Schifffahrt. Die französische Handelsmarine (d.h. die Anzahl der in den französischen Häfen immatriculirten Schiffe) betrug Anfang 1856_: 14,248 Fahrzeuge mit zusammen 872,156 Tonnengehalt u. zwar 14,023 Segelschiffe mit 848,254 Tonnengehalt u. 225 Dampfer (117 auf dem Mittelmeere, 108 auf dem Atlantischen Ocean u. Kanal Manche) mit 23,902 Tonnengehalt. Größere Seehandelshäfen besitzt F. über 40; die bedeutendsten davon sind: Dünkirchen, Dieppe, Havre, Rouen, St. Malo (sämmtlich am Kanal Manche, Rouen wenigstens dorthin gehörig); Nantes, Bordeaux, Bayonne (sämmtlich am Atlantischen Ocean); Cette, Marseille, Toulon (am Mittelmeere). An Leuchtthürmen u. Lichtern aller Art werden 156 unterhalten, wovon 28 im Mittelmeere).

Innere Verkehrswege (Kanäle, Eisenbahnen, Chausseen etc.). F. besaß Anfang 1858 97 Kanäle, wovon die bedeutendsten: der Canal de Bourgogne, der die Yonne mit der Saone, also die Seine mit der Rhone (Kanal La Manche u. Mittelmeer) verbindet; die Kanäle du Nivernais, [513] de Briaire u. d'Orléans, die Seine u. Loire (Kanal La Manche u. Atlantischen Ocean) verbindend; der Canal de la Marne au Rhin; der Canal du Rhône au Rhin; der Canal du Centre, der die Loire mit der Saone, also mit der Rhone (Atlanttischen Ocean u. Mittelmeer) verbindet; der Canal du Midi, 241 Kilometres lang von der Garonne bei Toulouse nach dem Etangs bei Cette, also den Atlantischen Ocean mit dem Mittelmeere verbindend; ferner die flandrischen Kanäle zwischen Dünkirchen, Calais und der Schelde; die Somme-, Crozat-, St. Quentin- u. Landrecis-Kanäle, welche die Schelde u. Sambre mit der Oise u. Somme verbinden; die Ardennenkanäle zwischen der Maas u. der Oise; die Kanäle von Beaucaire u. Arles zwischen den Rhonemündungen u.s.w. Die Gesammtlänge der französischen Kanäle beträgt 4715 Kilometres (über 620 Meilen); rechnet man hierzu nun noch die 8817 Kilometres (über 1160 Meilen) schiffbare Länge der französischen Flüsse (s. oben) so ergibt sich für die französische Binnenschifffahrt eine Gesammtlänge von 13,532 Kilometres (nahe an 1800 Meilen). Das französische Eisenbahnnetz hat seinen Knotenpunkt in Paris, von wo aus die Eisenbahnen in 6 Radien nach den Grenzen des Landes auslaufen. Die 6 Pariser Bahnhöfe (der der Nordbahn, der Strasburger, der Lyoner, der Orleanser, der Versailleser [linkes Seineufer] u. der Rouener) sind durch eine um die Stadt laufende Gürtelbahn verbunden. Diese 6 großen Linien sind: a) Die Nordbahn von Paris über Creil nach Clermont, Amiens, Boulogne, Calais (hiervon zweigt sich in Amiens eine Bahn ab nach Arras u. Douai, u. trennt sich dort, einerseits über Lille nach Calais u. Dünkirchen, andrerseits über Valenciennes nach der Belgischen Grenze u. Brüssel führend) nach St. Quentin (hier südöstlich nach Rheims abzweigend), in gerader Linie aber (nordöstlich) nach der Belgischen Grenze (Mons. Lüttich, Köln) führend. b) Die Ost- od. Strasburger Bahn, von Paris über Chateau Thierry, Epernay (hier sich nordöstlich nach Rheims abzweigend) weiter fort über Chalons sur Marne nach Vitry (hier sich südlich nach Chaumont u. Langres, u. von dort wiederum nach Dijon u. Basel abzweigend), weiter fort über Bar le Duc nach Frouard (dort sich über Metz nach der deutschen Grenze [Forbach, Ludwigshafen] abzweigend) weiter fort über Nancy u. Saarburg nach Strasburg. Von hier aus führt die Weißenburger Bahn nördlich nach Rheinbayern, die Elsaßbahn südlich nach Basel. c) Die Südost- od. Lyoner Bahn, von Paris über Fontainebleau, Sens, Tonnerre (hier südöstlich nach Besancon, Mühlhausen u. Neuchatel abzweigend), Chalons sur Saone nach Lyon (hier nordöstlich nach Genf, südöstlich nach Grenoble abzweigend) weiter fort südlich über Valence, Avignon, Tarascon, (hier westlich nach Montpellier u. Cette abzweigend) nach Marseille. d) Die Süd- od. Orleansbahn, von Paris über Corbeil (hier über Montargis nach Nevers abzweigend; noch im Bau begriffen) u. Etampes nach Orleans; hier weiter fort südlich nach Vierzon (dort sich östlich abzweigend nach Nevers zum Anschluß nach Lyon) Chateauroux, Argenton, Limoges u. Perigeux, dort sich verzweigend westlich nach Coutras, südlich nach Agen, Toulouse u. Cette (noch im Bau begriffen), östlich nach Aurillac, südwestlich über Blois nach Tour, von dort westlich nach Saumur, Angers u. Nantes; nach Poitiers, Coutras, Bordeaux. Bayonne. e) Die Westbahn von Paris über Versailles (linkes Seineufer), Chartres, Le Mans (hier nördlich nach Caen abzweigend) u. Rennes nach St. Brieux (dieser letzte Theil noch im Bau begriffen). f) Die Rouener Bahn von Paris aus (mit Zweigbahnen nach Versailles [rechtes Seineufer] u. St. Germain) über Poissy nach Mantes, von dort Hauptbahn nördlich nach Rouen (nordöstlich nach Dieppe abzweigend) u. westlich nach Havre führend; nordwestlich über Lisieux u. Caen nach Cherbourg. Hierzu kommt noch g) eine siebente von Paris aus abführende, erst im Bau begriffene Bahn über Nogent u. Troyes nach Chaumont (zum Anschluß an die Vitry-Dijon-Bahn). Außer diesen Hauptbahnen gibt es noch eine große Menge Seiten- u. Zweigbahnen. Anfang 1857 betrug die Gesammtlänge der in F. dem Verkehr übergebenen Eisenbahnen 6500 Ki lometres (ungefähr 870 Meilen) mit einem Gesammtanlange-Capital von 3,080,594,973 Frcs.; hierzu hatte der Staat 661,308,315 Frcs. u. Privat- (Actien-) Gesellschaften 2,419,186,658 Frcs. aufgebracht, für welche jedoch noch mehrere Zweigbahnen ausgeführ' werden. Durchschnittlich kostet der Kilom. 393,000 Frcs zu bauen (in deutsches Maß u. Münze reducirt pro Meile ungefähr 780,000 Rthlr.) Von den im Jahre 1854 dem Betrieb übergebenen, mit Anlagecapital von nahe an 2 Milliarden erbauten 4348 Kilom. Eisenbahnen betrug die Gesammteinnahme (über 28 Mill. Passagiere, über 8 Mill. Tonnen Güter) an 200 Mill Frcs., was nach Abzug von ungefähr 40 Proc. Ausgabe einen Reingewinn von 61/2 Proc. ergibt. Außer den dem Betrieb übergebenen 6500 Kilom. sind noch 4750 Kilom. (ungefähr 640 Meilen) concessionirt, die bis 1866 vollendet sein sollen, so daß dann also das gesammte französische Eisenbahnnetz über 1500 Meilen Bahnlänge haben wird. Über die Geschichte des französischen Eisenbahnwesens vgl. Eisenbahn IV. Die Landstraßen zerfallen in F. in 4 Klassen; a) 654 kaiserliche od. Nationalstraßen (vom Staat unterhalten) mit einer Länge von 36,038 Kilom.; b) 1694 Departementsstraßen (aus den Departementskassen unterhalten) mit einer Länge von 45,627 Kilometres; c) 69 strategische Straßen (vom Staate u. den Departements unterhalten) mit einer Länge von 1463 Kilom.; d) 286,000 Vicinalwege (von den Gemeinden unterhalten) mit einer Länge von 570,000 Kilom.

Das Postwesen hat sich in neuester Zeit sehr vereinsacht: ein einfacher Brief (bis zu 15 Grammes) kostet im Innern derselben Stadt frankirt 10 Centimes, unfrankirt 15 Cent.; nach jedem andern Orte ohne Unterschied der Entfernung der einfache Brief (bis zu 71/2 Grammes) frankirt 20 Centimes, unfrankirt 30 Centimes. Was die Postverbindung mit Deutschland anbetrifft, so ist das Porto durch den am 21. Mai 1858 zwischen F. u. Preußen abgeschlossenen Vertrag ebenfalls bedeutend ermäßigt worden. Nach demselben beträgt das in Preußen für einen einfachen Brief (10 Grammes = 6/10 Zollloth) zu erhebende Gesammtporto für frankirte Briefe nach F. u. Algerien aus der Rheinprovinz 31/2 Sgr., aus sämmtlichen übrigen Provinzen 41/2 Sgr.; für unfrankirte Briefe aus F. u. Algerien 1/2 Sgr. Zuschlag, also 4 resp. 5 Sgr. Eine Ausnahme tritt für die Correspondenz[514] zwischen denjenigen preuß. u. franz. Postanstalten ein, deren Entfernung von einander nicht mehr als 30 Kilom. (4 preuß. Postmeilen) beträgt, wo dann nur 2 resp. 21/2 Sgr. erhoben wird. Recommandirte Briefe müssen frankirt werden u. mindestens 2 in Siegellack abgedrückte Siegel enthalten, u. kosten außer dem Porto noch 4 Sgr. Recommandationsgebühr ohne Rücksicht auf das Gewicht. Gemünztes Geld, Juwelen etc. dürfen nicht eingelegt werden. Zeitungen, Zeitschriften, Prospecte u. dgl. kosten unter den auch in Deutschland üblichen Beschränkungen (nichts Geschriebenes außer Datum, Name etc.) unter Kreuz- od. Streifband, wenn frankirt, für je 40 Grammes (2,4 Zollloth) 9 Pfennige, ebenso Waarenproben unter den nämlichen Bedingungen. Dieser Vertrag ist am 1. Juli 1858 in Kraft getreten u. gilt zur Zeit nur für die in Preußen selbst aufgegebenen resp. dahin bestimmten Briefe und Sendungen. Die Telegraphenlinien F-s hatten Anfang 1858 eine Gesammtlänge von nahe an 12,000 Kilom. u. beförderten monatlich durchschnittlich 50,000 Depeschen. Auf submarinem Wege ist F. direct mit England (über Calais nach Dover) u. indirect (über Sardinien) mit Algier telegraphisch verbunden.

An Colonien besitzt F. in Asien: Pondichery (im Carnatik, Ostküste der vorderindischen Halbinsel), Karikal (ebenfalls im Carnatik) u. Mahé (in Malabar, Westküste von Vorderindien), zusammen 24,5 QM. mit 168,000 Ew.; in Afrika: Algerien, die Niederlassungen am Senegal nebst den Inseln St. Louis u. Goree, ferner die Inseln Bourbon ((Isle de la Réunion) u. St. Marie (beide bei Madagascar), zusammen 6552 QM. mit ungefähr 21/2 Mill. Ew.; in Amerika: die Kleinen Antillen Martinique, Guadeloupe, St. Martin (zur Hälfte), Marie-Galante u. Les Saintes; die Fischerinseln St. Pierre u. Miquelon (bei Neufundland) u. Cayenne (französisch Guyana, in Südamerika) zusammen 1470 QM. mit ungefähr 270,000 Ew.; in Polynesien: die Marquesasinseln mit Nukahiwa, 24 QM. mit 20,000 Ew. u. das Protectorat über die Gesellschaftsinseln, insgesammt also an Colonien über 8000 QM. u. nahe an 3 Mill. Ew.

Nationalfarben, Wappen, Orden etc. Die Nationalfarben sind seit der Julirevolution wieder weiß, roth u. blau (Tricolore) wie sie es bereits unter der ersten Republik u. dem Kaiserreich waren anstatt der frühern (auch unter der Restauration) weißen Fahnen u. Cocarden. Die Fahnen u. Flaggen tragen die 3 Farben in senkrechten Streifen, weiß zunächst am Stab; auf der Spitze der Fahnen ein goldner Adler (daher die Fahnen auch insgemein Les a igles genannt) wie unter dem ersten Kaiserreich; unter der ersten Revolution u. während der Julidynastie der Gallische Hahn. Die Oriflamme (Auriflam me, Oriflande). eine feuerfarbige Kirchenfahne von St. Denys mit 3 grünen Quasten, diente seit Karl VII. nicht mehr als Reichspanier. Wappen: ein goldner Adler, auf dem Blitzstrahl ruhend, in einem von der Kette der Ehrenlegion geschlossenen Kreise, an dessen unterm Theile ein N mit dem Orden selbst, dahinter 2 goldne Scepter (der zur Rechten mit der Hand der Gerechtigkeit) schräg übereinander gelegt, um das Ganze der Purpurmantel, oben darauf die Kaiserkrone. Die früheren Wappen waren während der Herrschaft der ältern Bourbonenlinie 2 zusammengeschobene Schilde, der rechte blau mit 3 goldenen Lilien (wegen Frankreich), der linke roth mit goldenen in Kreuzform geschlossenen Kettengliedern, in der Mitte ein viereckiger Saphir (wegen Navarra); Schildhalter: Engel mit der französischen u. navarresischen Flagge: Wappenzelt außen blau, mit goldnen Lilien, inwendig Hermelin, darüber die Königskrone, hinter ihr die Oriflamme mit der Devise: Montjoye St. Denys; dies Wappen kehrte 1815 mit den älteren Bourbonen zurück u. fiel 1830 wieder mit denselben; während der Julidynastie: in blauem Feld ein geöffnetes, senkrecht gestelltes Buch, auf dessen 2 weiß aufgeschlagenen weißen Blättern in schwarzen Lettern die Charte von 1830; dahinter 2 Scepter (wie beim jetzigen Kaiserwappen) vom rothen Bande der Ehrenlegion umschlungen, an welchem unten der Orden selbst hängt; oben die Königskrone, neben der auf jeder Seite 3 farbige Fahnen hervorragen. Das Staatssiegel war ganz ähnlich, nur auf dem Buche einfach die Inschrift: Charte 1830. Der einzige Orden F-s ist die Ehrenlegion (Légion d'honneur), s. Ehrenlegion; außerdem bestehen noch die Krimmedaille u. die St. Helena-Denkmünze (s. b.), beide erst in neuerer Zeit von Napoleon III. gestiftet. Unter der Julidynastie bestanden noch das Julikreuz, dreiarmiges, sechsspitziges, weißes Kreuz mit Kugeln an den Spitzen u. rundem roth-blau-weißem Mittelschild, worin einerseits: Donné par le Roi des Fran çais. 27., 28., 29. Juillet 1830, andernseits der gallische Hahn mit der Umschrift: Patrie et Liberté, um das Kreuz ein Eichenkranz, darüber eine silberne Mauerkrone, an blauem Band mit rothem Rand; u. die Julimedaille, von Silber, einerseits 3 verschlungene Kränze, darin 27., 28., 29. Juillet 1830. Umschrift: Patrie Liberté, andernseits der gallische Hahn auf einer schrägen Fahne in einem Lorbeerkranze, Umschrift: La patrie reconnoissant e à ses defenseurs; Band roth, blau, weiß. Dagegen wurden durch Ordonnanz vom 10. Febr. 1831 die früheren französischen Orden aufgehoben; diese waren: der Lilienorden, die Orden des heiligen Ludwig, des heiligen Geistes, des heiligen Michael, des heiligen Lazarus, Unserer lieben Frauen vom Berge Carmel u. der Militärverdienstorden (s.d. a.).

Die französischen Münzen, Maße u. Gewichte beruhen gesetzlich durchgehends auf dem Decimalsystem, wiewohl im bürgerlichen Leben mehrfache Abweichungen davon vorkommen. Münzeinheit ist seit 1795 der Franc, in 100 Centimes getheilt; 5 Centimes sind 1 Sou. Schriftlich rechnet man unter dem Werth von 1 Franc nach Centimes, im bürgerlichen Leben jedoch häufig nach Sous. Der Franc wiegt (bei einem Feingehalt von 9/10 Silber nach dem Münzregulativ vom 28. März 1803) 5 Grammes u. hat dem nach einen Werth von 8 Silbergroschen 1,027 Pfennig; in diesem Verhältniß sind in Silber geprägt: 5-, 2-, 1-, 1/2 u. 1/5 Frankenstücke; ferner in Gold (zu 9/10 Feingehalt) 40-, 20-, 10- u. 5 Frankenstücke; 3100 Franken sollen auf 1 Kilogramm Münzgold gehen, also 155 Stück zu 20 Franken etc. nach Verhältniß; in Kupfer: 5- u. 2 Centimesstücke. Papiergeld (d.h. Kassenanweisungen in kleineren Appoints, wie z.B. in Deutschland die Ein-, Fünf-, Zehn- etc. Thalerscheine) gibt es in F.[515] nicht; die Assignaten (s.d.) der ersten Republik haben das Vertrauen zu jeder Art von Papiergeld gänzlich vernichtet. Größere Summen werden daher stets in Gold od. Banknoten zu 1000 od. 500 Franken ausbezahlt, zu deren Emission allein die Bank von F. berechtigt ist. Von den frühern von Jahr zu Jahr aber immer seltener werdenden Münzen kommen noch vor: in Gold: Louisd'or von 1640–1709 (alte Louisd'or), 213/4 Karat fein, 38,62 = 1 Mark fein od. 5 Thlr. 3 Sgr. 1 Pf.; Louisd'or von 1709–16 (Sonnen-Louisd'or), 211/2 Kar. fein, 32,093 = 1 Mark sein od. 6 Thlr. 41/4 Sgr.; Louisd'or von 1716–18 (Noailles od. Vierwappenpistolen), 21 Kar. 8 Gr. fein, 21,184 = 1 Mark fein od. 9 Thlr. 9 Sgr. 2 Pf.; Louisd'or von 1718–23 (Chevaliers, Malteserkreuz-Louis-d'or u.Frankreich [2]), 211/2 Kar. sein, 28,489 = 1 Mark fein od. 6 Thlr. 27 Sgr. 7 Pf.; Louisd'or von 1723 bis 1726 (Mirlitons), 211/2 Karat fein = 40,108 = 1 Mark fein od. 4 Thlr. 17 Sgr. 52/3 Pf.; Louisd'or von 1726–85 (Schildlouisd'or), 21 Kar. 8 Gr. sein, 32,846 = 1 Mark fein od. 6 Thlr. 4 Sgr. 8 Pff, doppelte u. halbe nach Verhältniß; Louisd'or von 1785–93, 21 Kar. 8 Gr. fein, 33,87 = 1 Mark sein od. 5 Thlr. 24 Sgr. 1 Pf., doppelte nach Verhältniß. In Silber: Ecus (Louis blanc) von 1604–1709, 9,855 = 1 Mark fein; von 1709–18 (neue Kronenthaler), 8,497 = 1 Mark fein; von 1718–24 (Navarrathaler), 10,545 = 1 Mark fein; von 1724–26 (Bidet neuf Frankreich [2]-Thaler), s. Bidet neuf, vgl. Ecu; Ecus neufs, à 6 Livres, von 1726–95 (Laubthaler, königliche u. republikanische), 8,844 = 1 Mark fein od. 1 Thlr. 17 Sgr. 6 Pf., an deren Stelle der Fünffrankenthaler, Ecu de cinq francs getreten ist, Halbe (3 Livres), Fünftel (24 Sols tourn.), Zehntel (12 Sols) u. Zwanzigstel (6 Sols) nach Verhältniß; 30 Sols während der Republik = 12 Sgr. u. 15 Sols = 6 Sgr.; in Kupfer: Solsstücke zu 12, Doppel-Liards zu 6 u. Liards zu 3 Deniers. Die Geldcourse werden in Franken u. Centimen per Stück, die Goldmünzen in Agio per Mille notirt. Die Preise von Gold u. Silber entweder nach dem alten Tarif (Gold 3434 Franken 44 Cent. das Kilogr. fein; Silber 218 Franken 89 Cent. das Kilogr. fein) od. nach dem neuen (Gold 3437 Franken 77 Cent., Silber 220 Fr., ebenfalls das Kilogr. seinen Metalls). Die Wechselcourse werden in ganz F. nach dem Pariser Courszettel regulirt; als Durchschnitt kann gelten: 100 Franken = 26,9 Thaler norddeutsches Vereinsgeld = 47 rhein. Gulden = 40 österreichische Gulden, = 3,9 Pfd. Sterl. u. umgekehrt 100 Thlr. norddeutsches Vereinsgeld = 375 Franken; 100 rheinische Gulden = 213 Franken; 100 österreichische Gulden = 250 Franken; 100 Pfd. Sterl. = 2520 Franken. Das gesammte französische Längen-, Flächen- u. Hohlmaß beruht auf dem Mètre; dies ist nach dem Gesetz vom 10. Dec. 1799 der zehnmillionste Theil des Erdquadranten (d.h. der vierzigmillionste Theil des Umfangs der Erde am Äquator). Die Theilung od. Vermehrung aller Maße findet nur nach Decimalen statt; die Bezeichnung wird in ersterem Falle durch die Zusammensetzung mit lateinischen, in letzterem durch eine solche mit griechischen Zahlwörtern gebildet. Längenmaß: Einheit der Mètre (= 443,296 alte pariser Linien = 3,186 preußische [rheinländische] Fuß); 1 Mètre hat 10 Décimètres, 100 Centimètres, 1000 Millimètres; 1 Myriamètre hat 10,000, 1 Kilomètre 1000, 1 Hectomètre 100, 1 Decamètre 10 Mètres; 1 Kilomètre = 0,133 deutsche Meile (also 1 deutsche Meile = 7,5 Kilomètres). Die neue Lieue ist der Myriamètre (10 Kilomètres) = 1,33 deutsche Meile = 2,25 alte Lieues de France; auf einem gewöhnlichen Äquatorialgrad gehen demach 11,11 Lieues (die Franzosen theilen jedoch jetzt den Äquatorumfang in 400 Grade à 10 Myriamètres); officiell wird stets nach Kilomètres gerechnet. Die neue Seemeile (Mille marine) ist der 3. Theil der alten (Lieue marine) u. entspricht 1,85 Kilomètres. Flächenmaß: 1 Quadratmètre hat 100 Quadratdécimètres à 100 Quadratcentimètres à 100 Qnadratmillimètres, 100 Quadratmètres sind 1 Quadratdécamètre; Feldmaß: Einheit der Are = 1 Quadratdécamètre (also 10 Mètres lang, 10 Mètres breit); die steigenden Größen sind: Decare (10 Ares), Hectare (100 Ares), 1 Hectare = 3,916 preußische Morgen; 5486,962 Hectares = 1 deutsche Quadratmeile), Kilare (1000 Ares), Myriare (10,000 Ares). Cubikmaß: 1 Cubikmétre hat 1000 Cubikdécimètres à 1000 Cubikcentimètres etc. 1000 Cubikmètres sind 1 Cubikdécamètre. Brennholzmaß: Einheit der Stère (= 1 Cubikmètre) getheilt entweder in 2 halbe Stères od. 10 Deci-Stères, 1 Deca-Stère hat 5 Doppel-Stères od. 10 einfache Stères; in mehreren Gegenden wird das Brennholz auch nach dem Gewicht verkauft; Hohlmaß für flüssige u. trockne Waaren: Einheit der Litre (= 1 Cubikdecimètre); 1 Litre hat 10 Décilitres, 100 Centilitres, 1000 Millilitres; 1 Myrialitre hat 10,000, 1 Kilolitre 1000, 1 Hectoliter 100, 1 Decaliter 10 Litres; 1 Litre = 0,873 preußische Quart; 1 Hectoliter für Flüssigkeiten = 87,334 preußische Quart, für trockne Waaren = 1,819 preußische Scheffel. Der größte Theil der trocknen Waaren soll nicht nach dem Maß, sondern nach dem Gewicht verkauft werden. Gewicht: Einheit das Gramme (1 Cubikcentimètre destillirtes Wasser bei + 15° R. in luftleerem Raum gewogen), 1 Gramme (= 0,06 deutsches Zollloth od. 6 Cent) hat 10 Decigrammes, 100 Centigrammes, 1000 Milligrammes; 1 Myriagramme hat 10,000 Grammes, 1 Kilogramme 1000 Grammes (= 2 deutsche Zollpfund, entspricht genau dem Gewicht von 1 Litre Wasser), 1 Hectogramme 100 Grammes, 1 Decagramme 10 Grammes; 1 metrischer Centner (Quintal métrique) hat 100 Kilogrammes, entspricht also genau 2 deutschen Zollcentnern. Die Schiffstonne (Tonneau de mer, auch Millier genannt) hat 10 Qui ntaux métriques od. 1000 Kilogrammes = 20 deutsche Zollcentner; Grammes u. Kilogrammes dienen ebenfalls als Medicinal-, Gold-, Silber- u. Münzgewicht; beim Medicinalgewicht wird 1 Pfund zu 500 Grammes, die Unze zu 32 Grammes, die Drachme zu 4 Grammes, 20 Grän zu 1 Gramme, 1 Grän zu 0,05 Gramme angenommen. Für Juwelen bedient man sich noch des Karat zu 4 Grän, 1 Karat = 0,2058 Gramme. Alte Maße u. Gewichte, die noch häufig im bürgerlichen Leben vorkommen, sind: Längenmaß: der Fuß (Pied, P. du roi) zu 12 Zoll (Pouces) zu 12 Linien (Lignes) zu 12 Punkten (Points) ist gleich 0,324839 Mètre: 100 Pieds = 32,485 Mètres = 103,4 preußische (rheinländische) Fuß; die Elle od. Stab (Aune)[516] hat 526,75 pariser Linien (Lignes) = 1,188 Mètre = 1,78 berliner Elle; die Klafter (Toise) hat 6 Fuß (Pieds) = 1,949 Mètre; die alte Meile (Lieue de France, 25,04 auf 1 Äquatorialgrad) = 2280,33 Toisen = 4,44 Kilomètres = 0,59 deutsche Meile; Feldmaß: der Arpent = 100 Quadratperches (1 Perche = 5,84 Mètres) gewöhnlich zu 2 berliner Morgen angenommen; Hohlmaß: der Scheffel (Boisseau) hatte 16 Litrons, dann in Hälften etc. getheilt u. war 13,008 Litres; 12 Boisseaux Korn u. 24 Boisseaux Hafer = 1 Setier; 12 Setiers = 1 Muid Getreidemaß; 1 Muid od. Poinçon Flüssigkeitsmaß wurde getheilt in 2 Feuillets à 2 Quartauts à 9 Setiers à 8 Pintes, 1 Muid (Poinçon) = 268,22 Litres; Gewicht das Pfund (Livre) zu 2 Poids de mare à 8 Onces à 8 Gros à 3 Deniers à 24 Grains; 1 Livre = 489,5 Grammes; 1 Tonneau = 20 Quintaux = 62/3 Charges = 2000 Li vres. Außerdem kommen noch häufig folgende Abweichungen vor: Bayonne u. Bordeaux stellen die Weinpreise gewöhnlich nach dem alten Tonneau (Faß) à 4 Barriques (Oxhoft) à 30 Veltes; die Velte soll 7,6 Litres, die Barrique demnach 228 Litres enthalten, kann aber nie zu höher als 225 Litres angenommen werden; Lyon bei Seidenwaaren die Aune zu 1,174 Mètre u. das Livre Poids de Soie zu 489,506 Grammes.

Expilly, Dictionn. géogr. hist. et pol. des Gaules et de la France, Par. 1761–70, 6 Bde., Fol.; Dict. univ. géogr. statist. hist. et pol. de la France, ebd. 1804; Ehrmann, Historisch-statistisch-topographisches Lexikon von Frankreich, Ulm 1795–1807, 4 Bde.; I. Peuchet, Description topogr. et statist. de la France, ebd. 1807; Herbin, Statistique générale et particulière de la France et de ses colonies, ebd. 1807, 7 Bde. mit Atlas; I. G. Chanlaire, Description topogr. et statist. de la France, ebd. 1810 f., 2 Bde.; Parrot u. Aupik, Nouveau atlas de la France, herausgegeben von Duprat Duverger, ebd. 1828; Briant de Verzé, Dictionnaire géographique, statistique et commercial de la France et de ses colonies, Paris 1831; Schnitzler, Statistique générale, raisonnée et comparée de la France, Par. 1842; Heuschling, Bibliographie historique de la statistique en France, Brüssel 1851; Annuaire de l'économie politique et de statistique 1842–55 von Joseph Garnier u. Guillomain, seit 1856 von Guillomain u. Block herausgegeben; Block, Dictionnaire de l'administration française, Paris u. Strasburg 1856; Faucqueux, Nouveau Dictionnaire des communes de France, Paris 1857; Almanac de Paris, Annuaire international, diplomatique, administratif, statistique, financier, industriel et commercial, Par. 1858; ferner die verschiedenen Annuaires u. Comptes rendus, welche jährlich von den einzelnen Ministerien u. Oberbehörden publicirt werden. An Karten: Donnet, 24 Blätter, Paris 1817; Achin, 4 Blätter, ebd. 1845; Brué, 4 Blätter, ebd. 1850; Dufour, 2 Blätter, ebd. 1850; Carte topographique de la France, herausgegeben vom französischen Generalstab, 259 Blätter, Par. 1832 ff.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 496-517.
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